"Queer und konservativ – das geht sich nicht aus."

Queerer kommentiert
"Queer und konservativ – das geht sich nicht aus."
Ein Kommentar zum Diskurs in der Gesellschaft und in den Szenen der LGBTIQ-Community – von Katharina Payk

"Jetzt gib amoi a Ruhe du komische Person!!", fährt mich ein vermutlich mittelalter cis-Mann auf Facebook an. Eigentlich war es nur die freudige Ankündigung der Stadt Wien zur Wiener Regenbogenparade, die am 14. Juni wieder über die Ringstraße startet. Ich hatte angemerkt, dass es viele Hasskommentare unter dem Post gäbe. Und dass die "Profile der Schreiber:innen" oft auf sozial machen, doch dann gegen LGBTIQ wettern.

Der Kommentator J.T., der mich in österreichischem Dialekt – zugegeben harmlos – beleidigt, outet sich als "stock queer", aber dass er nichts von Gendern halte. 

Ich schrieb ihm, dass zum Konzept "Queer" sehr wohl auch inklusive Sprache gehöre – schließlich schließt diese auch LGBTIQ-Menschen ein. 

Und da sind wir dann: mittendrin in der Debatte um queere Identitätspolitiken. Ist man automatisch queer, wenn man gleichgeschlechtlich liebt oder transgeschlechtlich ist? Geht queer und konservativ zusammen? Kann man sich queer und rechtspolitisch zugleich identifizieren?

In letzter Zeit begegnen uns immer häufiger Stimmen lesbischer und schwuler Menschen, die sich gegen Genderpolitik positionieren und sich teilweise sogar offen dem rechten politischen Spektrum zuordnen. Diese Entwicklung irritiert vermutlich nicht nur mich: Denn das queere Selbstverständnis steht in einem grundlegenden Widerspruch zu rechten Ideologien und zu fundamentalistischen Haltungen gegenüber Sprache - und freilich auch der Bibel.

In unserer queeren Gruppe im evangelischen Wien kam kürzlich das Thema auf, dass ältere schwule Männer sich gegen das queere Regenbogenkonzept stellen. Schließlich hätten sie die Rechte homosexueller Menschen damals hart erkämpft. Dass nun etwa Trans-Themen und Nichtbinarität einen "so großen Platz" einnähmen, sei für sie "too much" – so der Bericht meines Kollegen. Es sei auch vielerorts die Angst da, dass die schwer errungene Gleichberechtigung damit aufs Spiel gesetzt werden könnte. 

An dieser Stelle werden bestimmte Gruppen unter dem Rainbow Umbrella ausgeschlossen und "die" LGBTIQ-Szene läuft Gefahr, sich immer weiter zu spalten – was unweigerlich antiemanzipatorischen Strömungen in die Hände spielt.

Als Pfarrerin ist es meine Aufgabe und Bestrebung, Menschen in ihren eigenen Lebenswelten und deren Ängsten und Sorgen zuzuhören. Deshalb möchte ich auch in dieser Problematik erst einmal verstehen. Das tue ich auch in Gesprächen. Ich höre zu, ich frage nach. Ich lasse mich mit größtmöglicher Offenheit auf Diskussionen ein und biete meine eigenen Ansichten als Orientierung und Forum an – mit dem möglichen Ausgang, dass meine Meinung nicht geteilt wird.

Nicht selten bin ich dabei dankbar und froh darüber, nicht von Angst, sondern von der Freude über die immer größer werdende Sichtbarkeit der Vielfalt queerer Lebensweisen geleitet zu sein. Und auch wenn ich niemandem das eigene Queersein abspreche – denn das allein widerstrebt dem Konzept Queer – so bin ich doch froh, dass eine Alice Weidel, die mit einer Frau verheiratet ist, vor zwei Jahren öffentlich klargestellt hat "ich bin nicht queer". Denn queer und rechts zugleich, das schließt sich aus. 

Oder schärfer zugespitzt formulierte es eine Freundin kürzlich im Beisl auf gut Wienerisch: "Queersein und konservativ – das geht sich nicht aus."

Als queer lebende Menschen müssen wir nämlich meines Erachtens aushalten, dass wir das Widerständige, das Durchbrechende sind. Und auch das sind und zeigen, was nicht jede:r sein will. Das war eh und je der Triumph von Queer schlechthin.

Ich erhebe also mein Glas und sage danke, dass sich Menschen, die sich gegen die Errungenschaften von Gender und inklusiver Queerpolitik stellen, sich nicht als queer bezeichnen. Allen, die das doch wollen, stehe ich für einen Austausch in Social Media oder bei einem Achtel an der Bar gerne geduldig zur Verfügung.

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