Zuhören – bis die Kirche Heimat aller ist

Wolfgang Schürger zusammen mit Sr. Magdalena von den Schwestern der Perpetuellen Indulgenz
Wolfgang Schürger
Wolfgang Schürger zusammen mit Sr. Magdalena von den Schwestern der Perpetuellen Indulgenz
Kreuz & Queer Blog
Zuhören – bis die Kirche Heimat aller ist
In wenigen Wochen beginnt wieder die CSD-Saison. In München, Berlin, Köln und Hamburg sind Paraden und Straßenfeste nicht mehr vorstellbar ohne die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz. Wolfgang Schürger spricht mit Sr. Magdalena von der bayerischen Abtei über ihre Begegnungen, bei denen sie immer wieder als Seelsorgerin gefordert ist.

In wenigen Wochen beginnt wieder die CSD-Saison. In München, Berlin, Köln und Hamburg sind Paraden und Straßenfeste nicht mehr vorstellbar ohne die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz.

„Wir sind queere Nonnen des 21. Jahrhunderts“, stellt sich das Berliner Ordenshaus auf seiner Webseite vor. „Bunt, aktivistisch, spirituell und ein bisschen verrückt verbreiten wir universelle Freude. Wir sind für dich da —  mit der Kraft des liebenden Herzens.“

Kirchlich gebunden sind die Schwestern natürlich nicht, aber der Weg zur Nonne folgt dem traditionellen Ausbildungsweg der christlichen Orden mit Postulat, Noviziat und Einsegnung. In der Zeit der Ausbildung lernen die angehenden Schwestern, auf ganz unterschiedliche Reaktionen zu reagieren und mit Menschen in ihrer bunten Vielfalt umzugehen.

Schwester Magdalena aus dem bayerischen Ordenshaus ist eine der wenigen Frauen in der Gemeinschaft – und eine der wenigen Schwestern, die zugleich tief im christlichen Glauben verwurzelt ist. Im Interview mit mir erzählt sie, wie sie immer wieder zur Seelsorgerin wird – obwohl sie doch gar keine vertiefte Ausbildung dazu hat.

Wolfgang Schürger: Schwester Magdalena, was erlebst du, wenn du bei den Pride-Veranstaltungen unterwegs bist?

Sr. Magdalena: Ich erlebe, dass das Bild der (queeren) Nonne, das wir mit Humor und Ernst zugleich tragen, bei vielen Menschen etwas auslöst: Wiedererkennung, Vertrauen, Offenheit, das Gefühl, gehört zu werden.

Das heißt, du nimmst eine seelsorgerliche Funktion wahr?

Sr. Magdalena: In meiner Arbeit begegne ich immer wieder queeren Christ*innen, die sich aus gutem Grund schwer damit tun, kirchliche Räume zu betreten. Zu oft haben sie dort Ablehnung, Ausgrenzung oder sogar spirituellen Missbrauch erlebt. Sie kommen zu mir, nicht weil ich einer Institution angehöre, sondern weil ich einfach da bin – als Schwester, als Zuhörende, als jemand, der den Schmerz aushält, ohne zu urteilen. 

Ihr habt als Schwestern ein gutes Training, aber du bist keine ausgebildete Seelsorgerin. Wie sind diese Begegnungen für dich?

Sr. Magdalena: Für mich ist Schwesternsein Berufung. Es ist meine Art, den Menschen ein kleines Stück der Liebe Gottes weiterzugeben, die ich selbst erfahren habe. Doch gleichzeitig gehen mir diese Gespräche sehr zu Herzen: Das Herz wird mir einerseits schwer, weil ich immer wieder Zeugin werde, wie tief der Schmerz sitzt, den queere Menschen, besonders queere Christ*innen, in sich tragen. Aber dann ist da auch Hoffnung, weil es heute Räume der Heilung gibt, wo früher nur Schweigen und Ausgrenzung waren.

Du meinst, die Schwestern können Raum für solche Heilung sein?

Sr. Magdalena: Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz sind keine christliche Organisation. Wir sind eine nicht-religiöse Ordensgemeinschaft, die sich der Freude, der Solidarität und dem Dienst an der queeren Community verschrieben hat. Ich glaube schon, dass Menschen in der Begegnung mit uns Heilung erleben.

Ich will aber hier laut und deutlich sagen: Es gibt auch in den Kirchen wunderbare Zeichen der Veränderung. Die Regenbogenpastoral der katholischen Kirche in München ist für mich ein Hoffnungszeichen. Sie zeigt, dass Kirche heilen, versöhnen, ein Zuhause bieten kann. Auch die evangelische queere Seelsorge und die Sichtbarkeit queeren Menschen in den evangelischen Kirchen machen mir Mut. Dort spüren Menschen wieder, dass sie als geliebte Kinder Gottes willkommen sind. Solche Initiativen sind ein Segen, und ich bin dankbar, dass sie wachsen und stärker werden. 

Interessant, dass du dich dennoch nicht dort, sondern bei den Schwestern der Perpetuellen Indulgenz engagierst…

Sr. Magdalena: Vielleicht ist das mein Traum, dass meine seelsorgerische Arbeit als Schwester der Perpetuellen Indulgenz eines Tages überflüssig wird. Dass queere Christ*innen sich in ihren Kirchen so geborgen, so aufgehoben fühlen, dass sie nicht mehr zu mir kommen müssen, um Trost, Segen und Bestärkung zu finden. Ich mache meine Arbeit mit Liebe und Hingabe, aber mein tiefster Wunsch ist, dass Kirche selbst wieder zu einem Ort der Heilung und Freude für alle wird. Bis dahin werde ich weiter zuhören, segnen, umarmen, lachen… und manchmal auch weinen über all die Geschichten, die mir anvertraut werden. 

Danke dir und allen anderen Schwestern für euer segensreiches Wirken!

Sr. Magdalena: Ja, mit einem Segen möchte ich dieses Interview auch beenden: 

Möge sich euer Geist öffnen für die farbenfrohe Welt in all ihren wunderbaren Facetten. Möge sich euer Herz weiten für Menschen, die euch fremd und unnahbar erscheinen. Und möge eure Freude am Leben unstillbar sein. Ihr seid gesegnet.

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