Transgender als Thema der Theologie

Transgender als Thema der Theologie
Foto: Sabina Boddem, www.farben-reich.com
Trans*, transgender, transsexuell - das bedeutet, Geschlecht nicht mehr (nur) in den gesellschaftlich vorgegebenen Grenzen zu denken.

Das T in dem bekannten Akronym LGBT (oder deutsch: LSBT) steht für transgender oder transsexuell. Oft wird es mit einem Sternchen (‚Asterisk‘) geschrieben, um auf die Vielfältigkeit und Unabgeschlossenheit von Geschlecht zu verweisen.

Cis* ist der Ausdruck, der für Nicht-Transmenschen verwendet wird, Menschen, die sich mit ihrem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht wohlfühlen.

Die Existenz von Trans* zeigt uns: Geschlecht ist mehr als Mann und Frau in der Eindeutigkeit, wie sie oft scheint. Oder auch: Mannsein und Frausein ist vielschichtiger als gedacht.

Unser Geschlecht zeigt sich auf viel mehr Ebenen als nur durch die Geschlechtsorgane. Geschlecht ist u. a. auch definiert über chromosomale, psychische, hormonelle und soziale Aspekte. Bei den meisten Menschen stimmen alle oder viele dieser Aspekte überein, bei vielen aber variieren sie. Sie lassen sich nicht in eine Geschlechterordnung zwingen, die nur zwei Pole kennt: Mann oder Frau. Trans* bedeutet aber gleichwohl nicht immer unbedingt, die ‚klassischen‘ Geschlechter(rollen) Frau oder Mann abzulehnen: Für viele Trans*menschen ist es wichtig, ganz klar dem einen oder anderen Geschlecht zugeordnet zu werden, (eindeutig) als Mann oder Frau gelesen zu werden. Für Trans- wie für Cismenschen gilt: Die einen performen ihre Geschlechterrolle mehr, die anderen weniger entlang der gesellschaftlichen Norm. Menschen, die sich keinem der Geschlechter Mann/Frau zuordnen wollen, nennen sich oft genderqueer.

Trans*menschen sind massiv von Diskriminierung betroffen. Erschreckend viele sind Opfer von Gewalt. Das verbissene Bekämpfen von Menschen, die einfach nur ihr Geschlecht so leben (möchten), wie sie es empfinden, zeigt, wie sehr sich der* Mensch* am Geschlecht festklammert. Passt jemand nicht (mehr) in das traditionelle Schema Mann/Frau, irritiert dies viele. Es stört? Es greift an? Es verletzt sogar? Aber warum eigentlich? Warum nimmt das Geschlecht eine so große Rolle ein, wenn es darum geht, sich zu identifizieren, sich in dieser Welt zu verorten?

Dabei ist das mit der rigiden Zweigeschlechterordnung gar nicht ‚schon immer so gewesen‘, wie viele vielleicht denken. Im Gegenteil: In der Vormoderne war Geschlecht „ganz offensichtlich stärker mit bestimmten Handlungs- und Verhaltensweisen verknüpft als mit einer spezifischen Körperausstattung“ (Isolde Karle, Liebe in der Moderne. Körperlichkeit, Sexualität und Ehe, Gütersloh 2014, 109).

Die Bibel ist voll von Geschlechterkonstruktionen. Gerade die Schöpfungserzählungen werden gerne zitiert, um das dichotome Geschlechterverständnis zu untermauern. Trans* kommt in der Form, wie wir heute darüber sprechen, in der Bibel nicht vor – genauso wenig wie viele andere Lebensrealitäten, die wir heute vorfinden. In meinen Seminaren fragen Theologiestudierende manchmal, wie sie mit Transgender/Transsexualität oder Intersexualität und dem biblischen Befund umgehen können. Letztendlich ist es eine Frage der Hermeneutik, eine Frage des Schriftverständnisses. Wir können die Bibel nicht als moralische Instanz missbrauchen, sie an unsere heutige Lebensrealität wie ein Maßband halten oder wie eine Wasserwaage, die uns sagt, wie schief unser Segen hängt. Aber veraltet ist die Bibel deshalb keineswegs. Die Geschichten darin sind Bilder von Menschen, die auf dem Weg sind, sich das Leben zu erklären, sich zu verorten. Auch in ihrer Geschlechtlichkeit.

Morgen, am Freitag, dem 24.04., findet an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien ein Fachtag zum Thema Trans* und Theologie mit dem Titel ‚Trans/Formationen Geschlecht aus queer_theologischer Perspektive‘ statt, den ich initiiert habe. Zwei fachkundige Referenten werden gemeinsam mit mir eine Gruppe von interessierten Teilnehmer_innen dazu anregen, sich mit Geschlecht in Bezug auf Trans* zu beschäftigen sowie anhand praktischer (Gruppen-)Übungen Gemeindekontexte und christliche Texte zu ver_queeren.

Ich bin schon sehr gespannt auf den morgigen Tag! In meinem nächsten Blogeitrag in zwei Wochen werde ich hier darüber berichten.

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