Gott zum Anfassen: Spielerisch beten lernen

Mädchen baut mit Duplo Figuren  Bibeszene nach
Katrin Hummel
"Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht." Mit Spielfiguren, Kuscheltieren oder Naturmaterialien lassen sich biblische Geschichten wie die Kindersegnung auch für die Kleinsten greifbar erzählen.
Beten mit Kindern & Jugendlichen
Gott zum Anfassen: Spielerisch beten lernen
Wie kann Beten mit Kindern und Jugendlichen gelingen – ohne Zwang, ohne Kitsch, aber mit echtem Glauben? Diese Serie gibt Eltern, Großeltern und Ehrenamtlichen praktische Impulse: vom ersten Gute-Nacht-Gebet bis zu den großen Fragen im Jugendalter. Im zweiten Teil geht Journalistin Katrin Hummel auf Kinder zwischen drei und sechs Jahren ein.

Warum? Laut meiner Mutter habe ich ihr diese Frage als kleines Kind dutzende Male am Tag gestellt. Und folgte die Erklärung, folgte postwendend das nächste Warum. Kleine Kinder wollen die Welt verstehen. Sie sind neugierig und unermüdlich im Fragen stellen. Fragen über den Körper, den Alltag, die Welt und auch den Glauben.

Nicht immer haben wir als Erwachsene eine Antwort auf jedes Warum. Doch das braucht es auch gar nicht. Denn in dieser Entwicklungsphase geht es weniger um Erklärungen als um das gemeinsame Erleben und Entdecken. Auch im Glauben.  Martina Helms-Pöschko ist Religionspädagogin an einer Grundschule und regelmäßig als Referentin in Kindergärten unterwegs.

Sie bringt Geschichten mit – und ihre kleine Eselin Zippora. Im Interview erzählt sie, worauf es beim Beten in diesem Alter ankommt, wie Rituale und Symbole Kindern helfen können und auf welche tiefen und manchmal erstaunlich konkreten Fragen sie immer wieder stößt.

Frau Helms-Pöschko, warum sind Sie Religionspädagogin geworden? Was fasziniert Sie an der Arbeit mit kleinen Kindern? 

Ich wollte Kindern ein positives Gottesbild vermitteln. Schon früh war mir wichtig, dass sie nicht nur etwas über den Glauben lernen, sondern ihn als etwas Lebendiges erfahren – voller Sinn, Werte und Vertrauen. Dazu gehört für mich auch, von Anfang an den Blick zu öffnen für andere Religionen.

Denn wenn Kinder früh lernen, dass es unterschiedliche Glaubensrichtungen gibt, können sie auch leichter Akzeptanz und Respekt entwickeln – und gleichzeitig erleben, dass Glaube und gelebte Spiritualität ein wertvoller Teil unserer Kultur sind, für den es sich einzustehen lohnt. Was mich an der Arbeit mit den Jüngsten besonders berührt, ist ihre vorbehaltlose Offenheit. Ihre Spontanität, ihre Neugier und dieses tiefe Vertrauen in die Welt.

Was brauchen Kinder in diesem Alter und was können sie schon begreifen?

Am wichtigsten ist die positive, bedingungslose Liebe der Eltern. Wenn Kinder Geborgenheit, Sicherheit, Liebe und Nestwärme erleben, dann entwickeln sie Vertrauen. In andere Menschen und auch in Gott. Gerade in einer oft rastlosen, unübersichtlichen Welt kann eine liebevolle Gottesbeziehung ihnen Stabilität, Selbstvertrauen und Resilienz schenken. Eine positive Gottesbeziehung kann Kinder im Glauben und im Leben stärken – und sie darin unterstützen, nicht nur andere, sondern auch sich selbst anzunehmen, zu lieben und wertzuschätzen.

Martina Helms-Pöschko, Religionspädagogin und Familienberaterin aus Schornbach, ist selbst Mutter von drei Söhnen und möchte Kindern helfen, ein positives Gottesbild aufzubauen.

Welche Fragen stellen Kinder in diesem Alter über Gott, den Glauben und die Welt?

Kinder in diesem Alter stellen unglaublich direkte und berührende Fragen, wie:
•    Wo wohnt Gott?
•    Hat er eine Frau?
•    Wie kann es sein, dass er überall ist?
•    Kennt er mich? Kennt er auch meine Oma?
•    Mag er Hunde?
•    Warum lässt er Böses zu?
•    Wie kann es sein, dass noch niemand Gott gesehen hat?
•    Kann ich Gott spüren?
Solche Fragen zeigen, wie ernsthaft Kinder über Gott nachdenken, auf ihre eigene, ganz konkrete Weise.

Wie kann man Kindergartenkindern erklären, was Beten ist?

Beten ist Sprechen mit Gott. Aber es braucht eine innere Haltung, damit es nicht nur ein Herunterleiern von Texten wird. Immer wiederkehrende Rituale sind in diesem Alter besonders wichtig. Gebete mit Bewegungen bleiben nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen. Geeignet sind:
•    gesprochene Gebete mit Bewegungen
•    Lieder mit Bewegungen
•    aber auch stille Zeiten

Zur Ruhe zu kommen und sich selbst zu spüren, ist entscheidend, um sich auf das Gebet einlassen zu können. Es soll nicht bloß vorgelesen werden – sondern berühren. Die Kinder achten dabei auf ihren Atem, ihre Haltung, die Worte.

Woran merkt man, dass ein Kind beim Beten "mehr" will?

Das merkt man vor allem an den Fragen, die ein Kind stellt. Gebete entwickeln sich in diesem Alter weiter – genauso wie Rituale. Kinder beginnen, selbst zu sprechen, eigene Worte zu finden und auch bestehende Rituale zu verändern oder weiterzuführen.

Wie kann Beten in Konfliktsituationen helfen?

Wenn ein Kind traurig oder wütend ist, kann man im Gespräch gemeinsam überlegen, was wir Gott davon erzählen möchten – und ihn um Hilfe bitten. Am schönsten ist es, wenn das Kind ein eigenes Gebet formuliert. Es kann auch ein Bild dazu malen oder man gestaltet zusammen ein Gebetsbüchlein. Etwas, das das Kind auch allein nutzen kann, wenn es mag.

Wie finden Kinder in diesem Alter eigene Worte für ein Gebet?

Wenn Kinder das Beten als Ritual erleben und ihnen Freiraum für eigene Gedanken gegeben wird, finden sie auch eigene Worte. Vorlagen oder Übungen halte ich in diesem Alter eher nicht für sinnvoll. Kinder ahmen uns nach. Wenn wir mit einer bestimmten Haltung mit ihnen beten, übernehmen sie diese zunächst. Daraus entwickelt sich nach und nach ihre eigene Gebetshaltung. Wichtig sind Gespräche, Nähe und Offenheit. Das schafft Vertrauen und lässt Raum für eigene Formen.

Wie lassen sich Bibelgeschichten für Kinder im Kindergartenalter lebendig machen?

Mit Bildern, mit Bewegung und mit etwas, das man anfassen kann. Ich arbeite gerne mit Bilderbüchern, weil Kinder sich darin in ihrem eigenen Tempo verlieren und dabei ganz von selbst anfangen zu erzählen. Das Kamishibai, ein japanisches Erzähltheater mit Bildkarten, ist ebenfalls wunderbar, um Geschichten zu veranschaulichen. Und dann gibt es noch die Erzählschiene: kleine Figuren, die sich durch eine Szene bewegen – das macht Geschichten greifbar.

Martina Helms-Pöschko ist selbst Autorin und bringt in ihren Büchern den Glauben in Bewegung: mit Geschichten, Liedern und Andachten zum Mitmachen. Mehr unter www.pontelino.de.

Impulse für den Alltag – Rituale, Lieder, Gebete 

Beten mit Kindergartenkindern muss nicht perfekt sein, sondern darf uns mitten im Alltag begleiten. Hier ein paar Anregungen aus der Praxis von Martina Helms-Pöschko:

Am Morgen:

"Gott segne uns mit der Weite des Himmels.
Gott segne uns mit der Wärme der Sonne.
Gott segne uns mit der Kraft der Tiere.
Gott segne uns mit der Geschichte der Alten."

Nach einem Streit:

"Lieber Gott, bitte hilf mir, dass ich nicht mehr so wütend bin."
"Bitte hilf mir, dass ich meiner Freundin verzeihen kann."

Als Dank: 

"Gott, wir danken dir für diesen Tag 
und freuen uns auf alles, was noch kommen mag.
Sei du jetzt ganz nah in unserer Mitte,
das ist heute unsere Bitte."

Beim Essen:

Das Tischgebet darf jeden Tag anders klingen – je nachdem, was es gibt. Hauptsache: ein ehrliches "Danke".

Vom Zubettgehen:

"Gottes Liebe möge mich begleiten
in guten wie in schweren Zeiten.
Im Herzen wohnt ein heller Schein,
Gott möge immer bei mir sein."

In ruhigen Momenten:

"Ruhig werden, stille werden, 
einfach bei mir sein, 
ganz für mich in meiner Mitte, 
ich für mich allein."

Mit Liedern durch den Tag:

"Gottes Liebe ist so wunderbar"
"Wo ich gehe, bist du da"
"Danke für diesen guten Morgen"
"Sonne, Sonne, komm heraus"

Als fester Ort für Gebete:

Zuhause eine kleine Gebetsecke gestalten – mit Naturmaterialien, einer Kerze oder einer Figur wie Zippora. Die Kinder dürfen dort Muscheln, Steine oder Zeichnungen ablegen, als Gebet zum Anschauen und Anfassen.

Doch es sind nicht nur die Worte, die zählen, sondern das große Ganze, das Worte nie vollends zu fassen vermögen. Was das für Martina Helms-Pöschko bedeutet, erzählt sie im Interview.

Was ist Ihnen beim Beten mit Kindern persönlich besonders wichtig?

Eine warme Atmosphäre und echte Aufmerksamkeit. Ich beginne oft mit einem einfachen Ritual: Wir bilden einen Kreis, sprechen ein Gebet, zünden eine Kerze an und laden Gott damit in unsere Mitte ein. Ein kleines Licht darf von Kind zu Kind wandern – begleitet von einem guten Gedanken. Und manchmal bringt Zippora, meine kleine Eselin, eine Geschichte oder ein neues Gebet mit. Bevor sie erzählt, begrüßt sie jedes Kind mit Namen und fragt: Wie geht es dir heute? Dann fühlen sich die Kinder gesehen und hören mit ganzer Aufmerksamkeit zu.

Wenn Sie Eltern nur einen Satz mitgeben dürften – welcher wäre das?

Kinder sollen merken: Glauben darf da sein. Deshalb: Vertraut euren Kindern, begleitet sie – und lasst euch von ihnen von Gott begeistern.

Wenn Kinder groß werden – und der Glaube mitwächst 

Wenn Kinder zwischen drei und sechs Jahren beten, begegnen sie Gott mit Bewegung, Bildern und Fantasie. Sie wollen verstehen, spüren, ausprobieren. Sie wollen wissen: Wieso? Weshalb? Warum? Und wir? Wir müssen als Erwachsene, als Eltern, als Erziehende nicht auf jede Frage eine Antwort kennen. Wir müssen nur da sein. Mit unserer vollen Aufmerksamkeit. Die Kinder spüren lassen, dass sie gesehen, gehört, wertgeschätzt werden. Und dann? Dürfen wir uns mit ihnen auf Entdeckungsreise in das große weite Warum begeben. 

Gemeinsam mit Kindern das Beten und den Glauben entdecken – darum geht es auch im nächsten Teil unserer Serie. Janina Crocoll nimmt uns mit in die Kirche Kunterbunt und zeigt eine Kirche, in die wohl auch Pippi Langstrumpf gerne gegangen wäre. Doch auch im Alter von 6 bis 12 Jahren ist nicht alles nur Pfefferminz und Pfannekuchen. Die Fragen werden konkreter – und oft auch kritischer: Angst, Wut, Dankbarkeit, Identität. Gebete können helfen, sich selbst und die Welt zu sortieren. Wie das gelingen kann, zeigt Crocoll im dritten Teil.