Es ist Zeit für ein Schuldbekenntnis

Es ist Zeit für ein Schuldbekenntnis
Trotz guter Nachrichten - die Lebenssituation von Lesben und Schwulen bleibt hier bei uns und in vielen Ländern dieser Erde unmenschlich und grausam. An dieser Grausamkeit spielt m. E. Religion, besonders die christliche Religion, eine ganz entscheidende Rolle. Deshalb ist es Zeit für ein Schuldbekenntnis.

Seit dem ich auf Facebook vernetzt bin lese ich schreckliche Nachrichten, die andere Schwule und Lesben hier bei uns und in anderen Ländern erfahren und erleiden müssen. Erst vor kurzen lass ich, dass in Brasilien fast täglich ein schwuler oder lesbischer Mensch ermordet wird. In Ägypten wurden 36 homosexuelle Männer nach einer Badehaus Razzia (Hamam) verhaftet und öffentlich zur Schau gestellt. Erst Wochen später, nach heftigen Protesten einiger westlichen Länder, kamen sie wieder frei und wurden zurück in ihre Familien geschickt., in denen sie nicht mehr willkommen waren. In vielen Ländern dieser Erde ist Homosexualität noch immer illegal. 10 Ländern lassen homosexuelle Menschen legal ermorden; sie werden ausgepeitscht oder zu Tode gesteinigt. Schon ein Kuss zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen kann den Tod bedeuten. Und dann beantragt auch noch ein religiöser Rechtsanwalt in Kalifornien allen Ernstes eine Volksabstimmung über die Todesstrafe von Lesben und Schwulen. Die notwendigen Bearbeitungsgebühren in Höhe von 200 US-Dollar habe er entrichtet, teilte die Behörde mit. Wörtlich heißt es in dem Antrag: "Vor dem Hintergrund, dass es besser ist, wenn die Täter sterben anstatt, dass wir alle durch Gottes gerechten Zorn getötet werden, weil wir Bosheit in unserer Mitte dulden, empfiehlt das Volk von Kalifornien mit Bedacht und Ehrfurcht vor Gott, dass jede Person, die freiwillig eine andere Person des gleichen Geschlechts zu Zwecken der sexuellen Befriedigung berührt, mit dem Tode durch Kugeln in den Kopf oder jede andere geeignete Methode bestraft wird.“ (qeer.de)

Es sind grausame Nachrichten, die mich jeden Tag über Twitter oder Facebook erreichen und manchmal laufen mir beim Lesen die Tränen übers Gesicht vor Wut und Trauer. Ich frage mich:

Was ist es nur, dass Lesben und Schwule so gehasst werden? Warum bringen so viele Menschen so viel Energie auf, um gegen „Schulaufklärung über sexuelle Vielfalt“ auf die Straße zu gehen, wie zuletzt bei einer Demo in Stuttgart, obwohl 

noch immer „schwule Sau“ das meist gebrauchte Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen ist. Was treibt diese Menschen an? Ist dieser Hass immer nur religiös begründet? Ist also Religion die Ursache für die Ablehnung von Lesben und Schwulen? Weil der Mann nicht bei einem Mann liegen soll, weil es dem Herrn ein Gräuel ist? 

Gott, sei Dank gibt es aber auch die anderen Nachrichten, die guten Nachrichten. Nachrichten von Menschen, die davon überzeugt sind, dass Schwule und Lesben in Gottes Schöpfung mit hineingehören, dass Gottes Schöpfung bunt und vielfältig ist. Immer mehr Menschen verstehen diese Botschaft. Sogar in der katholischen Kirche gab es in diesen Tagen eine Nachricht, die mich ein wenig aufmunterte.  Da stand: „Das Bistum Essen fordert in einem Positionspapier Abkehr von der kirchlichen Diskriminierung Schwuler und spricht sich für eine eheähnliche Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aus.“ (enough is enough, open your mouth). Und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hatte 2011 alle Pfarrerinnen und Pfarrer, die in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft leben, im Namen der Kirchenleitung zu einem Treffen mit anschließendem Abendessen eingeladen. Sie wollten hören, welche Erfahrungen wir in unserer Kirche gemacht haben. Dabei haben sie uns wertgeschätzt und uns gezeigt, wie herzlich willkommen wir sind. 

Trotz der guten Nachrichten - die Lebenssituation von Lesben und Schwulen bleibt hier bei uns und in vielen Ländern dieser Erde unmenschlich und grausam. An dieser Grausamkeit spielt m. E. Religion, besonders die christliche Religion, eine ganz entscheidende Rolle. Deshalb wünsche ich mir, bei aller Anerkennung unserer Lebenssituation, ein deutliches Bekenntnis zur Mitschuld. Ja, ich denke es ist höchste Zeit, dass wir als Evangelische Kirche ein öffentliches Schuldbekenntnis ablegen. Denn wir haben uns schuldig gemacht gegenüber den vielen Frauen und Männern, die auf dem Weg zur Anerkennung und Akzeptanz auf der Strecke geblieben sind. Und wir machen uns weiterhin schuldig, wenn wir trotz der grausamen Nachrichten schweigen und so tun, als gehe uns das alles nichts an. 

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