Kleidung mag synthetisch sein, Kinder sind es nicht!

Kleidung mag synthetisch sein, Kinder sind es nicht!
Die Modemacher Dolce & Gabbana verärgern nicht nur Popsänger Elton John mit Äußerungen zur „traditionellen“ Familie und Kindern, die von Leihmüttern ausgetragen werden. Medialer Sturm ist vorprogrammiert, aber ist er auch hilfreich?

Am Wochenende habe ich gelernt, dass ich mit den Modemachern Domenico Dolce und Stefano Gabbana neben dem Schwulsein noch etwas gemeinsam habe: Wie sie bin ich in einer Familie mit Mutter, Vater und einigen Geschwistern aufgewachsen. Ich käme zwar nicht auf die Idee, das affirmativ die „traditionelle“ Familie zu nennen, aber ich denke, ich weiß so ungefähr, was damit gemeint ist. Auch Dolces Aussage, dass er dort den Wert von Liebe und Familie kennengelernt habe, kann ich erst mal nachvollziehen.

Weniger nachvollziehbar ist mir, warum die beiden Modemacher, die bis vor einigen Jahren ein Paar waren und immer noch Geschäftspartner sind, ihre hohe Meinung von den Familien, in denen sie aufgewachsen sind, in einem Interview mit dem italienischen Magazin „Panorama“ um die Äußerungen ergänzen mussten, die traditionelle sei die einzige Familie und darum seien sie nicht überzeugt von „synthetischen Kindern“ und „Gebärmüttern zum Mieten“. Dolce hatte sich bereits einige Jahre zuvor dagegen ausgesprochen, dass Kinder bei homosexuellen Paaren aufwachsen.

Eine schnelle und heftige Reaktion erfolgte durch Popsänger Elton John, der zusammen mit seinem Ehemann David Furnish, zwei von Leihmüttern ausgetragene Kinder großzieht. „Wie könnt ihr es wagen, meine beiden schönen Kinder ‚synthetisch‘ zu nennen?“ Ihre Aburteilung von Leihmüttern sei eine Schande, Leihmütter hätten vielen - heterosexuellen wie homosexuellen - Paaren den Traum, Kinder zu haben, ermöglicht. Elton John schrieb dies in einer Kurznachricht und fügte gleich die Aufforderung zum Boykott von Dolce & Gabbana hinzu.

Überflüssig zu erklären, dass dies einen Sturm in den sogenannten sozialen Netzwerken auslöste. Ich fühlte mich im ersten Moment ein wenig an die Dresdner Rede der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff im letzten Jahr erinnert, in der sie von „Halbwesen“ aus künstlicher Befruchtung gesprochen hatte.

Mittlerweile verbreiteten die beiden Modemacher ein Statement, es sei nicht ihre Absicht gewesen, die Entscheidungen anderer Leute zu beurteilen. Sie glaubten vielmehr an die Freiheit und die Liebe. Domenico Dolce fügte hinzu, dass seine Äußerungen über seine traditionelle Familie nicht bedeuteten, dass er nicht auch andere Familien verstehen könne.

Interessant an dieser Auseinandersetzung ist sicherlich, dass sie zwischen Homosexuellen ausgetragen wird. Die mediengerechte Polarisierung wird gleichwohl dazu führen, dass wieder nur „Meinungen“ ausgetauscht werden, ob homosexuelle Paare heterosexuellen Paaren gleich sind. Den so komplexen wie sensiblen Themen von Leihmutterschaft, Kinderwunsch, Familienbegriff, Reproduktionsmedizin und ökonomisierter Gesellschaft (inklusive Fragen der Ausbeutung) wird dadurch kein substanzieller Beitrag hinzugefügt. In diesem medialen Aufeinanderprallen geht das Gespür für ethische Grenzbereiche unter und Aspekte des (christlichen) Glaubens werden übertönt. Letztere wären für mich die Hybris des Menschen gegen Gottes Fügung und die Würde von Kindern (wie Eltern) als Gottes Geschöpfe.

Für mich sind und bleiben das immerwährende Fragen - selbst dann, wenn manches längst durch die Realität entschieden ist. Antworten in Form von Boykott-Aufrufen tragen dazu wenig bei. Bedenklich aber finde ich es, wenn Dolce und Gabbana quasi nebenbei „natürliche“ von „synthetischen“ Kindern unterscheiden, wo es ihnen doch nur um ihre eitlen Bilder einer „traditionellen“ Familie geht - und natürlich um den Verkauf ihrer neuesten Mode-Kollektion.

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