Der journalistische Streisand

Der journalistische Streisand
Mehr Licht. Waren das wirklich Goethes letzte Worte? Egal, jetzt ist es das neue Motto der Washington Post. Deniz Yücel lässt sich von seiner Mission offenbar auch im Gefängnis nicht abhalten. Mit dem Versuch, ihn verstummen zu lassen, erreicht die türkische Regierung im Ausland das Gegenteil. Eine neue Studie zeigt, dass Tatsachen vielen gar nicht so wichtig sind. Der Bild-Zeitung kann das nur recht sein. Sie arbeitet weiter fleißig an ihrer Transformation zum Slapstick-Portal.

Die Washington Post hat einen neuen, wie sagt man so schön: Claim

„Democracy dies in Darkness“

Das klingt ein bisschen wie der Titel eines Heavy-Metal-Albums, und es gibt natürlich auch schon entsprechende Witze. Aber tatsächlich ist es wohl ein Satz, den der Verleger Jeff Bezos irgendwann mal in einer Konferenz gesagt hat. So schreibt es jedenfalls Alexander Becker bei Meedia

Das Wort „Claim“ kann man übersetzen mit „Behauptung“, und das wäre wahrscheinlich die Formulierung, die Donald Trump wählen würde, aber es bedeutet auch „Anspruch“, und der ergibt sich aus diesem Satz, wobei er sich je nach Eigentümer natürlich bei unverändertem Claim ändern könnte. Würde Trump das Blatt kaufen, wäre zum Beispiel die klimafreundliche Energiespar-Variante denkbar: Immer schön das Licht aus

Der Lampenhändler Jeff Bezos dagegen mag es hell. Er will mit seiner Zeitung Licht in all die Ecken bringen, in denen an der Demonatage der Demokratie gearbeitet wird. Der neue Claim steht neuerdings auf der Website der Zeitung unter dem Schriftzug und soll wie Meedia in Erfahrung gebracht hat, „in der nächsten Zeit immer häufiger eingesetzt werden". Auf den ersten Blick kann es da kaum Missverständnisse geben. Aber was die Menschen unter hell und dunkel verstehen, scheint dann wieder doch nicht so ganz klar zu sein. 

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Fakten bringen Licht in die Sache. Interessen dimmen die Demokratie-Sparlampe etwas herunter. So würde man denken. Scheinen aber doch nicht alle so zu sehen. 

Interessen schlagen Fakten“, steht über einem sehr interessanten Text, den Renate Köcher, Geschäftsführerin des Demoskopie-Instituts Allensbach, für die FAZ verfasst hat. 

„Fakten als Richtschnur der Meinungsbildung sind auch in Deutschland keineswegs unumstritten. Viele zweifeln an ihrer Stichhaltigkeit. Nur 47 Prozent sind überzeugt, dass es ‚bei vielen Themen und in vielen Situationen klare Fakten gibt, die beweisbar sind und einfach stimmen“. 43 Prozent halten dagegen und vertreten die Position ‚Was stimmt und was nicht, ist in vielen Fällen Ansichtssache. Es gibt oft kein ,wahr‘ oder ,falsch‘.’ Die Bildungsschichten unterscheiden sich bei dieser Frage nur marginal.“

Und je komplexer die Sachlage ist, desto größer wird auch das Misstrauen. 

„55 Prozent ziehen die resignative Schlussfolgerung, dass angesichts der Komplexität und auch angesichts kursierender Falschmeldungen keiner mehr sicher sein könne, was wahr und was falsch ist. Der Kreis, der hier gegenhält und auf überprüfbare Fakten vertraut, macht gerade einmal 32 Prozent aus.“

Das klingt nach Verzweiflung. Und wenn man den Rest des Textes gelesen hat, muss man sagen: Es klingt immerhin noch nach gesitteter Verzweiflung, denn was danach zu lesen ist, hört sich eher an nach Hells-Angels-Vereinsheim

„Rüde Attacken auf Journalisten, die in Deutschland nicht die öffentliche Diskussion, aber häufiger Debatten im Netz prägen, treffen auf eine bemerkenswerte Toleranz. Eine Äußerung aus dem Netz wie ‚Diese Lügenpresse lügt halt in alle Richtungen’, halten zwar nur 21 Prozent für in Ordnung, jedoch weitere 40 Prozent für grenzwertig, aber akzeptabel. ‚Dumm wie Dachpappe, diese Journalisten‘ hält knapp die Hälfte der Bevölkerung für eine akzeptable Äußerung, ‚was für ein Drecksblatt‘ die Mehrheit.“

In anderen Worten: Große Teile der Bevölkerung halten Journalisten für zu blöd, um das Licht einzuschalten. Wobei vielen eben auch egal ist, ob das Licht an oder aus ist, solange sie die Augen geschlossen haben und träumen. 

„Für die Anhänger von Trump sind Fakten zur Wanderungsbilanz zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten irrelevant bis störend, wenn es um ihren Wunsch nach Abschottung geht. (…) Was zählt, sind zunächst die Ziele, die Versprechen.“

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Wohin dieses Denken führt, müssen wir nun an zwei Schauplätzen live mitverfolgen. Wobei die Türkei in dieser Hinsicht wohl schon etwas weiter ist, als die USA es sind. Und einer der in demokratischer Hinsicht dunkelsten Flecke weit und breit sind vermutlich die türkischen Gefängnisse, wo laut dpa (hier bei stern.de) zurzeit zwischen 80 und 140 Journalisten aufbewahrt werden, um sie davon abzuhalten, der Demokratie draußen zur Hilfe zu eilen.

Wie dunkel es drinnen ist, kann man nur erahnen, aber vermutlich etwas heller, seit Deniz Yücel (Altpapier gestern) dort einsitzt. Die Welt hat mit einem ehemaligen Mithäftling darüber gesprochen, wie man sich die Zustände in einem türkischen Gefängnis vorstellen muss. Mich selbst erinnerte die Beschreibung ein wenig an einen Kerker in einer öffentlich-rechtlichen Mittelalter-Verfilmung

Aber hoffnungsvoll klingt dann doch der letzte Absatz. 

„Meistens (…) erzähle man sich gegenseitig aus Büchern, die man gelesen habe. Aber die Zeit im Arrest zerre an den Nerven. „Viele werden dann aggressiv. Da tut Deniz immer viel, um sie zu beruhigen. Er sagt, dass man sich für die Demokratie friedlich engagieren müsse. Und dass wir alle gemeinsam das tun können und müssen, ohne Unterschiede.’“

Für die türkischen Behörden muss es wie verhext sein. Da steckt man die Demokraten schon ins Gefängnis, und dann verbreiten sie dort ihre frohe Botschaft. Auf welches Loch auch immer man auch seinen Finger drückt, der Sand rieselt aus einem anderen. Und das nicht nur in den Gefängnissen. Es ist eine Art journalistischer Streisand-Effekt

Die Welt berichtet über die europaweite Solidarität für Deniz Yücel.

„‚Die Medien sind ‚El País’ aus Spanien, ‚Le Figaro’ aus Frankreich, ‚La Repubblica‘ aus Italien, ‚Le Soir‘ aus Belgien sowie ‚Tribune de Génève‘ und ‚Tages-Anzeiger‘, beide aus der Schweiz. Diese Zeitungen arbeiten in einem europaweit einmaligen Projekt eng über Grenzen hinweg in der Leading European Newspaper Alliance (LENA).

Die FAZ hat ihre komplette Medienseite freigeschaufelt, um einen Auszug aus Yücels erhellendem und entlarvendem Essay über Erdogans Aufstieg unterbringen zu können (hier bei Blendle für lohnenswerte 45 Cent), der in einer 179 Seiten langen Fassung als Kursbuch-Beitrag erschienen ist und in dem er schreibt: 

„‚Die Demokratie ist ein Mittel, kein Ziel‘, hatte dieser (Erdogan, Anm. Altpapier) noch in den 1990er Jahren gesagt, ‚eine Straßenbahn, von der wir abspringen, wenn wir am Ziel sind.‘ Nicht alle Intellektuellen nahmen ihm ab, dass er diese Ansicht abgelegt habe. Aber viele von ihnen vertrauten darauf, dass die Macht ihn mäßigen würde. Und sie argumentierten, dass eine Demokratisierung nur möglich sei, wenn sich das islamisch-konservative Milieu ebenfalls demokratisiere. Das war erklärtermaßen Erdogans Programm.“

Das mit der mäßigenden Macht klingt ja alles sehr vertraut. Wäre interessant, mal in Erfahrung zu bringen, ob die Vermutung schon immer eine naive Beschwichtigung war oder man tatsächlich reale Vorbilder von Machthabern mit ehemals sehr rigorosen Plänen findet, die dann, als sie endlich die Möglichkeit dazu gehabt hätten, ihre Pläne umzusetzen, gesagt haben: „Na ja, gut. Dann jetzt doch nicht.“

Im Fall Erdogans fasst Deniz Yücel die weitere Entwicklung so zusammen:

„Als Straßenbahn würde Erdogan die Demokratie heute nicht mehr bezeichnen. Er hat erkannt, dass es keine bessere Legitimation als Wahlen gibt. Allerdings ist Demokratie für ihn kein Katalog unveräußerlicher Prinzipien, zu denen der Schutz von Minderheiten und das Gebot zum Kompromiss gehören.“

Ein Hinweis darauf wäre auch der zweite Text auf der FAZ-Medienseite (ebenfalls für 45 Cent bei Blendle) zu diesem Thema, der wie sehr viel des zu diesem Thema Geschriebenen nicht ganz so optimistisch klingt:

„In der Türkei gibt es einen bekannten Slogan: ‚Schweige nicht, denn wenn du schweigst, bist du als Nächster dran.‘ Leider hat dieser Aufruf zur Solidarität bei uns nie wirklich funktioniert. Die meisten Menschen schwiegen lieber, und jene, die es nicht taten, waren irgendwann ‚als Nächste dran‘.“

Der Autorin Bülent Mumay ist genau das passiert. Sie hat selbst in der Türkei im Gefängnis gesessen. Und wer immer noch den Eindruck hat, dass es im Fall Deniz Yücel lediglich um ein paar Tage hinter verschlossenen Türen geht, die er schon irgendwie hinter sich bringen wird, der hat in diesem Text die Gelegenheit, den Eindruck loszuwerden. 

„(…) in einem Online-Portal wurde Deniz ‚Religionsfeind‘ genannt. In Erdogans Türkei kommt das einem Aufruf zur Lynchjustiz gleich. Deniz Yücel hätte die Türkei daraufhin verlassen können. Doch er blieb und fragte weiter. Andere hingegen verfielen immer mehr in Schweigen, was alles nur noch schlimmer gemacht hat.“

Und wer nun noch denkt: Gut, aber das passiert in der Türkei, und Istanbul ist von Berlin immerhin 2000 Kilometer entfernt, den muss ich leider noch einmal enttäuschen. 

Correctiv-Chef David Schraven hat Angela Köckritz von der Zeit erzählt (Blendle, 29 Cent), dass seine Redaktion von türkischen Nationalisten bedroht wird. Die Bedrohung betrifft das von Can Dündar geleitete türkische Satelliten-Medium Özgürüz („Wir sind frei“). Und wenn man nun hört, dass fünf Redakteure in Deutschland bereits gekündigt haben (hier als Meldung bei Turi2), dann wird vielleicht noch ein bisschen deutlicher, was Deniz Yücel in Istanbul gerade auf sich nimmt. 

Noch gibt es zwar kein Happyend, aber vielleicht doch etwas Hoffnungsvolles, diesen Satz aus einem Interview im Tagesspiegel, das Joachim Huber mit Christian Mihr geführt hat, dem Geschäftsführer der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen". 

„Würden die Menschen in der Türkei eins zu eins glauben, was ihnen die zunehmend gleichgeschalteten Medien täglich auftischen, dann dürfte es kaum noch Nein-Sager geben. Tatsächlich sind die laut einer Umfrage von Januar aber leicht in der Mehrheit. Offensichtlich machen sich die Menschen also trotz aller Zensur immer noch einen eigenen Reim auf die Vorgänge im Land.“

Vielleicht ist also doch nicht alles ganz sinnlos. 

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Woanders hat man da wieder so seine Zweifel. Bei Julian Reichelts irrlichtendem Fantasy-News-Outlet Bild-Zeitung zum Beispiel. Immer, wenn der irgendetwas auf den ersten Blick durchaus Begrüßenswertes ankündigt, stellt man sich am besten unmittelbar auf den meist gleich darauf folgenden „Hurra! Ach nee, doch nicht“-Effekt ein.

Im Januar entschuldigte Reichelt sich vollkommen unerwartet für die Falschmeldung, dass Sigmar Gabriel fürs Kanzleramt kandidieren wird. Bei genauem Hinsehen stellte man aber fest: Er schob doch alles nur auf Gabriels Wankelmut. Nun kündigen er und seine Enthüllungsgehilfin Tanit Koch einen Ombudsmann für verärgerte oder verwunderte Bild-Leser an. Und, Sie ahnen es schon. Es ist wieder nur so halb gut. 

Die erste Enttäuschung ist: Es ist nur einer - und nicht die eigentlich erforderliche Ombudsmannschaft. 

Die zweite Enttäuschung: Es ist Ernst Elitz

Über den schreibt Moritz Tschermak bei Bildblog:  

„Dieser Mann, der sich gern mal an falsche oder einseitige Berichte dranhängt und wiederholt null Verständnis für Kritik an „Bild“-Methoden zeigte, ist neuerdings Ombudsmann bei der ‚Bild‘-Zeitung.“

Das belegt Tschermak mit mehreren Beispielen, die den Eindruck vermitteln, dass Elitz der Bild-Zeitung in der Vergangenheit ähnlich kritisch gegenüberstand wie Donald Trumps Ombudsmann Sprecher Sean Spicer der US-Regierung. Und man kann nur hoffen, dass die neue Macht - er darf in der Chef-Redaktion recherchieren - ihn noch mehr mäßigen wird.

Stefan Niggemeier ist dann noch aufgefallen, dass man sich auf die Informationen in der Bild-Zeitung sogar dann nicht verlassen kann, wenn sie schon ankündigen, dass sie in Zukunft etwas mehr Wert auf Tatsachen legen. Niggemeier hat die neu geschaffene Möglichkeit gleich genutzt und Ernst Elitz einen Brief geschrieben, der auf Übermedien zu lesen ist und in dem er feststellt: 

„In der „Bild“-Zeitung steht heute, der Ombudsmann der ‚Bild‘-Zeitung sei ‚Gründungsintendant‘ des Deutschlandradios. Aber, komisch, wenn man das nachschlägt, zum Beispiel auf den Seiten des Deutschlandradios, findet man einen anderen Namen: Dieter Stolte.“

Na ja, vielleicht muss man den Dingen etwas Zeit geben und bei der Bild-Zeitung, in den USA und in der Türkei auf ein kleines Wunder hoffen. Drei kleine Wunder. Bei den unglaublichen Dingen, die in den letzten Monaten so passiert sind, wird das ja hoffentlich wohl auch noch drin sein. 

Und bevor ich Sie in den Altpapierkorb verabschiede, noch eine Offenlegung: 

Ich schreibe bisweilen für Übermedien und habe eine Kolumne bei Bildblog.


Der Altpapierkorb 

+++ Schlechte Neuigkeiten für Justizminister Heiko Maas. Dass die Zeit nun etwas Licht ins Dunkel der Ermittlungen gegen Netzpolitik.org wegen Landesverrats gebracht hat, könnte für ihn düstere Folgen haben. Der damalige Generalbundesanwalt Range hatte Maas im Frühjahr 2015 vorgeworfen, er habe in der Sache Druck ausgeübt, um zu einem politisch opportunen Ergebnis zu kommen. „Der ZEIT liegen nun interne Akten der Bundesanwaltschaft vor, die Zweifel an dieser Darstellung wecken. Demnach wurde von mehreren Staatsanwälten protokolliert und dokumentiert, wie Maas den Generalbundesanwalt über seine Staatssekretärin Stefanie Hubig mehrfach und unter Androhung der sofortigen Entlassung massiv bedrängt haben soll, die Ermittlungen gegen die beiden Blogger einzustellen.“ Hier die Zusammenfassung auf zeit.de, hier der komplette Text von Sabine Rückert bei Blendle (89 Cent). 

+++ Das Paradoxe an der mittlerweile unglaublichen Menge an Serien ist: Wenn man einfach nur die Ankündigungen der Neuerscheinungen durchliest, bleibt für die Serien selbst schon kaum noch Zeit. Karoline Meta-Beisel kündigt heute auf der SZ-Medienseite die Amazon-Produktion „Patriot“ an. „In Berlin wurde die Serie etwas großspurig als ‚Weltpremiere‘ gefeiert, obwohl zumindest die erste Folge schon seit einem guten Jahr zu sehen ist.“ Es geht um einen Geheimagenten, eine „Art Anti-Bond“ (TV Digital), der seine geheimen Aufträge in Songs verarbeitet. Und das ist „einerseits sehr witzig“, schreibt Karoline Meta Beisel. „Andererseits ist die Serie, ein Genremix aus Thriller, Komödie und Musical, sehr düster.“ Der Trailer ist hier zu sehen

+++ Jens Schneider beschreibt auf der SZ-Medienseite die Metamorphose der Berliner Boulevard-Zeitung B.Z., deren Chefredakteurin Miriam Krekel gerade mit ihrem zweiten Kind schwanger ist, und schon das ist wohl ein Indiz für den neuen Geist der Zeitung. „Krekel erzählt, dass sie noch vor gut sechs Jahren vereinzelt Sätze gesagt bekam wie: Kinder gehören aber doch zur Mutter. Damals leitete sie eine Redaktion und war mit ihrem ersten Sohn schwanger. So etwas habe sie jetzt gar nicht mehr erlebt, sagt sie.“ Jenseits von Berlin ist die B.Z. vor allem für ihre taz-artigen Titelseiten bekannt, von denen einige den Artikel bebildern. „‚Was wir machen, ist eine neue Form von Boulevard‘, sagt Krekel. ‚Sie ist moderner, oft verspielter.‘ Bei der Suche nach einem Titel wolle sie nicht einfach den Satz raushauen, den jeder erwarten würde. ‚Wir suchen den anderen Dreh, wollen eine zweite Ebene ansprechen.‘ Das Blatt fällt durch einen spielerischen Stil auf, die Lust zu überraschen und aus dem Korsett des eindimensionalen Boulevards auszubrechen.’“ Blöd nur: „Ob der Weg Erfolg hat, lässt sich schwer an Zahlen messen. Auch zuletzt sank die Auflage, (…)“

+++ Wenn es um bizarre Casting-Show-Ideen geht, macht Kirgisien so schnell keiner was vor. In der Sendung „Kelim“ (Deutsch: Braut) sucht der staatliche Sender KTRK nach der perfekten Hausfrau. In einer Welt ohne Euphemismen müsste man das Vermutung vermutlich „Ehesklavin gesucht“ nennen. Kostprobe aus dem Text in der taz: „Wie sich die Kandidatin denn verhalten würde, sollte die Schwiegermutter etwas anderes essen wollen als der Ehemann? Dann werde der Wunsch der Schwiegermutter erfüllt, kommt prompt die Antwort.“ Noch gibt es zwar keine kirgisische Variante des Altpapiers, in der man das jetzt kritisieren könnte, aber dafür unter anderem „Bektur Iskender, (…) Gründer des alternativen Nachrichtenportals Kloop.kg: ‚Diese Show ist nichts anderes als eine Ansammlung von diskriminierenden Klischees‘, schreibt er.

+++ Die Musik-Video-Plattform Ampya, ehemals „die Zukunft des Musikfernsehens“ (ProSiebenSat1-Selbstbeschreibung) ist nun doch überraschend schnell zur Vergangenheit geworden, wie dwdl.de berichtet. Die Plattform selbst jedenfalls. Die Marke lebt (als Zukunft der Musik-Video-Plattformen?) bei Youtube weiter, da konnten ja inzwischen einige rechtliche Probleme gelöst werden. „Vor diesem Hintergrund erübrige sich der weitere Betrieb der Musikvideo-Plattform Ampya, heißt es aus dem Medienkonzern. Ein Grund zur Einstellung des Portals ist aber auch die Einigung zwischen Youtube und der Gema - das gibt man bei ProSiebenSat.1 offen zu. Durch diesen sind inzwischen ja fast alle Musikvideos in Deutschland zu sehen, die in der Vergangenheit oft gesperrt waren.“

+++ Donald Trump kam heute bislang nur am Rande vor, und das kann natürlich unmöglich so bleiben. Isaac Simpson erklärt sehr gründlich bei Medium.com, warum ein erfolgreiches Amtsenthebungsverfahren unabsehbare Folgen haben könnte. Einer der Gründe: Jenseits der großen Medien existiert sich eine komplett abgekoppelte Nachrichten-Realität. „The heavily pro-Trump subreddit r/The_Donald has become one of the most powerful forces on the Internet, with almost 400,000 highly-active subscribers and tens of millions of readers each day. The heavily pro-Trump Drudge Report is the third most-visited media site on the Internet (behind only ESPN and MSN [the automatic homepage for many PCs]), and is one of a small handful of sites to have broken the 1 billion hits per month mark. The ultra-pro Trump Alex Jones is perhaps the most listened-to radio personality in America, consistently beating even other conservative giants like Rush Limbaugh.“

+++ Und wo wir gerade dabei sind. Die Washington Post hat Donald Trumps Lügen gezählt. Darüber berichten der Spiegel und viele andere. Mitte der Woche waren es 133. Und weil bislang kein Tag vergangen ist, an die Zahl nicht wuchs, dürfte sie inzwischen nicht mehr ganz aktuell sein. Die schlechte Nachricht: „Dass die Arbeit der Faktenchecker Einfluss auf Trumps Verhältnis zur Wahrheit haben wird, ist unwahrscheinlich. Bei vielen der unwahren Behauptungen handele es sich nämlich um Aussagen, die Trump wiederholt von sich gab - obwohl sie bereits einem Faktencheck unterzogen und als Lügen entlarvt worden waren.

Neues Altpapier gibt es am Freitag.

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