Promi-Special

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Stil, Mut und Fantasie. Dass Journalismus attraktiv sein kann, ohne an handwerklicher Solidität und geistiger Tiefe einzubüßen, beweisen Friedman, Gutjahr und Poschardt immer wieder. Und müssen bisweilen dafür büßen. Welche Gefahren dabei noch lauern, hat Helmut Dietl („Schtonk“, „Kir Royal“) eindringlich dokumentiert, den München derzeit feiert.

Genug der theoretisierenden Thesenhuberei und Distanziertheit nachlässig gekleideter Journalisten. Es gibt Kollegen, die entschlossen dahin gehen, wo es auch mal weh tut. Und dabei stets bella figura machen. Die nicht nur bei der Arbeit Marken setzen, sondern längst selbst zur Marke geworden sind.

Insofern sollte es sich selbst bis nach Ankara herumgesprochen haben, wen man sich bei aller äußeren Eleganz ins Haus holt, wenn man den streitfreudigen Michel Friedman zu einem Interview empfängt. Eben keinen Sigmund Gottlieb, und keine Antonia Rados. Selbst wenn Friedmans Ruhm nicht bis in die Türkei reichen sollte, der Name seiner Sendung wäre Programm genug gewesen: „Conflict Zone“.

Die Themen für Friedmans Interview mit dem türkischen Minister für Jugend und Sport waren vorab übermittelt worden, die Fragen nicht. Und offenbar lief das Gespräch so, wie man es im Clinch mit Friedman zu erwarten hat. Unmittelbar nach dem Termin, das Team war noch im Ministerium, untersagte der Pressesprecher des Ministers, die Aufzeichnung zu verwenden, so die Deutsche Welle:

„Nachdem Friedman und seine Redaktionskollegin dagegen protestierten, wurde das Videomaterial von Mitarbeitern des türkischen Ministeriums für Jugend und Sport konfisziert. Dabei wurde dem Team der DW klar bedeutet, dass sie das Ministerium nicht mit dem Videomaterial verlassen dürften.“

Der Sender räumt auch den Vorwürfen der türkischen Seite Platz ein: „Es gab keine Autorisierung des Interviews. Die Fragen, die gestellt wurden, waren nicht die, die im Vorfeld vorgelegt worden waren. Herr Friedman weiß genau, warum all das geschah. Einige Statements waren eher Anklagen. In solch einer Situation kann keine Autorisierung gewährt werden.“

„Michel Friedman sagte dazu, dass seine Fragen 'natürlich nicht vorher abgesprochen' würden. Außerdem würden Interviews grundsätzlich nicht zur Autorisierung vorgelegt. Journalisten seien nicht dazu da, die Fragen zu stellen, die Poltikern gefallen. In den 20 Jahren seiner journalistischen Berufslaufbahn habe er solch ein Vorgehen - 'auch in Ländern, in denen Diktatoren eine Rolle spielen' - noch nicht erlebt.“

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung, deren Medienseite den Vorfall eher klein in einer halben Spalte abhandelt, wies „ein Sprecher des Ministeriums zurück, dass das Material konfisziert worden sei. Diese Bezeichnung treffe den Sachverhalt nicht. Man habe dem TV-Team nach dem Gespräch erklärt, dass das Interview nicht 'autorisiert' worden sei. Gründe nannte er nicht. Wie die SZ aus regierungsnahen Kreisen in Ankara erfuhr, seien die Fragen Friedmans den Türken weit über den erwarteten Rahmen hinausgegangen.“

„Wenn das Videomaterial nicht unrechtmäßig konfisziert worden wäre, hätte die DW das Material noch und könnte die Sendung wie geplant ausstrahlen“, widerspricht DW-Sprecher Christoph Jumpelt.

[+++] Beim arabischen Frühling kam Richard Gutjahr sein israelischer Zweitwohnsitz noch zupass. Binnen kürzester Zeit konnte er auf eigene Faust und Rechnung nach Kairo eilen und beweisen, dass neben dem alerten BR-Rundschau-Moderator auch ein blendender Reporter in ihm steckt. Nachdem er nun dieses Jahr zufällig bei den Anschlägen in Nizza und München vor Ort war, nähren seine Familienverhältnisse wildeste Verschwörungstheorien, wie er in einem letzte Woche vom Medium Magazin veröffentlichten Exklusivinterview gegenüber Inge Seibel eindringlich schildert. Die Süddeutsche Zeitung greift Gutjahrs Vorwürfe an den Bayerischen Rundfunk und YouTube heute auf und schrammt dabei, wenn überhaupt, nur knapp am victim shaming vorbei: Interessant ist sein Fall auch deshalb, weil er als Experte für digitale Kommunikation gilt. Auf Medientagungen steht er auf Bühnen. Er ist einer, der gerne spricht, auch über sich selbst, und für seine Eloquenz bezahlt wird.“  Nicht untypisch für einen Reporter hat Gutjahr, nachdem er sein Material an den BR weitergeleitet hat, sowohl in Nizza wie auch in München live berichtet. Die SZ verdreht das recht hinterhältig: „Gutjahr gibt währenddessen Interviews.“

[+++] So sehr sich die Welt an Männern wie Friedman und Gutjahr reibt, so sehr übersieht sie das Treiben Ulf Poschardts. Von den Beaus dieser Kolumne wirkt er am eitelsten und eckt doch so wenig an. Seine Ära als Chefredakteur des SZ-Magazins und somit verantwortlich für den Borderline-Journalismus eines Tom Kummer? Vergessen. Seine Zeit als Chefredakteur der Totgeburt einer deutschen Vanity Fair? Verblasst. Poschardt ist der Mister Teflon unter den Journalisten, aber eben auch einer der besten Blattmacher. Gestern übernahm er nun die Leitung der WeltN24 – und es könnte der erste Chefredakteur sein, dem zur Amtsübernahme ein Fußballverein öffentlich gratuliert. Ein Clubberer, aber auch einer der wenigen Journalisten, dessen weitreichendsten Buchveröffentlichungen bereits am Anfang seiner Karriere stehen: „DJ Culture“, „Anpassen“ und „Cool“ sind Standardwerke zur Popkultur. In der Welt schreibt er immer noch gerne über Clubkultur, wenn auch mal in einem eher verwegenen politischen Kommentar: „Gute Türsteher sind Genies in sozialer Intelligenz. Je besser der Club, desto härter die Tür. Natürlich hat dies auch etwas Unangenehmes für denjenigen, der an der Tür abgewiesen wird. Doch eine verführerische, aufregende Stimmung herzustellen – das kann nicht nach Gesetzen des politisch Korrekten entstehen.“

[+++] Poschardt, Gutjahr, Friedman – allesamt keine Journalisten, bei denen man an Ellenbogenschoner und einsame Stunden vor der Schreibmaschine denkt, sondern Repräsentanten einer flirrenden, glitzernden, sich nie schonenden Medienwelt, wie sie der Regisseur und Drehbuchautor Helmut Dietl so treffsicher skizzierte. Morgen erscheinen die unvollendeten Memoiren des letztes Jahr verstorbenen Filmemachers, die Redaktionen exzerpieren fleißig und Claudius Seidl von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung kuratiert eine Dietl-Ausstellung im Münchner Literaturhaus. Und seien wir doch ehrlich: ohne Dietls bahnbrechenden Baby Schimmerlos hätten Journalisten wie Philipp Jessen, Marie Waldburg oder Patricia Riekel wohl noch nicht einmal darüber nachgedacht, Fiktives fürs Fernsehen zu schreiben.


Altpapierkorb

+++ Bella figura, aber eben meist auch nicht mehr als das, machen die neuerdings als Influencer gehypeten YouTuber, Snapchatter und Instagrammer. „Vielen ist einfach gar nicht bewusst, dass sie mit ihren Accounts und Bildern Geld verdienen können“, fabuliert heute im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung Mirjam Hornetz, die, na was schon, natürlich Geld damit verdient, dass Unternehmen Schleichwerbung in den Sozialen Medien buchen. Exklusivität, Algorithmen, eine Datenbank von mehr als 5000 „Größen aus den sozialen Medien“ – wenn dieses Porträt der „digitalen Drahtzieher“ bei uns in Deutschland keinen Schwall an Neuaufträgen triggert, was sonst? Wobei Geld nicht alles ist, schließlich geht es den Agenturen für Marketing in den sozialen Medien auch um einen handwerklich sauberen Auftritt: „Heute eine Omega-Uhr und morgen eine Rolex bewerben, das ist natürlich eine Katastrophe“, so Stefan Doktorowski.

+++ Seitdem Dominik Wichmann an Bord ist, scheint Burdas Variante der TED-Talks, der DLD, wieder an Fahrt aufzunehmen. Vorgestern hatte die Brüsseler Version, der DLDeurope, Premiere. Und am selben Tag gab Wichmann bereits auf Facebook bekannt, dass man diesen neuesten Ableger der zwischen New York, München und Tel Aviv changierenden Veranstaltungsreihe künftig jährlich wiederholen will. Wichmann, vormals Chefredakteur beim SZ Magazin und Stern, trägt auch bei Burda diesen Titel und betont gern, mit seiner DLD-Arbeit journalistisch tätig zu sein. In der heute erscheinenden DONNA wird Steffi Czerny interviewt, die den DLD gründete und jetzt mit Wichmann zusammen leitet. Auf ihr Erfolgsrezept angesprochen, antwortet sie: „So ein Zuckerberg mag es, wenn man ihn aus seiner Monothematik holt. Mein Englisch und digitales Know-how sind da egal.“ 

+++ Beim 71. Deutschen Juristentag in Essen nächste Woche werden Heribert Prantl, Karsten Altenhain, Ina Holznagel und Gerhard Strate zur Frage der Öffentlichkeit im Strafverfahren – Transparenz und Schutz der Verfahrensbeteiligten diskutieren. Aus Altenhains dieser Diskussion zugrunde liegendem, 120 Seiten starkem Gutachten zitiert heute die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Altenhain erinnert daran, dass die Gerichte verpflichtet sind, ihre Entscheidungen zu veröffentlichen. Der Anspruch der Presse ergebe sich direkt aus dem Grundgesetz. Allerdings gibt es noch keine einfachgesetzliche Grundlage dafür, weshalb die Gerichte bei Presseanfragen oft irrtümlich von einem Begehren ausgehen, das nach den Auskunftsrechten der Strafprozessordnung zu bewerten sei. Für Journalisten ist das nachteilig, weil sie dann ein 'berechtigtes Interesse' nachweisen müssen – ein unklarer Rechtsbegriff, der von den Gerichten oft pressefeindlich ausgelegt wird.“   

+++ Das Handelsblatt macht heute – rechtzeitig zu Oliver Stones Film – auf acht Seiten groß mit Edward Snowden auf, präsentiert die – auch im Film eine wichtige Rolle spielenden – Flüchtlingsfamilien, bei denen Snowden in Hongkong Unterschlupf fand und interviewt den Whistleblower zu seiner Zeit dort: „Manchmal schauten mir ihre Kinder dabei zu, wie ich mit einer Spezialantenne ein WLAN-System in einem weit entfernten Gebäude hackte. So baute ich mir Kommunikationskanäle, über die ich Journalisten kontaktieren konnte, ohne entdeckt zu werden.

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.

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