Im "Zuhör-Café" ist Unterbrechen tabu

Die Mediatorin Petra Haslop im Portrait
epd/Dieter Sell
Die Mediatorin Petra Haslop will Menschen den Wert des Zuhörens vermitteln
"Tag des Zuhörens"
Im "Zuhör-Café" ist Unterbrechen tabu
Reden ist Silber, Hören ist Gold: Das könnte Motto des "Internationalen Tags des Zuhörens" sein, der am 18. Juli im Kalender steht. Wie wichtig gutes Zuhören ist und wie es zu lernen ist, erfährt man im Bremer "Zuhör-Café".

Fünf Minuten. Fünf Minuten können ganz schön lang werden, wenn sie mit eigenen Gedanken gefüllt werden wollen. Im Bremer "Zuhör-Café" von Petra Haslop werden sie aber in der Regel zu einem erfüllenden Erlebnis: fünf Minuten sprechen können, ohne unterbrochen zu werden. Und ein Gegenüber spitzt die Ohren, hört einfach zu.

Echter Luxus. Nach fünf Minuten werden die Rollen gewechselt, im Verlauf des Treffens insgesamt dreimal. Das sind die Spielregeln, zu der die Mediatorin einmal im Monat ins Nachbarschaftshaus "Nahbei" im Bremer Stadtteil Findorff einlädt.

"Zu Beginn einigen wir uns auf ein Thema, eine offene Frage, beispielsweise 'Was ist in Dir gerade lebendig?'. Oft geht es auch um Bedürfnisse wie Wertschätzung, Humor oder Erfolg", berichtet Petra Haslop. "Dann finden sich Gesprächspaare, die sich nicht unbedingt kennen." Handys werden auf lautlos gestellt oder außer Reichweite gelegt, die Paare setzen sich ohne einen Tisch dazwischen zusammen. Das Zwiegespräch kann starten - mit einem Zuhörenden, der sich ganz in den Dienst des Redenden stellt. "Dabei nicht unterbrochen zu werden, das ist für viele ein Überraschungseffekt", sagt Petra Haslop.

Wie schwierig das Zuhören Menschen oft fällt, hat der Schriftsteller Kurt Tucholsky schon 1931 unter seinem Pseudonym Kaspar Hauser festgehalten, als er schrieb: "Der Mensch hat, neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören." Das ist zugespitzt, ja. Aber heute, in einer Zeit, in der viele glauben, ständig etwas über sich sagen zu müssen, um sich selbst zu beweisen, ist das die Erfahrung vieler Menschen.

Wichtig: die innere Bereitschaft

"Gute Zuhörerinnen und Zuhörer sind eher selten", bestätigt der Göttinger Linguist und Gesprächsexperte Martin Hartung, der ein Praxishandbuch für die Erwachsenenbildung zum besseren Zuhören herausgegeben hat. Dabei sei Zuhören, betont er, "die erste kommunikative Fähigkeit, die wir im Verlauf unserer Entwicklung erwerben, und die wichtigste Voraussetzung dafür, dass wir die anderen wie Sprechen, Lesen und Schreiben überhaupt erlernen können".

Mediatorin Haslop bekräftigt mit Blick auf das Zuhören zuallererst die Chancen. "Wer hört, wer offen ist, wird auf andere Gedanken gebracht, die sich bei uns im Zuhör-Café durch mehrere Durchgänge immer weiter vertiefen können." Und ganz allgemein hält sie fest: "Während ich spreche, kann ich nichts vom anderen erfahren, erfahre ich nichts Neues."

Die gute Nachricht: Zuhören lässt sich nach den Worten von Expertinnen und Experten wie Petra Haslop und Martin Hartung lernen. Petra Haslop betont dabei als Grundvoraussetzung die innere Bereitschaft, zuzuhören - im besten Falle nicht, weil man muss, sondern weil man will.

Grundlage für Verständnis und Vertrauen

"Unterbrechungen vermeiden, aktives Zuhören mit Blickkontakt und kurzen verbalen und nonverbalen Bestätigungen, Fragen wie 'Habe ich Dich richtig verstanden?' - das sind Punkte, die beim Zuhören helfen können. Außerdem natürlich aussprechen lassen, eventuell auch mal Pausen abwarten, aushalten."

Martin Hartung hat ein zweitägiges Seminarkonzept zur Förderung der Zuhörfähigkeit entwickelt. Bundesweit setzt sich die 2002 von ARD- und Landesmedienanstalten gegründete "Stiftung Zuhören" dafür ein, das Thema im deutschsprachigen Raum mit Bildungsangeboten unter anderem für Kinder und Jugendliche zu unterstützen. Einer ihrer zentralen Leitgedanken: Zuhören ist wichtig für mehr Miteinander und weniger Konflikte. "Davon lebt unsere Demokratie."

Und nicht zuletzt auch jede Beziehung, unterstreicht Petra Haslop. "Aktives und empathisches Zuhören sind die Grundlage für Verständnis, Vertrauen und eine tiefere Verbindung", sagt sie und ergänzt: "Wer nicht zuhört, erfährt auch nicht, welche Bedürfnisse im Raum stehen."