Operation Eisberg

Operation Eisberg

Der Spiegel wird zum 5. Mai renoviert und besser mit Spiegel Online vernetzt. Auch die FAS kann jetzt berichten, dass wir noch längst nicht alles über die NSA wissen. Veganer wittern eine Verschwörung beim ZDF. Und bei der "Auto Motor und Sport" werden ab sofort Postkarten gewogen. 

+++ Man muss wohl froh sein, dass es nicht „Stacheldrahtzaun“ oder „Löwengrube“ geworden ist. Denn das wären, wenn wir ehrlich sind, auch gute Namen gewesen, unter denen man die Zusammenführung von Print und Online beim Nachrichtenmagazin Spiegel laufen lassen könnte. Doch in Hamburg hat man sich für „Eisberg“ entschieden. Obwohl Eisberge kühl, unnahbar und ziemlich unheimlich sind, mit einem Großteil ihrer Masse unter der Wasseroberfläche. Und obwohl es ein Eisberg war, der einst die als unsinkbar geltende Titanic versenkte.

Aber gut. Beim Spiegel wollte man es halt so, oder die Dokumentation hat gepennt. Kommen wir zum Wesentlichen: was der Eisberg will. Das erklärt Spiegel-Geschäftsführer Ove Saffe nämlich heute auf der Medienseite der Süddeutschen Zeitung im Gespräch mit Caspar Busse und Claudia Fromme (Link zur Zusammenfassung bei sueddeutsche.de).

„Er (der Name) soll ausdrücken, dass das, was wöchentlich im Spiegel erscheint, nur die Spitze des Eisbergs ist. Es gibt unterhalb der Wasseroberfläche noch viel mehr dessen, was in Redaktion und Dokumentation erarbeitet wurde, aber im gedruckten Heft für den Leser nicht sichtbar ist, weil es nur eine begrenzte Anzahl von Seiten gibt. In der digitalen Welt haben wir mehr Platz und mehr technologische Möglichkeiten, für vertiefende Informationen, für mehr multimediale Ergänzungen wie animierte Grafiken und Videos, für die Aktualisierung von Artikeln im Laufe der Woche, auch für mehr Dialog zwischen der Redaktion und den Lesern.“

Wie schön: Spiegel Online macht Kram unter der Wasseroberfläche. Vorzeigbar ist eigentlich nur der Spiegel. Während Spiegel Online laut Saffe frei von einer Paywall bleibt, soll der schließlich auch in Zukunft die Kohle verdienen.

Damit das noch ein bisschen besser klappt als bisher, ist für den 5. Mai ein Relaunch angesetzt.

„Das Erscheinungsbild wird sanft renoviert und soll die Inhalte noch besser wirken lassen. Der Spiegel sieht ein wenig anders aus als bisher: moderner, klarer, übersichtlicher. Das Inhaltsverzeichnis präsentiert sich neu, die Bildsprache ändert sich, der Satzspiegel wird größer, auch die Titelseite wird leicht verändert: Das Cover bleibt monothematisch, aber zusätzlich sollen drei weitere Themen angekündigt werden. Alles in allem wird mehr Leichtigkeit in das Layout einziehen.“

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Außerdem neu: „Alle Meldungen und Geschichten aus dem Spiegel werden zukünftig auf Spiegel Online zu finden sein. Sie führen direkt zum digitalen Heft, und wer diese Inhalte nutzen will, muss dafür zahlen.“ Zudem kommt 2015 die Vorverlegung des Erscheinungstermins von Montag auf Samstag, weil, bitte festhalten: 70 Prozent der Spiegel-Leser Männer sind, und die vorwiegend samstags einkaufen.

Während die Mütter zu Hause Rollbraten schmoren. Vermutlich.

Noch mehr Saffe-Weisheiten gibt es übrigens im aktuellen W&V, wo nun ebenfalls ein Interview mit dem Spiegel-Geschäftsführer erschienen ist.

+++ Eigentlich war ja schon am Freitag „Wir-haben-Glenn-Greenwald-interviewt-Tag“ (Altpapier). Da die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung jedoch namensbedingt erst am Sonntag erschien, musste sie sich solange gedulden, um NSA-Aufklärer Greenwald verkünden zu lassen:

„Man muss sich darüber im Klaren sein, dass nur ein winziger Teil der Dokumente, die er (Edward Snowden)uns gegeben hat, bisher veröffentlicht wurde.“

Darüber hinaus erzählt der US-amerikanische Journalist im Gespräch mit Harald Staun, dass Snowden dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages sicher hilfreich sein könne. Dass die NSA sich einer so seltsamen Sprache bediene, dass man sie fast für eine Fremdsprache halten könne. Und dass es ziemlich schwierig sei, zu entscheiden, wann was veröffentlicht werde.

Recht lässig geht Greenwald mit der Frage nach seiner Unabhängigkeit um – jetzt, wo er seine Geschichten nicht mehr im Guardian, sondern bei The Intercept veröffentlicht, einem von Ebay-Gründer Pierre Omidyar finanzierten Angebot.

„Fast jedes Medienunternehmen wird von sehr reichen Menschen finanziert und kontrolliert. Und die Interessen dieser Leute kollidieren grundsätzlich immer mit der Arbeit der Journalisten. Ich verstehe die Skepsis, ich weiß nur nicht, was an meinem Fall so besonders ist. Im Endeffekt hängt journalistische Glaubwürdigkeit immer davon ab, dass man sie auch demonstriert.“


Altpapierkorb

+++ Am Freitag wurde Anja Niedringhaus in ihrer Heimat Höxter beerdigt. Eine Woche zuvor war die Kriegsfotografin erschossen worden, als sie für ihren Arbeitgeber AP über die Wahlen in Afghanistan berichtete. „Sie habe in ihren Bildern die ,grauenvolle Fratze des Hasses und Krieges’ gezeigt, aber auch Mitleid und Hoffnung. Niedringhaus habe immer einen Blick für die Gefahren ihrer Arbeit gehabt, sich aber dennoch verpflichtet gefühlt, Kriege ins Bewusstsein zu bringen.“ Sagte der ehemalige Leiter des UN-Umweltprogramms Unep Klaus Töpfer bei der Trauerfeier laut dpa-Bericht, den unter anderem das Göttinger Tageblatt online veröffentlichte, bei der Niedringshaus einst als Fotografin begann. +++

+++ Andere Länder haben auch schwächelnde Zeitungen. Das schreibt in dieser Woche der Spiegel, für den Stefan Simons die französische Tagszeitung Libération besucht hat. Dort haben die Mehrheitsgesellschafter mittlerweile keine Lust mehr, draufzuzahlen; mit dem laufenden Einkommen wird gerade mal so das Erscheinen sichergestellt. Dabei hat Immobilienhändler Bruno Ledoux als Mehrheitseigner die Erfolgsformel schon in der Tasche: Libération soll zum Multimedia-Angebot mit Fernsehen, Radio und Internetdiensten werden, während die Redaktion an den Stadtrand ziehen soll, damit ihr zentral gelegenes Gebäude zum Kultur- und Konferenzzentrum umgebaut werden kann. „Bei der Belegschaft sorgt die Glittervision der schönen neuen Medienwelt jedoch für helles Entsetzen. ,Libération’ nur noch als hohles Logo, der Redaktionssitz reduziert zum Shopping-Outlet oder vermarktet als profitabler Vergnügungspark unter dem Label ,Libé-Land’?“ Journalisten wie Leser machen dagegen mobil. +++

+++ „Ich versuche, seine Absurdität zu steigern, hätte aber Skrupel, ihn inhaltlich zu übertreffen.“ So schön fasst Jens Scholz im Interview mit dem Spiegel zusammen, wie sein Twitteraccount @tweetsvonwagner funktioniert, mit dem er die Kolumne von Franz Josef Wagner in der Bild-Zeitung karikiert. +++

+++ Und noch einmal der Spiegel: Reinhold Beckmann dreht für den NDR eine Doku über Gerhard Schröder, für den er den Altkanzler nun ein paar Monate begleiten wird. +++ Palina Rojinski wird demnächst das aus Israel stammende Dating-Format „Guys in Disguise“ bei Pro Sieben moderieren. Die Idee dahinter: Dating mit Menschen, die man eigentlich vom Job oder aus dem Fitnessstudio schon kennt, aber diesmal nicht erkennt, weil sie ein Tierkostüm tragen. +++

+++ Die Auto-Preise stecken in der Krise – also Preise im Sinne von Ehrung; mit den Euro-Preisen ist alles in Ordnung. Nach ADAC (Altpapier) und Autoflotten-Award (Altpapier) stellen die Zeitungen mit  angeschlossenem Auto-Preis jetzt ihre Methoden auf den Prüfstand, wie der Tagesspiegel berichtet. Bei der „Auto Motor und Sport“ werden jetzt die Postkarten gewogen, mit denen die „Best Cars“ gewählt werden, beim Magazin „Guter Rat“ aus dem Burda Verlag, der die „Autos der Vernunft“ kürt, gibt es eine Strichliste, und beim „Goldenen Lenkrad“ der „Auto Bild“ könnte erstmals ein Notar zum Einsatz kommen. +++

+++ Hey, hey Wickie, der Wikinger kommt als digitalisierte 12-Minuten-Serie zurück ins Fernsehen. 78 Folgen hat das ZDF bestellt, schreibt Martin Zips heute auf der Medienseite der SZ. Den Umzug übernimmt das belgische Studio 100, das schon Biene Maja ins digitale Zeitalter geholt hat. Zips bedauert, dass dabei der raue Umgangston ebenso verloren ginge wie die Unheimlichkeit der Wölfe. Es bliebe nicht mal mehr Zeit, damit Wickie sich ausgiebig die Nase für die nächste Idee reiben könne. „Klar, die Welt verändert sich – und natürlich kann Wickie 2014 nicht mehr Wickie 1974 sein. Doch ein bisschen muss man aufpassen, dass irgendwann nicht alles nur noch Smartphone ist.“

+++ Als würde Hundescheiße in unserem Alltag nicht schon genug Aufmerksamkeit erfordern, gibt es nun auch noch die passende Zeitschrift dazu: „Kot und Köter“ heißt sie und ist, natürlich, satirisch gemeint. Steckt schließlich der ehemaliger „Extra 3“-Autor Wuff Wulf Beleites dahinter. „Schon in den Neunzigern zog er als Hundehasser durch die Talkshows, kassierte 1000 Mark pro Auftritt und spielte dafür den Bösewicht. Diesmal sammelte er 7000 Euro im Netz ein, ganz modern per Crowdfunding. Die Abos verwaltet seine Frau“, schrieb am Samstag die SZ. Die Taz findet auf ihrer Medienseite heute, Artikel wie „Georg Kreislers Tagebücher entdeckt mit der Ursprungsfassung ,Hundevergiften im Park' - Die Wiener Kulturgeschichte muss umgeschrieben werden“ oder „Jute statt Plastik - Grüne fordern ökologisches Umdenken in Sachen Hundekot“ seien „skurril, verschroben, erdichtet, erlogen, persönlich, humorvoll, kritisch oder einfach nur irrelevant“. +++

+++ Auch wenn das Ereignis an sich bereits am Dienstag stattfand und die Berichterstattung darüber vom Samstag stammt, darf hier der kleine, aber feine Shitstorm nicht unerwähnt bleiben, der auf das ZDF herniederging, als es statt „Vegetarier gegen Fleischesser – Das Duell“  eine britische Doku über den verschwundenen Flug MH 370 zeigte. Denn das, so schreibt Stefan Niggemeier in seiner FAZ-Kolumne, war für manche ein klares Anzeichen, dass sich hier die Fleisch-Lobby durchgesetzt und eine Austrahlung verhindert habe. „Fast erschütternder als der in den Protesten dokumentierte Glaube, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen kaufen lässt (wer weiß es schon?), ist der, dass die Sender Programme herstellen würden, die so kritisch sind, dass die Industrie sie verhindern müsste. Als würden ARD oder ZDF zur Primetime tatsächlich fulminante Denk-Provokationen, gegen das Fleischessen oder sonst etwas, ausstrahlen wollen.“ +++

+++ Die FAS hat in dieser Woche ihre Medienseite für Serien freigeräumt. Tobias Rüther schreibt, wie sehr ihm die HBO-Serie „True Detective“ gefällt, die ab Donnerstag auf Sky läuft: Woody Harrelson und Matthew McConaughey müssen als die Polizisten Marty Hart und Rust Cohle klären, warum auf einem abgebrannten Feld eine Tote mit Hirschgeweih auf dem Kopf in betender Position unter einem Baum gefunden wird. „Brennende Felder, Raffinerien, Wohnwagensiedlungen, psychopathische Parkplätze: Man verfällt ,True Detective’ auch deswegen sofort, weil dieses Louisiana so fürchterlich herrlich gefilmt ist, eine Katastrophenschönheit, ,a fucking moon’, sagt Rust Cohle, mit einer Atmosphäre aus Asche und Aluminium. Wann hätte eine Landschaft das letzte Mal so ein Eigenleben im Fernsehen gehabt?“ +++ Nicht ganz sicher, was sie nun davon halten soll, scheint Denise Linke zu sein. Ihr Thema: die US-Mini-Serie „Die Bibel“, die über Ostern bei Vox laufen wird. „Das streckenweise übertriebene Schauspiel, die historischen Fehler und die hollywoodesken Spezialeffekte sind es vielleicht sogar, die den Zuschauer letzten Endes mitreißen. Wir leben nicht mehr in einer Welt, in der das reine Erzählen von Geschichten ausreicht, um uns zu bewegen. Unsere Fähigkeit, beim Betrachten einer Szene berührt zu werden, wurde nachhaltig verändert. Und eigentlich ist das auch okay.“ +++

+++ Das Wochenmagazin Stern hat wieder Ärger mit Uli Hoeneß: Die 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg hat Gruner+Jahr und den Stern-Chefredakteur Dominik Wichmann in zwei Punkten zu einer Unterlassungserklärung verurteilt, wie Hans Leyendecker am Samstag im Sportteil der SZ berichtete. In beiden Fällen geht es um Formulierungen, die nahelegen, Hoeneß sei einen Deal mit der Staatsanwaltschaft eingegangen. „Nun ist ein angeblicher Deal im Fall Hoeneß zwar Thema in Stammtischrunden und auch in Talkshows, doch die Prozessbeteiligten haben ausdrücklich erklärt, dass es keinen Deal gegeben habe. Das gilt sowohl für den Vorsitzenden Richter als auch für den Ankläger als auch für die Verteidiger von Hoeneß.“ Der Stern will gegen diese Entscheidung vorgehen. +++

+++ Kommt „Wetten, dass..?“ wieder oder nicht? Wäre auch ein schöner Name für eine Website, auf der, so der aktuelle Stand, nur ein großes „NEIN“ prangen müsste. So sagte es zumindest am Freitag ZDF-Unterhaltungschef Oliver Fuchs, wie der Tagesspiegel schreibt. +++

+++ Bereits am Wochenende durfte Oliver Kalkofe, der in dieser Woche bei Tele 5 ausgiebig den 20. Geburtstag seiner Mattscheibe feiern darf (DWDL), im Tagesspiegel mal wieder auf das deutsche Fernsehen einschlagen. „RTL macht seit zehn Jahren das gleiche Programm in der Endlosschleife, aber halbwegs stabil. Sie haben sich ihre Gesichter aufgebaut. Sat1 hat alle Konturen verloren, Pro7 ist US-Comedy-Abspielkanal mit Raab-Klum-Bonus. Ich muss leider sagen: Seit 20 Jahren lässt sich kaum eine gute Entwicklung im deutschen Fernsehen erkennen. Ich habe stets gehofft, es wird besser. Das Gegenteil passiert.“ Mehr Kalkofe gibt es heute auch in Springers Welt.

+++ „Sagen wir mal: so wie ich den Journalismus betreibe, fließen mein professionelles und mein bürgerliches Engagement hin und wieder zusammen." Sagt Jakob Augstein in einem sehr, sehr, sehr langen „Read and Meet", in dem es eigentlich um Augsteins neues Buch "Sabotage" geht und das bei freitag.de nachzulesen ist. +++

+++ Wer sich für Roger Schawinkis Essgewohnheiten interessiert (und dafür, wie viele Schawinskis eigentlich im Roger so stecken und was sie alle von der deutschen Talkshow-Kultur halten), dem sei noch das Tischgespräch empfohlen, zu dem sich Marc Reichwein für das Hamburger Abendblatt mit dem ehemaligen Sat1-Geschäftsführer getroffen hat. +++

+++ Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, was Freitagnachmittag die Runde machte: Christian Sievers, bislang ZDF-Korrespondent in Tel Aviv und ab-und-zu-Moderator des „heute journals“, übernimmt den Posten bei „heute“ von Matthias Fornoff, der Leiter der ZDF-Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen wird. (Kress, DWDL, Meedia) +++

Neues Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

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