Leicht gemacht: Männerdiskriminierung

Leicht gemacht: Männerdiskriminierung

Quotendiskussionen kommen nicht aus dem Kindergarten ihres Denkens raus, wie sich am Beispiel Jörg Schönenborn zeigen lässt. Funke und Springer verabreichen dem Kartellamt ihren Deal in kleineren Häppchen. Der kostenlose Exzellenzjournalismus im Netz hat seine besten Tagen wohl hinter sich

Opener in der heutigen DLF-Presseschau: Der Anti-Frauenquote-Text von Dorothea Siems in der Welt. Kann viele Gründe haben – etwa die weltanschauliche Nähe zwischen dem konservativen öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk und Springers konservativer Welt. Oder auch nur, dass der Text von Siems, die in Blogs aufmerksam rezipiert wird, dem Frühhörer den Marmeladenbrötchenbiss aus dem offenen Mund fallen lässt. Da hat mal jemand eine andere Meinung.

Was im Grunde zu begrüßen ist, im konkreten Fall aber entsetzlich langweilt, weil sich der Artikel sein Anderssein mit Dooftun erkauft. Emanzipation ist doch nichts, was sich mit den argumentativen Strategien des Kindergartens ("Selber!") diskutieren ließe. Siems aber ist der Welt der Förmchen zu Hause:

"Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die männerdiskriminierende Maßnahme auch auf die Vorstände und den Mittelstand ausgeweitet wird."

Ha, ha, männerdiskrimierend, den Spieß einfach mal umgedreht. Da lacht das Büro. Nur: Wo werden Männer benachteiligt wegen ihres Mannseins, wenn ihnen allein wegen dieses Mannseins 70 Prozent der Führungsposten zugesichert sind, ohne das jemand nach Qualifikation oder so 'nem Scheiß fragte?

"Gibt es ein messbares Leserpotential, das sich in diesen – oft als Satire missverstandenen – Verbalattacken noch wiederfindet?"

Wirft viktorquandt.blogspot über einen anderen Siems-Text ein, auf diesen trifft es aber genauso zu. Und wie bei lustigen Programmen üblich, gibt’s die dickste Pointe zum Schluss:

"Hätte der Gesetzgeber 1990 beschlossen, dass mindestens jeder dritte Bundeskanzler weiblich sein müsse, wer glaubte heute, Angela Merkel wäre je ohne diese Quote so weit gekommen?"

Ein Satz, der seinen Sinn selbst ausradiert: Wäre in Siems' Rechnung nicht mit Quote Angela Merkel genau so weit gekommen, wie sie es ist? Und was spräche dann gegen die Quote? Und warum terminiert Siems die regulatorische Praxis, die sie verabscheut, erst auf das Jahr 1990 und nicht, auf sagen wir, 1949 – weil dann schon Kurt Georg Kiesinger Angela Merkel hätte sein müssen?

Das Elend an Quotendiskussionen, wie Siems sie zu führen glaubt, besteht darin, dass die konkrete politische Forderung, die die Quote darstellt, als Wunschtraum ihrer Verfechter verhaftet wird. Natürlich ist die Quote eine Krücke – das würde vermutlich niemand von Ursula von der Leyen, den ProQuote-Frauen und weniger staatstragenden Befürwortern bestreiten. Aber doch nur, weil Gleichstellungspolitik – bei aller romantischen Markthörigkeit von Leuten wie Siems – sich eben nicht von alleine regelt (die Bilderschau des Tages kommt vom Handelsblatt), etwa durch gutes Zureden. Anders gesagt: Der Mindestlohn ist doch auch nichts anderes als die im Kompromiss abgewägte Konkretion einer Idee von Gerechtigkeit, auf die man, abstrakt verlangt, bis zum St. Nimmerleinstag warten könnte.

Einen unterkomplexen Quotenbegriff pflegt auch: Michael Hanfeld in seinem FAZ-Text zur senderinternen Kritik an der neuen Hörfunkdirektorin des WDR Valerie Weber, die im Privatradio groß geworden ist (siehe Altpapier von gestern):

"Das im öffentlich-rechtlichen Rundfunk inzwischen zementierte Geschlechterquotendenken nämlich hat dazu geführt, dass Tom Buhrow für die beiden Spitzenposten nur einen Mann und eine Frau vorschlagen kann. Wo es früher, der parteipolitischen Farbenlehre folgend, oft hieß: einer links, einer rechts, gilt jetzt, dass der richtige Chromosomensatz entscheidet. Den der Wellenchef von 1Live, Jochen Rausch, eben nicht hat. Da mag der WDR noch so stolz auf seine junge Welle sein, mag der Intendant sie als Paradebeispiel für modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk loben und preisen – die Geschlechterquotierung geht vor."

Wenn die "Saure Gurke" nicht schon weg wäre, Hanfeld hätte sie verdient für die – absichtliche oder tatsächlich ignorante? – Feststellung, dass der totalqualifizierte Jochen Rausch eben von der Frauenquote verhindert wurde als Hörfunkdirektor – und nicht etwa von Jörg Schönenborn. Denn wo steht geschrieben, dass dessen nächster Karriereschritt als Fernsehdirektor gesetzt sein muss? Da hätte es doch bestimmt auch eine totalqualifizierte Frau gegeben, die diesen Posten hätte übernehmen und Rausch zum Hörfunkdirektor machen können.

Im Tagesspiegel referiert Markus Ehrenberg eine andere Variante zur Valerie-Weber-Vermeidung, die ebenfalls an Schönenborn gescheitert ist:

"Viele sind davon ausgegangen, dass Buhrow eine interne Lösung wählt, zum Beispiel Jona Teichmann. Doch die ist nicht nur Leiterin des Landesprogramms Hörfunk, sondern auch die Ehefrau von Jörg Schönenborn. Durch dessen Nominierung zum Chefredakteur blieb Buhrow diese Lösung verwehrt."

Ist die Karriere von Jörg Schönenborn, die vermutlich einmal in der Buhrow-Nachfolge resultieren muss, ein Naturgesetz? Oder hätte der nicht, zugunsten seiner geliebten Frau, WDR-Chefredakteur bleiben können, was unter den vielen Posten im Sender sicherlich auch einer ist, auf dem man "gestalten" kann?

"Der Hauptkritikpunkt", aber erinnert der Tagesspiegel zurecht, ist eine andere Quotenfrage:

"Warum holt Buhrow mit Weber ein Privatradiogewächs, das mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk wenig am Hut hatte? Zumal es beim Privatradio nur um Quote gehe."

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Hanfeld sieht in seinem FAZ-Text darin kein Problem, sondern nur Stimmungsmache:

"Wenn man weglässt, was für Valerie Weber sprechen könnte (Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte, Magisterarbeit zum Thema 'Kulturprogramme unter dem Druck der Einschaltquote – eine Analyse der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehangebote', Erfahrung als ziemlich erfolgreiche Radio-Managerin), rundet sich das Bild schnell."

Auch ruchlose Investmentbanker haben irgendwann einmal was Sinnvolles oder sogar Schöngeistiges studiert. Oder ist dieser Hinweis etwas arg polemisch? Hanfeld jedenfalls sieht unter den Verteidigern der Radio-Kulturprogramme nur aus der Zeit gefallene Besitzstandswahrer:

"Das gilt insbesondere für die Radioleute, wie man an der ewig und drei Tage währenden Debatte über die Reform des Kulturprogramms WDR3 ablesen konnte. Veränderung – ohne uns!"

So stimmt das vielleicht nicht ganz, aber das dürfte Hanfeld bei seinem irrationalen Kampf gegen etwas, das ihm als Angestellter der FAZ eigentlich nahe sein müsste (Kultur, Anspruch), egal sein.

Ehrenbergs Tagesspiegel-Beitrag stellt in Aussicht, dass die Sache noch weiter beschäftigen könnte. Der Plan für die kommenden Tage:

"Tom Buhrow hat der Redakteursvertretung des größten ARD-Senders ein Gespräch für Dienstag angeboten. Für Mittwoch hat die Redakteursvertretung zu einer außerordentlichen Redakteursversammlung geladen, zu der auch Buhrow eingeladen ist. Der Intendant hatte am Donnerstag bekannt gegeben, dass er die aus München stammende Valerie Weber zur Hörfunkdirektorin des WDR berufen wolle."

Ob es aber so weit kommt, wie er am Ende des Textes mutmaßt

"Die Frage wird auch sein, ob sich Valerie Weber diese Nominierung angesichts der vielen Missfallenskundgebungen aus Köln überhaupt antun wird" –,

ist eher zu bezweifeln: Blome ist doch auch zum Spiegel.


Altpapierkorb

+++ Musike ist auch im Funke-Springer-Deal, der dem Kartellamt jetzt in kleineren Häppchen verabreicht wird, damit es ihn runterkriegt. Kurt Sagatz hat im TSP abgepackt: "Das kartellrechtliche Genehmigungsverfahren wird nun neu in vier Einzelpakete aufgeteilt. Ein Paket umfasst die Regionalzeitungen 'Berliner Morgenpost' und 'Hamburger Abendblatt' sowie die Frauenzeitschriften 'Bild der Frau' und 'Frau von Heute'. Im zweiten Paket sind die Programmzeitschriften 'Hörzu', 'TV digital', 'Funk Uhr', 'Bildwoche' und 'TV neu' enthalten. In der dritten Gruppe geht es um das Gemeinschaftsunternehmen Vertrieb und in der vierten um das Gemeinschaftsunternehmen Vermarktung." +++ AP-Autor René Martens erklärt in der TAZ Hintergründe aus Sicht der Funke-Gruppe, das Zauberwort heißt "Mediakombi": "'Mit einem einzigen Auftrag' könne man künftig in 19 Zeitungen 'im größten Ballungsgebiet Deutschlands' werben, heißt es. Das klingt auf den ersten Blick unspektakulär. Allerdings haben solche Verbünde mittelbar Einfluss auf die Meinungsvielfalt: Weil sie günstige Tarife anbieten können, drohen der direkten Konkurrenz in den jeweiligen Märkten Einbußen – mit möglichen Auswirkungen auf die redaktionelle Qualität." +++

+++ "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zeit, in der man erstklassigen Journalismus im Überfluss online gratis konsumieren konnte, ihrem Ende entgegengeht", lautet das Fazit von Meera Selva und Stephan Russ-Mohl, die für die NZZ international Bezahlmodelle von Zeitungen diskutieren. Der Erfolg der NYTimes ließe sich nicht vergleichen, schreiben beide. Und: "Generell liefern die Medien, deren Paywalls seit längerem funktionieren, meist spezialisierte Information für Eliten." +++ Das führt nach China, dem Mark Siemons in der FAZ (Seite 31) nach den jüngstem Westliche-Korrespondenten-Stress einen salomonischen Informationsbegriff empfiehlt, um die Powerwall der Regierung zu umgehen: "Je enger die Märkte zusammenwachsen und wechselseitig auf die Gesellschaft einwirken, desto stärker sind Investitionen auf frei verfügbare und verlässliche Informationen über ihr Umfeld angewiesen. Auf diese Abhängigkeit hinzuweisen ist im Zuge der Globalisierung ein Gebot der Gegenseitigkeit und hat mit der dem Westen sonst oft unterstellten Überheblichkeit nichts zu tun. Da hätte die auswärtige Wirtschaftspolitik ein Feld, das über die bloße Menschenrechtsrhetorik hinausginge und auch den großen Unternehmen Gelegenheit gäbe, Farbe zu bekennen." +++ Zurück zur NYTImes, der Unvergleichlichen, der trotzdem die besten Verehrer, sprich Mitarbeiter abhanden kommen, weil die selbst unvergleichlich geworden sind wie der Statistik-Experte Nate Silver. Patrick Bahners schreibt in der FAZ: "Silvers Agent gab der Chefredakteurin Jill Abramson in den Bleibeverhandlungen zu bedenken, sein Klient sei 'das hübscheste Mädchen auf der Party'. Frau Abramson erwiderte kühl: 'Die ,New York Times‘ ist immer das hübscheste Mädchen auf der Party.' Aber umschwärmte Autoren wie Pogue, Silver und Stelter können es sich leisten, der Klassenschönsten einen Korb zu geben." +++ Das Magazin Forbes steht zum Verkauf an seine reiche Leserschaft. Nikolaus Piper in der SZ (Seite 31): "Der heutige Haupteigentümer und Chefredakteur Steve Forbes ist der älteste Enkel des Gründers. Steve Forbes bemühte sich 1996 und 2000 vergeblich um die republikanische Kandidatur für das Amt des Präsidenten der USA. Die Wahlkämpfe dürften einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens aufgezehrt haben (in der Forbes-Liste der reichsten Amerikaner taucht Forbes selbst nicht auf). Der Verleger gehört dem konservativen Flügel der Republikaner an, er wirbt für radikale Steuersenkungen und unterstützt die libertäre Lobby-Gruppe 'Freedom Works', die der Tea-Party-Bewegung nahesteht." +++

+++ Daniel Bouhs empfiehlt in der TAZ ein E-Book von Tobias Gillen als Verschlüsselungsgrundkurs: "Wer durchhält (und es sind vielleicht acht kurze Sitzungen, um die es geht), ist für die Post-Snowden-Ära gerüstet. Das Problem dabei: Verschlüsseln allein hilft nicht. Es braucht auch immer ein Gegenüber." +++ Björn Wirth plaudert in der Berliner Hintergründe der Moderatorenfortbildung bei der ARD aus: "Seit 16 Jahren hält die öffentlich-rechtliche Anstalt für 'Tagesschau'-Sprecher ebenso wie für Fußball-Kommentatoren eine Aussprache-Datenbank, kurz ADB, bereit. Für die Fußball-WM wird sie jetzt um die Namen aller 700 Spieler aufgerüstet. Ein Team von zehn ARD-ADB-Mitarbeitern prüft jedoch nicht nur jeden Spielernamen, sondern auch die aller Trainer sowie Schieds- und Linienrichter." Das ZDF hat übrigens keine. +++ Stefan Schulz schreibt in der FAZ (Seite 31) über "Zensursula" in GB: "Im Vergleich mit der britischen Lösung war die deutsche Initiative ein geringfügiger Eingriff." +++ Claudia Fromme blättert in der SZ ein Magazin namens Flow mit verschiedenen Papieren durch: "Zufällig wirkt nichts in dem Heft, was nun mit einer Auflage von 100000 Stück für 6,95 Euro in den Handel kommt. Stellt eine Buchhändlerin ihre Lieblingswerke vor, macht sie das auf griffigem Papier. Eine Geschichte über boheme Frauen aus dem Paris der 20er ist auf glänzendem Papier im Sinne des Art Déco gedruckt." +++ Und Michael Bauchmüller berichtet ebenda, dass sich der Vorwärts mit dem Nichtdrucken einer kohleenergiekritischen Anzeige keinen Gefallen getan hat: "Die Richtlinien erlaubten keine Anzeigen, die sozialdemokratischen Grundwerten widersprächen, beschied die Anzeigenabteilung, 'das wäre bei dieser Anzeige aber leider der Fall'. Womit die Inserenten nun viel mehr Aufmerksamkeit haben, als es eine Anzeige je bringen könnte - und das ganz kostenlos. 'Ich denke, dass die Befürworter der Kohleenergie eine Diskussion in der Partei vermeiden wollten', sagt Wolf von Fabeck, Geschäftsführer des Fördervereins." +++

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