Der Kamikazekurs des Nichtverstehers

Der Kamikazekurs des Nichtverstehers

Schon wieder eine Spiegel-Affäre! Droht dem Magazin nun etwas, das all die Krisen übertrifft, die das Haus in der jüngeren Vergangenheit erlebt hat? Außerdem: Warum Stefan Raab möglicherweise doch keinen Pep in die Steinbrück-Merkel-Befragung bringen wird; ein Überfall auf die Wohnung eines Schweizer Journalisten; ein Kölner „Tatort“, der nicht um 20.15 Uhr laufen darf.

Nicht wenige Spiegel-Chefredakteure haben es fertig gebracht, große Teile der Mannschaft gegen sich aufzubringen. Wolfgang Büchner scheint nun das Kunststück gelungen zu sein, dies zu schaffen, bevor er überhaupt angetreten ist. Indem er Nikolaus Blome als stellvertretenden Chefredakteur rekrutiert hat (siehe Altpapier), hat er die allerneueste Spiegel-Affäre ausgelöst. Einen ersten Höhepunkt erreichte sie bei einer Konferenz am Donnerstag, in der zum Beispiel laut Kai-Hinrich Renner (Hamburger Abendblatt) sich Folgendes zugetragen haben soll:

„Eine leitende Redakteurin fragte, ob Büchner verstehen könne, dass ein Bild-Mann auf einem so wichtigen Posten Irritationen auslöse. Nein, das könne er nicht, antwortete ihr künftiger Chef.“

Ein anderer Wortwechsel verlief wohl ähnlich. Michael Ridder (epd medien) schreibt, Spiegel-Reporter Dirk Kurbjuweit habe gefragt, ob sich durch die Verpflichtung Blomes „die politische Linie des Blattes ändern werde. Büchner habe darauf geantwortet, er verstehe die Frage nicht.“ Eine halbwegs intelligente Antwort wäre ja die Gegenfrage gewesen, was denn derzeit die politische Linie des Spiegel sei. Für so etwas war dann aber wohl keine Zeit beim „gehetzten 20-minütigen Kurzauftritt“ inclusive „einer vom Blatt abgelesenen Fünf-Minuten-Erklärung“ (David Denk, taz). 

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Spielt Büchner den Doofen? Das ist unter Journalisten ja keine unbeliebte Strategie. Oder hatte er bloß schlecht gefrühstückt? Um es mit Denk zu sagen:

„Rätselhaft bleiben die Motive Büchners für diesen Kamikazekurs.“

Eine Einschätzung, die im Sinne des zitierten Konferenzfragestellers Kurbjuweit sein dürfte, hat Franziska Augstein gegenüber David Denk abgegeben:

„‚Einen Mann von der Bild-Zeitung, die die NSA-Affäre heruntergespielt hat, zum stellvertretenden Chefredakteur des Spiegels zu machen, der sich in der Aufklärung ebendieser Affäre profiliert hat, halte ich für indiskutabel‘ (...) Damit hole man ‚den Fuchs in den Hühnerstall.‘

Ist das möglicherweise ein gutes Bild dafür, was Büchner beabsichtigt? Durch Franziska Augsteins Äußerung bekommt die ganze Chose jedenfalls auch noch einen möglicherweise irgendwann mal Nico Hofmann oder die Degeto inspirierenden Familienzwist-Aspekt, denn damit geht sie

„in Opposition zu ihrem Bruder Jakob, der die Erbengemeinschaft von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein in der Gesellschafterversammlung vertritt“,

wie Denk uns erläutert. Jakob, also Blomes Phoenix-Talk-Buddy, hält den „Fuchs“ nämlich für einen „guten Mann“ (meedia.de).

Sämtliche Beobachter, die gerade reingehorcht haben in den „Tumult“ (Denk) beschäftigen sich mit einem quasi hausjuristischen Detail, das etwa sperriger ist als ein geschwisterlicher Konflikt.

„Die Bestellung zum Hauptstadtbürochef gilt intern nicht als größtes Problem, wohl aber die Berufung zum stellvertretenden Chefredakteur. Denn hier stellt sich auch die Frage, ob die Gesellschafter - allen voran die mächtige Mitarbeiter KG - nicht ihre Zustimmung hätte geben müssen. Die in der Mitarbeiter KG organisierten stillen Teilhaber des Magazins drängen nun auf eine außerordentliche Versammlung, bei der das weitere Vorgehen besprochen wird. Die hierfür erforderlichen 100 Unterzeichner hätten sich binnen weniger Stunden auf einem Zettel an der Kantinentür eingetragen, heißt es“,

schreibt zum Beispiel Ridder. Und Ulrike Simon (Berliner Zeitung) weiß:

„Gar von einer Klage war zu hören, mit der die KG diesen Punkt notfalls klären wolle. Büchner erlebt damit eine Niederlage sondergleichen.“

Denk liefert dazu einen kurzen historischen Überblick: 

„Insider sprechen (...) von einer ‚Grauzone‘: Seit Jahrzehnten ist ungeklärt, ob laut Spiegel-Satzung auch die Ernennung von stellvertretenden Chefredakteuren zustimmungspflichtig ist.“

Renner schildert diesen Aspekt im Abendblatt etwas ausführlicher:

„Bereits vor Jahren gaben die damalige KG-Geschäftsführung und Saffes Vorvorgänger Karl Dietrich Seikel zu Protokoll, dass sie in diesem Punkt unterschiedlicher Ansicht sind. Beide Parteien gelobten etwaige Streitfälle einvernehmlich zu lösen. Wenn dies nicht möglich sei, solle ein Schiedsgericht entscheiden.“

Kann es noch ein bisschen Frieden geben? Ist möglich, meint Renner:

„Als Kompromiss kursiert im Verlag ein Szenario, wonach Chefredaktion und Geschäftsführung zunächst auf eine Berufung Blomes zum stellvertretenden Chefredakteur verzichten. Der Bild-Journalist würde demnach einstweilen nur als Leiter des Hauptstadtbüros zum Spiegel wechseln. Eine Berufung zum Vizechef könnte ein halbes Jahr später erfolgen.“

Dass es einen großen Unterschied macht, ob der in Talkshows sich gern als Kommissköpfchen inszenierende Blome ab Dezember sehr weit oben im Impressum steht oder erst ab Frühsommer 2014, ist allerdings nicht unbedingt ersichtlich. Von Kompromissen ist in Simons Text für die Berliner nicht die Rede. Sie hält es für nicht unwahrscheinlich, dass beim Spiegel sehr bald die Löcher aus dem Käse fliegen bzw. das Haus eine Krise erlebt, die alle anderen der jüngeren Vergangenheit in den Schatten stellt. Zumal es bei der derzeitigen „Zerreißprobe“ (Renner) beim zerreißprobenerprobten Magazin gar nicht nur um die Person Blome geht:

„Die Mitarbeiter des Nachrichtenmagazins fühlen sich brüskiert. Sie haben den Eindruck, Büchner wolle gemeinsam mit Spiegel-Geschäftsführer Ove Saffe die Spiegel KG entmachten (...) Womöglich könnte der Streit weiter eskalieren, Büchner gar nicht erst Spiegel-Chefredakteur und Geschäftsführer Ove Saffe gar abgesetzt werden – trotz seiner Vertragsverlängerung erst im vergangenen Jahr. Sollte sich der Eindruck bewahrheiten, dass Saffe mit Büchner die KG durch eigenwillige Aktionen entmachten will, ‚stehen wir wie eine Wand‘, sagte ein Redakteur.“

Es würden „bereits weitere Namen potenzieller Kandidaten für die Spiegel-Chefredaktion diskutiert“, weiß Simon außerdem. Ja, geht es denn schon wieder los?

„Am meisten verwundert, dass Büchner anscheinend nicht geahnt hat, welches Fass er mit Blome aufmacht“,

meint Michael Ridder. Könnte aber auch sein, dass er das sehr wohl geahnt hat. Vielleicht ist er einfach davon ausgegangen, dass er diese Schlacht gewinnen wird.

[+++] Ein anderes Medium, deren interne Vorgänge recht oft medienjournalistisch interpretiert werden, ist die taz. Dies war vor ein paar Tagen so, als darüber spekuliert wurde, warum kurzfristig ein Text zum Thema Pädophilie und die Grünen aus dem Blatt flog (siehe Altpapier von Montag und Dienstag).

„Allmählich bin ich doch einigermaßen irritiert über die Kollegen in den anderen Zeitungen. Die Vorstellung, man könne in der taz einen kritischen Artikel gegen die Grünen zensieren, ist jedenfalls einigermaßen lustig“,

postete taz-Kulturredakteur Dirk Knipphals dazu gestern bei Facebook. Eine offizielle Stellungnahme zu den Mutmaßungen gibt es mittlerweile auch. Chefredakteurin Ines Pohl schreibt im taz-Hausblog:

„Die Entscheidung der Chefredaktion, die sich auf die handwerkliche Qualität des Textes bezog, wurde in eine politische umgedeutet.“

Zudem reißt Pohl eine Frage an, die gewiss noch den einen oder anderen ausführlichen Blogbeitrag wert sein wird. „Eigentlich“ gebe es ja Entscheidungen von Chefredakteuren, „die nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollten“, und „eigentlich“ sei es ja selbstverständlich, „nicht öffentlich über unveröffentlichte Texte von Kollegen zu diskutieren“. Weil es aber - und das steht jetzt zwischen den Zeilen - immer mal wieder passieren wird, dass ein unveröffentlichter Artikel ins Netz gelangt (inclusive Interpretationen dazu, warum er nicht erschienen ist), muss man sich Gedanken darüber machen, wie man mit diesem „Dilemma“ umgeht.

[+++] Aus den deutschen Debatten jetzt aber mal rein in die aktuellen globaljournalistischen bzw. ja durchaus auch weltpolitischen Großthemen. In dieser Gemengelage spielt der Guardian bekanntlich keine kleine Rolle. Dessen Chefredakteur Alan Rusbridger porträtiert heute der Tagesspiegel:

„(Seine) Kreuzzüge beim Guardian gehen oft bis an die Existenz des Blattes. Gleich nach seiner Übernahme als Chefredakteur attackierte der Guardian den Unterhausabgeordneten Neil Hamilton wegen ‚Cash for Questions‘ im Unterhaus und den Schatzamtsminister Jonathan Aitken wegen seiner Beziehungen zu Saudi-Arabien. Verleumdungsklagen der Politiker hätten dem Guardian mit seiner schwachen Finanzgrundlage das Genick brechen können. Aber Rusbridger zog, als die Sache zur Entscheidung kam, drei Tage fast non-stop durch die TV-Studios und verteidigte die Zeitung offensiv. Auch jetzt intervenierte der Guardian-Chef persönlich: Einen Tag nach der Festnahme von David Miranda, Kurier und Lebensgefährte des Guardian-Enthüllers Glenn Greenwald, in Heathrow ging Rusbridger in die Offensive – und deckte auf, wie die Regierung selbst die Zerstörung von Festplatten des Guardian verteidigte.“

Mit der im Tagesspiegel-Text erwähnten Festnahme Mirandas beschäftigt sich The Atlantic:

„The U.K. authorities must have known that the data would be encrypted. Greenwald might have been a crypto newbie at the start of the Snowden affair, but (Laura) Poitras (die an den Enthüllungen beteiligte Dokumentarfilmerin - Anm. AP) is known to be good at security (...) Maybe the U.K. authorities thought there was a good chance that one of them would make a security mistake, or that Miranda would be carrying paper documents. Another possibility is that this was just intimidation. If so, it's misguided (...) Going after the loved ones of state enemies is a typically thuggish tactic, but it's not a very good one in this case. The Snowden documents will get released. There's no way to put this cat back in the bag, not even by killing the principal players.“

Christian Zaschke informiert in der SZ über das juristische Nachspiel der Festnahme:

„Der Brasilianer David Miranda hat am Donnerstag zumindest einen Teilsieg vor dem High Court errungen, dem höchsten britischen Zivilgericht. Seine Anwälte haben eine einstweilige Verfügung erwirkt, der zufolge die Polizei die elektronischen Geräte Mirandas nicht weiter auswerten darf - allerdings mit einer entscheidenden Ausnahme: Sollte die Polizei glauben, dass die nationale Sicherheit gefährdet ist, darf sie das Material doch weiterhin sichten.“

[+++] Dass es neben Großbritannien auch noch andere demokratische Staaten gibt, die meinen, gegen die „loved ones“ von kritischen Journalisten vorgehen zu müssen, zeigt ein Überfall auf die Wohnung eines Schweizer Journalisten, den Peter Studer, ehemaliger Chefredakteur des Tages-Anzeigers und ehemaliger Präsident des Schweizer Presserates, für das Medienmagazin Edito + Klartext beschreibt:

„Angriff im Morgengrauen: Um 06.40 Uhr läutete es an der Wohnung Rocchi in La-Chaux-de-Fonds (...): Frau Rocchi öffnete die Tür und fand sich einem Untersuchungsrichter, vier Polizeiinspektoren und einem Informatiker gegenüber. Das Team verlangte nach dem bekannten Recherchierjournalisten Ludovic Rocchi (Le Matin). Dieser weilte allerdings am Filmfestival Locarno. Sein Laptop? Natürlich bei ihm, in Locarno. Frau Rocchi verlangte einen Durchsuchungsbefehl zu sehen. Untersuchungsrichter Nicolas Aubert habe verlegen in seiner Mappe gefummelt und ihn schließlich hervorgezogen, verlautete von Rocchi-Seite. In Ermangelung des gesuchten Journalistengeräts nahmen die Mannen trotz Protest Frau Rocchis Laptop und den des elfjährigen Sohns an sich, ferner einige CDs, Discs und Notizhefte.“

Ermittelt wird gegen den Journalisten im übrigen „wegen der Strafanzeige eines Professors der Wirtschaftsfakultät an der Universität Neuenburg“.

[+++] Der instruktivste Beitrag zum Thema Fernsehen steht heute nicht auf einer Medienseite. Marcus Jauer hat fürs FAZ-Feuilleton ein ganzseitiges Stefan-Raab-Porträt verfasst, in dem er den Protagonisten - einerseits - dafür lobt, dass er bei Pro Sieben „das Fernsehen revolutioniert“ habe. Andererseits legt Jauer nahe, dass Raab bei der für am übernächsten Sonntag anstehenden Steinbrück-Merkel-Befragung möglicherweise dann doch nicht dafür sorgen wird, „dass es diesmal irgendwie interessanter wird, als es bisher war“. Jauer begründet das mit Raabs bisheriger Performances in seiner Polit-Talkshow „Absolute Mehrheit“:

„Je länger die Sendung läuft, umso mehr fallen die Gemeinsamkeiten zu all den anderen Talkshows auf. Wie überall lädt auch Stefan Raab immer von jeder großen Partei jemanden ein und wechselt die kleinen Parteien miteinander ab. Wie überall lässt er seine Gäste über Energiewende, Frauenquote, Euro, Bildung oder Politikverdrossenheit reden. Wie überall führen auch hier Einspielfilmchen ins Thema (...) Wer Stefan Raab zusieht, bekommt den Eindruck, dass es am Moderator liegt, was sich nach einem Widerspruch anhört, wo er doch gerade ausgewählt wurde, um es anders zu machen. Aber Stefan Raab ist in dieser Sendung nicht Stefan Raab. Er ist jemand, der sich informiert hat oder informieren lassen hat (...) Unsicher schaut er immer wieder auf seine Kärtchen und lehnt sich stolz zurück, wenn er ihnen eine Frage entnommen hat, als bezweifle irgendjemand, dass er das kann (...) Stefan Raab ist passiert, was vielen Menschen passiert, wenn sie es mit Politikern zu tun bekommen. Er ist geschmeichelt und eingeschüchtert zugleich.“


ALTPAPIERKORB

+++ Die gestern exakt an dieser Stelle im Altpapierkorb angerissene Diskussion zwischen u.a Martin Giesler („Was ich nicht verstehe: Journalisten, die für Google Ihr Gesicht hinhalten oder von Google Geld kassieren und sich dann um Themen wie NSA, Prism und Co. lautstark Gedanken machen. Ist das noch Sponsoring? Ist das legitim?“) und Mario Sixtus setzt Giesler in seinem Blog 120 Sekunden nun fort, indem er eine Facebook-Diskussion dokumentiert. Dort schreibt dann - um nur mal anzureißen, um was es in der Debatte geht - Jens Best: „Martin fragt nach der Unabhängigkeit des ‚neuen Journalismus‘. Dies ist eine wichtige, geradezu essentielle Frage. Wer morgen nur noch Coca-Cola-Newssites und Google-sponsored Formate sehen will, sollte sich fragen, ob DAS wirklich ein Fortschritt im aufklärerischen Sinne sein kann. (...) Google hat nichts mit Netzaktivismus oder Journalismus zu tun. DAS ist es, was Sixtus und andere nicht sehen wollen. Google, Facebook, Cisco und all die anderen amerikanischen Firmen dienen der Hegemonie der USA, der Vormachtstellung einer Vorstellung von Freiheit, die durch Kapitalismus der übelsten Sorte hergestellt werden soll (...) Das Internet ist eben nicht die EINE Sache, die es zu verteidigen gilt. Das Web ist ein Werkzeug. ein Werkzeug, das, wenn wir es mainly in den Händen (neoliberaler) westlicher Kapitalisten und ihren Geheimdiensten belassen, ebenso falsch benutzt wird, wie durch autokratische Systeme.“

+++ Wie bisher über Chelsea Manning geschrieben wurde und wie man über sie schreiben sollte, erfährt man unter anderem bei The New Republic, Jezebel und im Marketwatch-Blog des Wall Street Journal.

+++ Ein „Polizeiruf“ wurde zwar schon aus Jugendschutzgründen auf 22 Uhr verlegt, aber ein „Tatort“ bisher noch nicht. Der erste, dem es widerfährt, ist „Franziska“ vom WDR, zu sehen sein wird er im Dezember. „Regie bei ‚Franziska‘ führt Dror Zahavi, der nicht für TV-Breikost steht, sondern – siehe ‚München 72 – Das Attentat‘, ‚Zivilcourage‘, ‚Mein Leben – Marcel Reich-Ranicki‘ für packendes, zeitgenössisches, gesellschaftsnahes Fernsehen“, informiert uns Joachim Huber (Tagesspiegel). In der FAZ (Seite 39) steht: „Besonders ein Bedrohungsszenario von ‚großer psychologischer Spannung‘ und ‚äußerst nahegehender‘ Inszenierung habe die spätere Ausstrahlung nahegelegt, sagte (die WDR-Sprecherin) Annette Metzinger.“ Elmar Krekeler spottet in der Welt: „Nun war der Münchner ‚Polizeiruf‘ mit Matthias Brandt ein psychologisches Meisterstück, eine hinreißende Beklemmnis, deren wahre Brutalität weniger im vielen Blut, als im Wahn lag, den sie zeigte und im Kopf auslösen konnte. Psychologischer Tiefgang und wirklicher Wahn würden einen beim Kölner ‚Tatort‘ allerdings sehr überraschen.“ Am Schluss kommt Krekeler dann noch mit einem Schenkelklopfer: „Wirklich brutal wäre es (...), wenn anstelle des Kölner ‚Tatorts‘ nach der ‚Tagesschau‘ schon gleich Günther Jauch talken dürfte (...) Das würde Menschen jeder Altersstufe gerade im Advent nachhaltig traumatisieren.“

+++ Nachfolger Michael Steinbrechers als Moderator im „Aktuellen Sportstudio“ wird Jochen Breyer. Das meldet die taz.

+++ „Kritiker wettern weiter gegen den 'Sender des Feindes', dabei gibt es hier ausgewogene und informative Berichte, die im US-Fernsehen sehr rar geworden sind“ - Kathrin Werner zieht für die SZ-Medienseite eine Bilanz der ersten Sendetage von Al Jazeera America.

+++ Einen unterhaltsamen Verriss der „Abendschau“ des RBB - der so oder so ähnlich auch über andere regionale Nachrichtenmagazinchen der ARD geschrieben werden könnte bzw. müsste - hat der Kiezneurotiker verfasst: „Ehrlich, beim RBB herrscht noch Westberliner Frontstadt-Feeling, Heile-Heile-Butschi, die Mumien sitzen in ihrem Bunker, diesem fürchterlichen Bürozweckbau in dieser windigen Ecke dieser 60er-Jahre-Freilufthölle am Westend, abgeschottet vom Dreck der Stadt, Opa Kowalke pflegt seinen Kleingarten, schimpft über die Nachbarn, die ihre Hecke auf 142 cm statt der erlaubten 140 wuchern lassen, macht ein Engelhardt-Pils auf, wählt natürlich CDU und wartet, bis es der Ami aus Flugzeugen wieder Schokolade vom Himmel regnen lässt. Und der RBB berichtet über jeden Käse, der die Argentinische Allee Richtung Krumme Lanke runterrollt, jede Ketchupflasche, die am Imbiss am U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte vom Tresen fällt und jeden Regenschirm, den Oma Erna von der Seniorenunion in der Clayallee verloren hat. Und zu alldem hat der CDU-Kreisvorsitzende von Zehlendorf immer eine Meinung.“

+++ Titanic-Chefredakteur Leo Fischer schreibt in der Jüdischen Allgemeinen über einen traumhaften Besuch in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung", wo „der beliebte Scherz- und Schmunzellyriker Günter Grass (...) seine geistige Heimat gefunden“ hat und wo ein gewisser „Dr. P.“ amtiert: Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein. Dr. P. kann davon ein Lied singen. Als leitender Redakteur von Deutschlands auflagenstärkster Qualitätszeitung muss er täglich Wichtiges von Unwichtigem trennen, Nachrichten von Hintergründen.“

+++ In der FAZ lobt Matthias Hannemann „Das letzte Wort“, Didi Danquarts heute bei arte zu sehenden „Psycho-Krimi“ mit Thomas Thieme und Shenja Lacher: „Ein im besten Sinne anstrengender Film. In den Worten ist er streckenweise kompliziert und gestelzt. Aber das ist nicht verkehrt, ganz im Gegenteil, es fordert unser Konzentrationsvermögen heraus (...) Allein die Geschichte der Marienstatue, die in der Mordnacht aus der Villa verschwand, droht den Psycho-Krimi zu überfrachten (...) Das hätte ‚Das letzte Wort‘, eine kleine Geschichte, die sich langsam auflöst, nicht gebraucht. Sie würde selbst als Hörspiel funktionieren, mit geschlossenen Augen.“ Nicht uneingeschränkt lobend, aber doch euphorisch äußert sich Willi Winkler in der SZ: „Jedes Mal, wenn sich der enge Raum öffnet, wenn die Kriminaler erscheinen oder mit Derrick-Ästhetik telefonisch Kontakt zu dem eingeschlossenen Bischof gesucht wird, wenn also die sogenannte Realität ins Spiel kommt, leidet die Dramatik, wird es spannungsgemütlich. Was im Film allein zählt, ist das Spiel der Kontrahenten. Der halbwegs versierte Zuschauer ahnt von Anfang an, welche Wahrheit sich offenbaren wird, doch folgt er der schrittweisen Enthüllung atemlos, schwitzt mit Thieme, rächt sich mit Lacher, siegt, zweifelnd, mit der Wahrheit. Mehr geht fast nicht im Fernsehen.“

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.

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