Vorläufiges Intermezzo

Vorläufiges Intermezzo

Über Funke beim Springer-Funke-Deal redet immer noch kaum einer, und wenn, nie Gutes. Das Bild von Springer nimmt durch das Geschäft neue Konturen an: Reduktion aufs Kerngeschäft, das an Papier nicht gebunden ist, sondern Lobbying meint. Außerdem: Die Radioreichweitenzahlen aus dem Land, wo Milch und Honig fließen, sind da. Und das LSR kommt ab Donnerstag. Was immer das heißt: Abmahnen kann man heute schon jeden Quatsch.

Bei der Springer-Funke-Berichterstattung wurde ja schon angemerkt, dass es so sehr um Springer und so wenig um Funke geht. Daran ändert sich heute nicht viel.

Jürgen Zurheide versucht im Tagesspiegel, den Fokus auf Funke zu richten, wo Lokalizen gerade hoch im Kurs steht:

"In den Tageszeitungen des Ruhrgebiets ist schon jede dritte Stelle verloren gegangen, der Abbau schreitet weiter voran. Aus den Korrespondenten-Büros in Paris und London hat man sich zurückgezogen, Washington wird bald aufgegeben, Düsseldorf und Berlin personell verkleinert. Die Zeitungsmacher nehmen damit Abschied von ihrem eigenen Anspruch auf eine Autorenzeitung, selbst die für einige Jahre verbannte Agentur dpa darf den Konzern wieder beliefern."

Darüber hinaus punktet Zurheide mit kenntnisreichen Synomymen, wie sie aus der Sportberichterstattung vertraut sind:

"Dass die Essener den Titel 'Westfälische Rundschau' weiterleben und die Redaktionsinhalte von anderen Blättern zuliefern lassen und dafür 120 Redakteure in die Wüste geschickt haben, ist für den Medienwissenschaftler Horst Röper typisch für das Gebaren der Essener: 'Was von der ,Rundschau’ übrig bleibt, ist ein Produkt mit Etikettenschwindel'."

Groß spielt Wolfgang Michal auf. Auf Carta zieht der Elbestädter unter der schönen Überschrift "21st Century BILD" interessante Schlüsse aus dem Großgeschäft.

"Die Reduzierung Springers auf das Kerngeschäft bedeutet in Wahrheit: höchste Konzentration auf die Kampfmaschine Bild. Springer wird sich auf das konzentrieren, was der Verlag am besten kann: Kampagne, Einflussnahme, Lobbygeschäft. Döpfner: 'Zeitungsjournalismus, egal ob gedruckt oder gesendet, braucht mehr denn je eine Haltung … ein bestimmtes Weltbild.'"

Klingt so gleich mal nicht nach diesem pseudoidealistischen Schrutz, der mit "Haltung" meistens verbunden wird in Sonntagsreden, wo dann keiner weiß, was er damit eigentlich meint.

Treffend ist auch eine andere Beobachtung Michals, die manchen verärgerten Kommentar über Springers Verlegung aufs Digitale zu erklären vermag:

"Ausgerechnet der Mann, der die anderen Verleger in die Schlacht ums Leistungsschutzrecht trieb, zuckt nun mit den Achseln. Die Verleger-Koalition der Willigen steht plötzlich da wie ein Rudel begossener Pudel, während Springer fröhlich ins gegnerische Lager wechselt. Selten ist eine ganze Branche von einer kleinen Gruppe entschlossener Veränderer so verarscht worden."

[+++] Womit wir beim Thema wären: Spaßbremse LSR. Ab Donnerstag ist es soweit, die TAZ berichtet, und nicht nur Rivva räumt schon mal die Tische und Stühle rein aus Angst vor dem drohenden Gewitter:

"Rivva lässt die Snippets deshalb jetzt jeden Tag ein bisschen mehr verblassen, bis sie am Ersten schließlich gar nicht mehr lesbar sind."

Performativer Journalismus im Internet. Außerdem werden sicherheitshalber 650 "Lokalzeitungen, Magazine und ihre Blogs" nicht mehr aggregiert.

Bei Axel Springer theirselves haben sie in Sachen Gefunden-werden-können-von-Google eine Sprachregelung gefunden, die zugleich nach selbstbewusster Drohung klingen soll. Meedia.de zitiert:

"'Axel Springer wird das Recht wahrnehmen und strebt eine Verwertung an.' Zwischen technischer Freigabe und der Klärung der rechtlichen Lage befinde man sich in einem 'Intermezzo'."

Von "Übergangsphase" ist auch noch die Rede, und wer etwa den Michal-Text noch nicht gelesen hatte, könnte sich noch fragen: Hä – Axel Springer voll so für LSR und dann den Schwanz einziehen vor dem Suchmaschinenkraken des Missvergnügens? Könnte.

Was man an der Stelle auch tun könnte – sich fragen, was eigentlich Springers ultrabeliebter "Konzerngeschäftsführer Foreign Affairs" Christoph Keese macht. Nix im Blog, seit dem 25. April; Twittern geht noch. Hat er seine Schuldigkeit getan?

Man kann sich aufs Keeses privater Internetseite in dessen Abwesenheit dann immerhin noch mal den LSR-Erklärfilm im vollschicken "Draw my Life"-Style reinpfeifen, der doch aber ein hübsches Beispiel für die Binnenkräfte von so was wie Kunst sind: Man kriegt propagandöse Verlogenheit nicht so leicht in eine überzeugende Erzählung.

Wobei das Überzeugende eben mit dem persönlichen Input und nicht mit Geschäftskalkül zu tun hat – Manniacs Überwachungsstaatsfilm erfreut sich ja großen Zuspruchs. Und unterscheidet sich schon im Tempo von Keeses Zeichentrick. Im Interview mit dem WSJ erklärt Manniac:

"Mir ist bewusst, dass ich sehr schnell spreche und wenig Pausen mache. Ich mache die Videos für ein sehr junges Publikum. Die schalten ab, wenn es zu langsam ist. Wenn man zu viele Pausen macht oder langsam spricht, dann haben sie kein Interesse mehr. Diese Erfahrung hab ich gemacht. Wenn man hingegen sehr schnell spricht, dann haben sie gar keine Zeit, abzuschalten und bleiben dran."

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Diese jungen Leute. Aufmerksamkeit will auch der Hörfunk, wobei sich Philip Kovce in der FAZ (Seite 35) verdienstvollerweise einmal mit den aktuellen Reichweitenzahlen auseinandergesetzt hat, die halbjährlich alle Rundfunksender jubeln lassen:

"Das Erstaunliche dabei: Keiner lügt. Aber natürlich ist die Wahrheit ungleich komplizierter. Die Zahlen, welche die 'MA 2013 Radio II' ausweist, führen in einen wahren Datendschungel: Es geht etwa um Verweildauer, um Durchschnittshörer pro Stunde, die Werbeträgerreichweite, um den weitesten Hörerkreis, die Bruttokontaktsumme und um spezifische Zielgruppen. Für die Sender heißt das: Wer suchet, der findet – sich als Nummer eins."

Erhoben werden die Zahlen durch Befragung, früher persönlich, aktuell am Telefon, 67.000 Interviews:

"Dabei müssen die Teilnehmer angeben, welchen Sender sie wann am Vortag gehört haben – im 15-Minuten-Takt. Jede Nennung wird also mit einer mindestens fünfzehnminütigen Hörzeit pauschal verbucht, selbst wenn ein Sender kürzer eingeschaltet wurde oder die Erinnerung des Probanden trügt. Beides ist nicht unwahrscheinlich: Denn wer weiß noch mit Sicherheit und im Viertelstundentakt, wann er gestern das Radio eingeschaltet hatte?"

Die eigentlichen Zahlen müssten also niedriger veranschlagt werden.

"'Wenn man genau messen würde, reduzierten sich die Zeiten des Radiokonsums erheblich', meint Horst Müller [Professor für Redaktionspraxis an der Hochschule Mittweida]. Festlegen will er sich da nicht, es könnte allerdings ein Rückgang bis zu einem Drittel sein."

Etwas irritierend an Kovces Argumentation ist lediglich der Hinweis, dass Fernsehquoten stabilere Erkenntnisse brächten. Damit tatsächlich belastbare Erkenntnisse darüber vorliegen, was der Leser/Hörer/Zuschauer wirklich will, müsste das Überwachungssystem so weit perfektioniert werden, dass nicht nur klar ist, wie lang wir auf welche Seite im Netz gestarrt haben, sondern was davon im Hirn tatsächlich angekommen ist.

Als ersten Schritt könnte die "MA 2014 Radio I" vielleicht schon mal von der NSA erhoben werden.


Altpapierkorb

+++ Kleiner Scherz. Sagen wir lieber dazu, weil – siehe Manniacs Film – uneigentliches Sprechen von diesen Schnüffelalgorithmen nicht so gut erkannt werden kann. Passiert auch in China, wo die Sängerin Wu Hongfei festgenommen wurde nach einem satirischen Tweet auf Weibo. Die Berliner berichtet. +++ In der Berliner schreibt überdies Birgit Walter über einen strangen Fall einer Art LSR, der irgendwie nicht dazu geeignet ist, das Ansehen des Berufsstandes aka der Branche zu verbessern. Die Musikerin Scarlett O' hatte auf ihrer Seite eine Kritik über ein Konzert von ihr veröffentlicht, für die sie nun abgemahnt wurde. Walter zitiert aus der Erklärung der Musikerin: "Da kommt jemand, der keinen Eintritt zahlt, obwohl ich ihn nicht eingeladen habe, in mein Konzert, schreibt über meine Arbeit, veröffentlicht das, verdient mit meiner Arbeit Geld und zwar, ohne daß ich das Geschriebene vor der Veröffentlichung zu Gesicht bekomme. Dieses Stück Schreiberei verschwindet nach der bezahlten Veröffentlichung in der Tagespresse in der Versenkung, interessiert niemanden mehr, sofern es überhaupt jemanden erreicht hat. Ich mache für diesen "Jemand", der keinen Eintritt gezahlt hat, auf meiner Webseite Werbung, indem ich seine Arbeit vorstelle und seinen Namen nenne und werde dafür bestraft. Ich soll für etwas bezahlen, daß ohne meine Arbeit gar nicht existieren würde. Das ist ja wohl verkehrte Welt." +++

+++ Zum Radio noch einmal zurück: Dirk von Gehlen stellt in der SZ den Sender EgoFM vor, der sich der Heavy Rotation verweigert, damit aber auch von Spotify schwer zu unterscheiden ist. +++ Ebenfalls in der SZ: Stefan Fischer spricht in der Rubrik "Das Politische Buch" (Seite 15) Patrick Conleys Darstellung "Der parteiliche Journalist. Die Geschichte des Radio-Features in der DDR", was bemerkenswert ist, weil Fischer zu dem deprimierenden Befund kommt: "So sehr das Radio der DDR in Teilen nach wie vor einen ordentlichen Ruf hat, etwa aufgrund einiger exzellenter Hörspielproduktionen: Das Feature hat dazu sehr wenig beigetragen." +++ Daneben kritisiert Joseph Croitoru überdies ein Buch über "Antisemitismus und Diskriminierungswahrnehmungen" junger Muslime in Europa. Kann auch lange geplant gewesen sein. +++

+++ In der FAZ (Seite 35) schreibt Croitoru über einen israelischen Sender, der Al Dschazira Konkurrenz machen will: "Die Programmgestaltung ist nicht nur regimenah, sondern wirkt häufig fast schon wie eine PR-Kampagne für Israel. Ob 'i24news' mit einem solchen medialen Konzept, das auf seine Art nicht weniger tendenziös ist als die viel umfassendere und deutlich kompetentere Nahost-Berichterstattung von Al Dschazira, arabische Zuschauer überzeugen wird, ist fraglich." +++ In der SZ war Sportreporter Philip Selldorf bei einem der üblichen Pressetermine am Set des Films über den prägenden jüdischen, nach 1933 geschassten Präsidenten Kurt Landauer: "Produzent, Regisseur, Schauspieler, die Fernsehredakteure und die Vertreter der Förderstiftungen, sie alle sitzen nun in dem stickigen, engen Vereinshäuschen mehr auf- als beieinander und reden mit Eifer und ehrlichem Stolz über den Film, dessen Dreharbeiten sie gerade aufgenommen haben – nur Josef Bierbichler, die Figur, um die letztlich alles kreist, bleibt dem PR-Termin fern." Lässig. +++

+++ Nicht nur in Berlin treffen sich Sky-Wirte, um gemeinsam ein Vorgehen gegen die steigenden Kosten für die Kneipenbespielung mit Bezahlsport zu planen: "Und es soll auch bald Verhandlungen zwischen Sky und dem Hotel- und Gaststättenverband geben, der die Preispolitik des Senders ebenfalls kritisiert und sich für seine Mitglieder einsetzen will." Schreibt Andreas Conrad im TSP. +++ Markus Ehrenberg befasst sich ebenda mit den rechtlichen Aspekten von Streaming. +++ Und Joachim Huber berichtet von runtergefahrener GEZ-Fahndung: "Entsprechend sind die Einnahmen aus der Gebührenfahndung 2012 auf 17,62 Millionen Euro gefallen, ein Jahr zuvor waren es noch 25,81 Millionen Euro. Der nachlassende Eifer wird vom Projektbüro mit Blick auf 2013 und die Umstellung der Rundfunkgebühren auf den Rundfunkbeitrag begründet." +++ Daniel Bouhs weiß in der TAZ, dass es beim ZDF keine eigene "Faktencheck"-Sendung geben wird: "Beim ZDF haben sie erst ein ganzes Format in Auftrag gegeben, das ihnen beim genaueren Nachdenken dann aber doch viel zu opulent ist." Immerhin soll das Format nun überall auftauchen, wohl nur nicht bei Live-Sendungen wie dem Kanzlerinnenduell: "'Aber wir werden auch hier unserem Prinzip ,Gründlichkeit vor Schnelligkeit' treu bleiben.'" Spricht einem aus der Seele, der ZDF-Mann. +++ In der NZZ wägt Manuel Puppis staatliche Förderungen für die Presse ab. +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder

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