Losglück und Kompetenz

Losglück und Kompetenz

So viel los ist in Sachen Medien auch nicht jeden Dienstag. Statt um den Fernsehfilm der Woche/des Tages/der Stunde geht's heute ans Eingemachte vom Selbstbild des Journalism.

Den "Tagessieg" (wie stern.de in Manier des Sportreporters – absurderweise über die Quoten des ARD-Tatort – sagen würde) in Sachen Auftrieb und Aufmerksamkeit holt sich die Presseplätzevergabe im NSU-Prozess.

Markus Decker berichtet in der Berliner von der Pressekonferenz am OLG in München, die die tiefen Wunden zeigte, die bisherige, sagen wir vorsichtig, Kalamitäten (siehe Altpapier) bereits hinterlassen haben:

"Gerichtspräsident Huber nämlich begann die Pressekonferenz damit, den alten Verdruss aufzuwühlen, statt ihn ruhen zu lassen. Der Unmut zwischen Stralsund und Konstanz über das erste Akkreditierungsverfahren war demnach keine berechtigte Kritik an mangelnder Sensibilität gegenüber den Opfern, sondern der Unkenntnis einer breiten Öffentlichkeit über das deutsche Rechtssystem geschuldet."

Charming und generös sind nicht die Attribute, die einem dazu einfallen, was keine Überraschung ist angesichts des wenig selbstaufmerksamen Auftritts des Münchner Gerichts bislang. Als dann die Liste des Gewinner verlesen wurde, kam es zu Reaktionen, wie Decker schreibt:

"Huber konnte es auch nicht so gut vertragen, dass während der Pressekonferenz zeitweilig Gelächter ausbrach, weil die Resultate des Losverfahrens zur Verteilung der Presseplätze beim Prozess teils ungläubiges Staunen auslösten. Anders als Gerichtssprecherin Andrea Titz schaute er säuerlich. Sie lachte einfach ein bisschen mit."

Wobei man auch nicht weiß, wofür man Titzens Mitlachen nehmen soll. Die Liste selbst (etwa hier), auf der bekanntermaßen "FAZ", "taz", Reuters, CNN oder auch die BBC fehlen, dafür aber die Oberhessische Presse Marburg, hallo-muenchen.de und Radio Lotte Weimar stehen, ist nun – bei allem, was sie noch ist – ein wunderbares Mittel zur medialen Selbstverständnis- und deutschen Presselandsbeschreibung im Frühjahr 2013. Prof-Lilienthal-Schüler sollten Seminararbeiten verfassen.

Vorgeschlagen wird folgende Gliederung der Kommentare.

Wenn man es big will, muss man es grundsätzlich meinen. Wie Thomas Schmoll auf stern.de. Der Stern gehört zwar auch nicht zu den ausgelosten, hält sich aber gar nicht erst mit Gefühlen der eigenen Niederlage auf:

"Verloren hat die Pressefreiheit."

Schmoll hat, anders als die meisten Kommentatoren, auch die leer ausgegangenen Presseagenturen Reuters oder AFP im Blick, die in Sachen Reichweite vermutlich am weitesten kommen. Der Schluss kann dementsprechend nur lauten:

"Ein demokratisches Land wie die Bundesrepublik, das bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen versagt hat, ist nicht in der Lage, allen Medien, die über den Prozess berichten wollen, einen Arbeitsplatz zu Verfügung zu stellen. Das ist peinlich."

Ob wirklich jeder der 927 (Personen) beziehungsweise 324 (Medien) Bewerber ein Recht auf einen Platz hätte beanspruchen können, sei einmal dahingestellt. 50 Plätze scheint jedoch für einen Prozess dieser Bedeutung und eine Mediengesellschaft dieser Ausprägung etwas dünn. Also doch eine Raumfrage. Es gab in diesem Land auch schon Prozesse, für die eigens Gerichtsgebäude errichtet wurden (wobei der Hinweis, man wolle keinen "Schauprozess" als Gegenargument gegen zahllose Medienvertreter im Umkehrschluss etwas aussagt über damals).

Christian Bommarius wird in der Berliner bei der Analyse des Problems ebenfalls grundsätzlich:

"Es liegt in der Übervorsicht des Oberlandesgerichts (OLG), das um keinen Preis eine erfolgreiche Revision riskieren will und sich darum weigert, die Verhandlung per Video in einen Arbeitsraum für Journalisten zu übertragen. Das Risiko, dass das Bundesverfassungsgericht die Übertragung verbieten würde, ist lächerlich gering verglichen mit dem Verdruss, den die kuriosen Versuche des Münchner Gerichts, den Platzmangel zu gestalten, in den vergangenen Wochen verursacht haben."

Am sickigsten über die Nichtbeachtung ist Springers Welt:

"Das Münchner Oberlandesgericht hat sich mit der Auslosung der Presseplätze im NSU-Verfahren keinen Gefallen getan. Medien wie 'FAZ', 'Zeit', 'taz' und 'Welt' werden von der Berichterstattung faktisch ausgeschlossen, weil Richter Manfred Götzl entschieden hat, eine Lottoshow à la '50 aus 924' statt einer sorgfältigen, nach Auflage und Reichweite orientierten Auswahl vorzunehmen. Als Staffage diente bei der Ziehung auch noch der prominente Ex-Politiker Hans-Jochen Vogel, der dieser Farce wohl einen seriösen Anstrich geben sollte."

Den Text von Per Hinrichs möchte man am liebsten auf die Couch legen, so viel verletzter Stolz, unerkannte Größe:

"Das ist eine Missachtung nicht nur der großen Medien in diesem Land, sondern auch all der Interessierten, die nun in den überregionalen Blättern die Prozessberichterstattung nicht verfolgen können."

Denn immerhin bietet das Nicht-Ausgelostwerden die Möglichkeit, der eigenen Bedeutung öffentlich auf die Schulter zu klopfen. Hinrichsens Chef, Jan-Eric Peters ventiliert in seiner eigenen Zeitung folgende Legende Sicht:

"'Der wichtigste Prozess in diesem Jahr in Deutschland, und die drei großen überregionalen Qualitätszeitungen des Landes sind ausgeschlossen, anders als etwa das Anzeigenblatt 'Hallo München' – das ist doch absurd. Wir erwägen eine juristische Klärung.'"

Die drei großen überregionalen "Qualitätszeitungen" des Landes? Hätte uns Sonntagnacht jemand geweckt und danach gefragt – wären wir auf die Welt gekommen? Nicht so sicher.

Wenn die FAZ ein Buch wäre, könnte sie sich dagegen folgenden Satz aus dem Gisela-Friedrichsen-Text auf SpOn auf den Umschlag drucken:

"Am schlimmsten traf es wohl die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung'. Schließlich gilt sie als die überregionale deutsche Zeitung, die in aller Welt gelesen wird."

Wir befinden uns in unserer kleinen Reiz-Reaktionsstudie "Journalismus und wie er sich selbst sieht" mittlerweile in der Unterabteilung "Erklärungsmuster".

Da eigene Größe als Argument nach außen nicht so geil kommt, im Schnelldurchlauf die Argumente aus den Texten der Nichtgelosten gegen das Verfahren.

In der SZ (die übers Magazin, clever enough, doch noch am Start ist) fängt Kurt Kister mit einem hübschen Witz an:

"Positiv ist eigentlich nur zu vermelden, dass es das Münchner Oberlandesgericht zum zweiten Mal fertiggebracht hat, Akkreditierungen an Journalisten zu vergeben."

Um dann dem Gericht ein antiquiertes Verständnis von Öffentlichkeit zu attestieren durch das Droppenlassen von "digital", was als Printzeitungsmacher großzügig kommt:

"Die Auslosung selbst mag verfassungskonform sein; die Art der Kontingentierung aber war falsch, und das Ergebnis benachteiligt viele drastisch. Vor allem aber: Dieses Gericht mag einen Begriff von "Öffentlichkeit" haben. Was Öffentlichkeit heute bedeutet und welche Medien, etablierte wie digitale, dazugehören, weiß es offenbar nicht."

Für die FAZ beklagt Reinhard Müller mit selben Begriff ("Farce") den fehlenden Lostopf, in den man gehört hätte (überregionale Zeitungen):

"Sondern weil es bei diesem Verfahren um eine nationale Sache im schrecklichen Sinn geht, um die Aufklärung einer Mordserie, die dieses Land als Ganzes betrifft. Darum hätte ein verständiges Gericht, wenn es schon Kontingente bildet, auch Medien mit einem nationalen Anspruch berücksichtigen müssen."

Wer in seiner Freizeit gern Bedienungsanleitungen liest oder mal Verfahrenstechniker werden soll – der FAZ-Bericht zum Thema hält (womöglich aus Fassungslosigkeit übers eigene Nichtgelostwerden) crazy Ablauflyrik parat:

"Alle Lose der Untergruppen, die in ihren 'Untergruppen' nicht gezogen wurden, kamen anschließend nochmals in den allgemeinen Gruppenloskorb."

Dritte Variante der Trauerarbeit im Tagesspiegel, wo der Chef Lorenz Maroldt offensiv zur Verletzung steht:

"Ja, wir sind betroffen, deshalb ist das hier auch – aber nicht nur – ein Beitrag in eigener Sache; und nein, wir sind nicht beleidigt, wie auch die 'Zeit' nicht und die 'Süddeutsche Zeitung' nicht und auch nicht die 'FAZ', die 'taz', der 'Stern'. Wir sind nur alle nicht dabei, und das bedeutet: Die Redakteure, die sich seit Jahrzehnten mit dem Naziterror in Deutschland beschäftigen, haben keinen Berichterstatterplatz bekommen im größten Naziprozess seit Jahrzehnten."

Dieser Naziprozess hat den längsten. Seit Jahren. Um dann, sorry, explizit Frank Jansen zu preisen in Superlativen, was sicherlich nicht falsch ist, gehört Jansen doch zu den hartnäckigsten und profilitiersten Journalisten in Sachen Rechtsextremismus.

Jansen selbst vergleicht die Ergebnisse des ersten und zweiten Verfahrens sportreporterhaft:

"Das trifft nicht nur den Tagesspiegel, der damals auf Platz 6 gelandet war, sondern auch die 'Zeit', die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung', die Illustrierte 'Stern', die 'taz' und weitere Zeitungen sowie Pressebüros. Für die 'taz' dürfte das besonders bitter sein, da das Berliner Blatt beim Akkreditierungsverfahren im März den ersten Platz erreicht hatte."

Sounds like Nordische Kombination. Oder so. Christian Tretbar schreibt im TSP den allgemeinen Text.

Ob die Teilnahme am Prozess fürs Großeganze, auf das die Blätter abheben, wirklich so wichtig ist, hinterfragt Eren Güvercin in seinen epic Twitter-Tweets. Und in diesem steckt die Ahnung eines Bildes vom Journalismus als Vierte Gewalt, das man auch haben kann (und das in der Bushido-Verwunderung, siehe Altpapier vom Freitag, auch schon mal diskutiert wurde)

"Schon vor dem Verfahren haben die 'Qualitätsblätter' nicht gerade geglänzt dabei die offizielle Version der Geschehnisse zu hinterfragen."

Qualitätsjournalismus, wenn es den überhaupt gibt, wäre also nicht nur, den Platz in der ersten Reihe sicher zu haben, sondern Dinge rauszufinden, die Gerichte noch nicht verhandeln.

Durchaus interessant sind die Leserreaktionen. Sie liegen über Kreuz. Den Zukurzgekommenen wird geraten, nicht zu jammern. In der FAZ kommentiert ein "Jaroslav Bocek":

"Als langjähriger Leser der FAZ kann ich eine gewisse Schadenfreude nicht verheimlichen. Um so mehr freut es mich für die Brigitte. Erschütternd fand ich allerdings mit welcher Häme die Verkündung der Brigitte begleitet wurde."

Auf den Seiten der Brigitte, die fix (beziehungsweise: wir waren vorher nicht auf dieser Seite) einen Text über Zschäpes Anwältin in die Lead-Gallery genommen hat, meint "rebara":

"Bitte, Platz abgeben, das machen, was man kann und für was man steht. Oder ist jetzt eine Politik-Seite geplant?"

Diese Aufforderung ist auch in den Kommentarspalten von Oberhessischer Presse Marburg oder Pforzheimer Zeitung zu finden. Verhandelt wird dort, was die Leser sich vom Lokaljournalismus erwarten:

"Was für eine OP [Oberhessische Presse] werden wir dann haben? Täglich 10 Seiten vom NSU-Prozess, dafür z.B. keine Berichterstattung mehr über Amöneburg, weil Herr Lerchbacher ausgelost wurde, nach München zu fahren?"

Schreibt der "erfahrene Benutzer" "Anders Arendt", der in einem weiteren Post – und beileibe nicht als einziger – ein Geschäftsmodell für den darbenden Journalismus erkennt:

"Lässt sich dieser Platz nicht zu Geld machen? Ich meine, was will die OP vor Ort? Mit den Einnahmen könnte die OP das, was sie angeblich kann, etwas stärken: Den Regionaljournalismus."

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Denn die spannendste Frage, die aus der Auslosung resultiert, ist natürlich, wie FAZ, TAZ und so trotzdem über den Prozess berichten werden.

Frank Jansen erkennt im Tagesspiegel zwei Möglichkeiten:

"Die Journalisten, die jetzt keinen sicheren Platz mehr haben, werden nun versuchen, in den für Zuschauer vorgesehenen Block mit 51 Sitzen zu gelangen. Dort ist es allerdings laut Pressestelle des OLG nicht erlaubt, einen Laptop mitzubringen. Die jetzt leer ausgegangenen Journalisten können aber auch darauf warten, dass aus dem Block der Medien irgendwann einzelne Kollegen herauskommen und ihren Platz räumen. Denkbar ist zudem, dass sich Zeitungen, die keinen sicheren Platz haben, in einem 'Pool' mit Journalisten zusammentun, die einen reservierten Sitz zugelost bekamen."

Jansens Chef Maroldt prophezeit noch eine dritte Möglichkeit neben dem Freiwerden durch mangelndes Sitzfleisch:

"Zwei Wetten haben gute Aussicht auf Erfolg: Einige Glückliche werden an diesem Mammutprozess schon bald die Lust verlieren; und mit einigen Plätzen wird bald ein hässlicher Handel getrieben."

Man wäre gern Mäuschen, wie es so schön heißt, was das jetzt hinter den Kulissen gesprochen und gedealt wird.

Am lässigsten von allen ist die Nummer 1 des alten Verfahrens: In der TAZ schreibt Christian Rath in größter Ruhe:

"Auch das jetzt vorgesehene Modell der nachträglichen Poolbildung ist ein Fortschritt. Medien können sich zusammentun und einen Platz teilen. Dass bei der Wiederholung der Akkreditierung viel mehr Medien als zuvor einen Antrag stellen, war abzusehen. Deshalb wäre auch eine erneute Vergabe nach dem Windhundverfahren, also nach der Reihenfolge der Antragsstellung, ein Glücksspiel geworden. Dann hätten Zehntelsekunden über die Platzierung entschieden. Wäre das wirklich besser gewesen?"

Eben. Besser wird es jetzt nicht mehr – erst recht nicht durch das Gewedel mit Klagen.

Raths Text schließt salomonischst lebensnah:

"Karlsruhe hat Anfang April ein außen- und integrationspolitisches Desaster vermieden, indem es eine Beteiligung von türkischen Medien erzwang. Diese Korrektur war nötig. Alles andere wird sich schon zurechtrütteln."

Mit anderen Worten: FAZ, TAZ und so werden Wege finden. Und die eigentliche Pointe der Auslosung – wie dieses Exposés zur Seminararbeit – wird darin bestehen, dass die Münchner Richter in ihrer Sturheit einen viel genaueren Begriff von der begrenzten Vielfalt in der deutschen Medienlandschaft haben als diese Medienlandschaft selbst: Wenn sich Madsack (OP, Lübecker Nachrichten) über zwei Plätze freut und von Verantwortung redet, ist zumindest Verhandlungsmasse für Nichtgeloste erkennbar. Und Radio Lotte Weimar vermeldet unter der schönen Überschrift "Losglück und Kompetenz", nicht den Praktikanten zu schicken.

Der Stern wird über die G+Js Brigitte im Gerichtssaal landen, die former WAZ über die Thüringische Landeszeitung, die große Welt über Bild und so weiter. Eigentlich haben die Münchner Richter also nur nahelegt, was Vielfaltsverlage wie DuMont mit ihren gleichbestückten, mantelbedeskten Blättern lange praktizieren.


Altpapierkorb

+++ Der Spiegel hat einen neuen Chefredakteur. Er heißt Wolfgang Büchner und ist 46 Jahre alt. Was Sie über den neuen Mann wissen sollten: "Büchner dürfte eher die Linie seines Freundes Blumencron vertreten, der bei seiner Abschiedsrede vor drei Wochen der Online-Redaktion sagte: Spiegel Online müsse keinem Vorbild folgen, Spiegel Online sei das Vorbild. Gemeint hat er damit die Einführung von Bezahlmodellen, über deren Erfolg es bisher herzlich wenig Gewissheit gibt." (Berliner). +++ "Andererseits hat sich Büchner weder als Blattmacher noch als Schreiber oder gar Intellektueller, dessen Stimme auch in der Politik gehört wird, einen Namen gemacht." (SZ). +++ "Ob Büchner aber auch die Führungsstärke hat, um die 1250 Mitarbeiter der Spiegel-Gruppe auf dem Verzahnungskurs Print und Online mitzunehmen, bleibt abzuwarten." (TSP). +++ Neben, außer Büchner ist: nichts. "Es gibt keinen neuen Herausgeber. Über die Konstellation mit Wolfgang Büchner als Chefredakteur und Herrn oder Frau X als Herausgeber war spekuliert worden, und es war kein Geheimnis, dass sich Jakob Augstein, Stiefsohn des Magazingründers Rudolf Augstein, hätte vorstellen können, diese Position zu bekleiden. ... Der frühere 'Spiegel'-Chefredakteur Stefan Aust hatte 2002 zum Tod Rudolf Augsteins geschrieben, dass man diese Stelle auch gar nicht mehr besetzen könne." (FAZ) +++ "Umstritten war in der Redaktion, ob ein Herausgebermodell mit Jakob Augstein, Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, funktioniert hätte. Während einige Redakteure ihn gern an der Spitze gesehen hätten, trauten ihm andere dies schlichtweg nicht zu." (SZ) +++

+++ Etwas spät, könnte man aus Sicht des Spiegel meinen, hat Maren Hennemuth für die TAZ mit dem Personalberater Frank A. Linden über Chefsuche gesprochen: "Mich hat erstaunt, dass der Prozess der Kandidatensuche offenbar nicht vor der Entlassung der beiden alten Chefredakteure begonnen hat. In gut geführten Industrieunternehmen ist dies bei exponierten Positionen gang und gäbe: Man beauftragt eine Executive-Search-Firma im Vorfeld, um diskret einen möglichst geregelten Übergang zu gewährleisten. Auch beim Spiegel-Miteigentümer Gruner + Jahr konnte man in letzter Zeit mehrfach besichtigen, wie man es besser macht." +++ AP-Autor René Martens relativiert ebenda die Fixierung auf Problemlöser in Form einzelner Menschen: "'Wob, der Baumeister', wie ihn die Medienzeitschrift Journalist einst nannte, ist aber nicht der Alleskönner, den der Spiegel laut Einschätzung mancher Medienbeobachter gebraucht hätte. Aber den gibt es ohnehin nicht. Chefredakteure waren nie Alleskönner, auch nicht in Prä-Onlinetagen, als das Aufgabengebiet eines Oberhaupts weniger multidimensional war als heute. Chefredakteure sind stets angewiesen auf Vertraute, die ihnen den Rücken in jenen Bereichen freihalten, in denen sie selbst Schwächen haben." +++

+++ Außerdem: Ursula Scheer und Michael Hanfeld warnen in der FAZ (Seite 31) vor Amazon, das jetzt auch noch das Fernsehen im Internet zu seinen Gunsten monopolisieren will. Das Online-Kaufhaus dreht Serien, allerdings nach krassem Prinzip, wie die FAZ-Rhetorik signalisiert: "Die beteiligten Produzenten und Autoren sind voll des Lobes über die Freiheit, die Amazon ihnen lasse. Die allerdings endet, wenn die Zuschauer ihr Urteil fällen. Von deren Reaktion ganz allein will Amazon abhängig machen, ob ein Stück wirklich in Serie geht. Der das herkömmliche Fernsehen dominierende Blick auf die Einschaltquote wird verabsolutiert: Trifft das Faible des Einzelnen nicht den Geschmack der Masse, ist Schluss mit lustig. So läuft das Geschäft." Thank god, haben wir Öffentlich-Rechtliche, die nur an Qualität und Bildungsauftrag denken. +++ Hans-Peter Siebenhaar macht in seiner Handelsblatt-Kolumne einen Vorschlag, wie die ARD in der Liste der mächtigsten Medienunternehmen der Welt innerhalb der Top 20 noch einen Sprung machen kann – unter Hinzunahme von ZDF und Dradio: "Zählt man die beiden Anstalten hinzu, kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland (ohne Deutsche Welle, die vom Bund direkt finanziert wird) sogar auf Platz 15 der Weltrangliste, direkt hinter Liberty Media, dem Imperium des Medien-Tycoons John Malone. Das zeigt die wahre Größe und mediale Macht des öffentlich-rechtlichen Systems. Dazu im Vergleich sehen selbst die britische BBC mit einem Umsatz von 5,9 Milliarden Euro und die italienische RAI mit Erlösen von 2,9 Milliarden Euro alt aus." +++

+++ Die ARD hat pünktlich zum Abgang von Marc Bator als Tagesschausprecher ihren Internetauftritt relauncht und sieht nicht mehr so presseähnlich aus. Eigentlich hatten wir mit klugen Analysen aus der Sicht des Typografen gerechnet, aber auf dem geschätzten Fontblog von Jürgen Siebert geht es aktuell um das, kein Quatsch, Leiden an der Lotterie. +++

Der Altpapierkorb füllt sich am Donnerstag wieder.

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