Hankee, go home

Hankee, go home

Tom Hanks' Bonmots zu Qualität und Länge von "Wetten, dass..?" kommen als PR zurück: Das ZDF verweist auf die Kleingärtnerverordnung und mancher Kommentator absurderweise aufs Nationale. Außerdem macht ZDF-Chefredakteur Peter Frey persönlich Programmteaseransagen und spricht aus Hans-Ulrich Wehler der Sachzwang des Fernsehens.

So kann man es natürlich auch sagen:

"Das ZDF, das die Kritik der Partei bereits zurückgewiesen hat, hat sich zur Kritik des Stars noch nicht geäußert. Womöglich fiele die Sache leichter, wenn sich der Mann aus Hollywood erkundigt hätte, was denn über die bayerische SPD gemacht werden soll."

Marcus Jauer macht sich in der FAZ-Feuilleton-Glosse (Seite 27) den Spaß, die, äh, Fernsehkritiken von CSU-Söder und Hollywood-Tomhanks zusammenzuschauen. Nur leider liegt die Sache wohl anders – was vor allem heißt ernster.

Im Tagesspiegel steht ein Interview mit ZDF-Chefredakteur Peter Frey, dessen Titel ("Um sieben Uhr wollen wir aufhören") leider in die Irre führt. Es geht darin nämlich gar nicht um künftige Sendelängen von Markus Lanz und "Wetten, dass..?" Sondern um das Fernsehprogramm zur US-amerikanischen Präsidentenwahl (bei dem der Unvermeidliche freilich auch vorkommen muss):

"Für das ZDF bestreitet Markus Lanz das Vorprogramm (vor dessen Gästerunde darf man immer Angst haben, an diesem Abend muss man es wahrscheinlich)."

Das steht allerdings im KSTA. Im Tagesspiegel tönt es dagegen wie PR, wenn Frey etwa ohne Nachfrage den doch etwas unvermittelten Satz sagen kann:

"Wir sind das Original und entwickeln unser erfolgreiches Konzept von 2008 weiter."

Ist das ZDF tatsächlich als erstes auf die Idee gekommen, von diesem unbedeutenden Machtgeschacher in diesem Staat hinterm Atlantik zu berichten? Die Erklärung für das wohlfeile Gerede steht als Disclosure unterm Text:

"Das Interview führte Joachim Huber. Der Tagesspiegel ist Kooperationspartner des ZDF bei der US-Wahl."

Viel Spaß dabei. Aber beim nächsten Mal bitte nicht so tun, als hätten die gedruckten Teaser vom Chefredakteur –

"Die entscheidende Frage ist: Gelingt dem ersten schwarzen Präsidenten die Wiederwahl oder scheitert er – an seinen mächtigen Gegnern, an immer noch latent vorhandenem Rassismus und seinem eigenen Politikstil, den viele als kühl und professoral beschreiben?"

– irgendwas mit Journalismus zu tun (das ist doch Journalismus, was in diesen Zeitungen steht?).

Auf Lang Lanz, vor allem auf die Kritik von Tom Hanks hat das ZDF an anderer Stelle reagiert. Die Berliner veröffentlicht einen Agenturbericht, in dem dieser Absatz steht:

"Das ZDF verteidigte sein Konzept, die Stars lange auf der Bank zu halten: 'In der Vergangenheit war ein Kritikpunkt an der Sendung, dass die Hollywood-Stars meist nur kurz auf der Couch dabei waren und damit den Eindruck vermittelten, lediglich zu Promotion-Zwecken in der Sendung zu sein', sagte ein Sprecher. 'Das neue 'Wetten, dass..?'- Konzept sieht vor, dass die Wetten im Mittelpunkt stehen und jeder prominente Wettpate eng mit seinem Wettkandidaten verbunden ist. Entsprechend waren die Anwesenheit und die Rollen von Halle Berry und Tom Hanks klar definiert. Von einer Verstimmung bei Tom Hanks und Halle Berry war auch nach der Sendung nichts zu spüren.'"

Irgendwie auch eine drollige Form der Rache an diesen unterhaltsam daherredenden Kinostars – dass da das deutsche Staatsfernsehen zurückschlägt wie der Vorsitz vom Kleingärtnerverein, in dem es einfach auf die Kleingärtnerverordnung verweist. "Das neue Konzept sieht vor" – man hätte es ja auch mit einer witzigen Bemerkung versuchen können, aber wenn man Lanz und Witz in einem Atemzug denkt, dann ist es vielleicht besser so.

Und immerhin steckt im Pochen auf die Ordnung ja auch die Einsicht in die Notwendigkeiten, denen selbst Tom Hanks nicht entkommt, auch wenn eine deutsche Perspektive – wie sie parodistisch, nee, Moment, das ist ernst gemeint, von Ulf Poschardt in der Welt performt wird – das Gefälle zwischen Hanks und Deutschland gar nicht anders verstehen als krassestes Gefälle zwischen So-was-von- und Gar-nicht-cool.

"Er [Lanz] hat einen Deutschen gemimt, von dem sich der Rest der Welt gerade fragt, ob es ihn jemals gegeben hat: hölzern, unsicher und einen Hauch zu angepasst, um charmant zu wirken. Die Blamage kommt zum falschen Moment, weil Hollywoodstars zunehmend gerne in Babelsberg filmen, mit deutschen Regisseuren arbeiten, in Berlin gerne ausgehen. Das alte deutsche Bild vom tumben Spießer erodierte dank exaltierter Diskotheken wie dem 'Berghain', Künstlern wie Jonathan Meese und – ganz aktuell – Regisseuren wie Tom Tykwer."

Bilder erodieren – da fallen uns jeden Tag drei ein, denen das so geht. Wenn es nicht so absurd wäre, würden Spaßvögel womöglich auf die Idee kommen, dass zwei verlorene Weltkriege unmöglich ausreichen können, um so kümmerlich nach Anerkennung der eigenen tiefempfundenen und so sorgsam angelernten Coolness zu lechzen.

Bitter für Poshi: Hanks scheint gar nicht so traumatisiert zu sein, dass er seine Liebe zu .de im Kleingärtnervereinsheim zurückgeben wollte. Spiegel-Online hat sein vorbereitetes "Cloud Atlas"-Premiereninterview noch fix überarbeitet. Und da sagt Hanks über den Samstagabend:

"Zwischendurch sagte der Übersetzer in meinem Ohr wörtlich nur noch 'bla bla bla'. Er hatte aufgegeben, mir erklären zu wollen, welcher berühmte deutsche Komiker gerade welchen anderen berühmten deutschen Komiker imitiert. 'Das müssen Sie jetzt nicht wissen', meinte er total trocken. Ich glaube, bis auf den Jojo-Typen wollte keiner drei, vier, fünf Stunden dabei sein. Oder wie lange dauerte das am Ende alles? Aber hey, es war trotzdem ein Spaß."

Hey, es war trotzdem ein Spaß – was immer das mit den real existierenden Gefühlen zu tun, Hanks ist ein "Proffi" (Ottmar Hitzfeld), der da auftritt (und alles durchsteht), wo das Geld seiner PR-Kampagnen ihn hinstellt.

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Insofern muss der Koalitionsschuss keine Sondernachtschicht einlegen, um zu beraten, ob Wow Lanz noch Deutschland sein darf. Vielmehr, und das sieht man an sich selbst, ist dem ZDF – in terms dieses Blöd-Zeitungs-Gepimpe (Lanzens Geschäftspartner bei der Verteilung der Gebührengelder ist Markus Heidemanns, der Bruder des äußerst beliebten Springermannes Martin Heidemanns) – ein Aufreger erster Kajüte gelungen, der als Erzählung über die zweite Sendung das Interesse für die dritte hochhält.

Oder wie Claudia Becker in Springers Welt schreibt:

"Irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass hinter seinen Bösartigkeiten Berechnung steckt. Eine Attacke wie diese, die in einem so augenfälligen Gegensatz zu dem ausgelassenen Auftritt von Hanks vor mehr als zehn Millionen deutschen Fernsehzuschauern steht, verwirrt und bleibt haften. Aufmerksamkeit aber kann Hanks, der gerade auf Promo-Tour für seinen neuen Film 'Cloud Atlas' durch Deutschland tingelt, gut gebrauchen."

Dazu würden passen, ohne das wir da jetzt eine gefakte Mondlandung draus machen wollten, dass die Files vom Hanks-Diss, wie gestern im Altpapier bemerkt, immer nur indirekt zitiert werden. Es braucht das "Original" (Peter Frey) gar nicht, weil die Maschine schon lange läuft.

Kann man auch gut an der SZ sehen, wo heute 13 Autoren über das Ende von "Wetten, dass..?" schreiben sollen, dabei aber Akzeptanz, wenn nicht Verteidigung herauskommt. So spielt Franziska Augstein, oder ist das Ironie, die Nationalkarte, auch wenn sie nicht so schwungvoll austeilt wie Poschardt:

"Angesichts der Kritik von Tom Hanks mag man sich plötzlich wie ein Chinese fühlen. In China ist es bekanntlich unabgesprochene Gewohnheit, dass man gegenüber westlichen Journalisten nicht über das eigene Land lästert. Genau diesen Effekt erzielt Tom Hanks mit seiner Kritik an Wetten, dass . . ? Wer ist der Mann, dass er meint, den Deutschen mitteilen zu müssen, wie lang ihre Aufmerksamkeitsspanne zu sein habe?"

Hankee, go home? Es ist alles sehr traurig.


ALTPAPIERKORB

+++ Da wir gerade traurig gesagt haben: Ein Mann, der eine so stolze Disziplin wie die Geschichtswissenschaft representen soll, redet über die Hitlerei im ZDF im Interview mit der FR so: "Frage: Das ZDF will ab heute die 'Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs' lüften. Die Reihe verquickt Dokumentarisches mit Spielszenen, ein übliches Vorgehen. Wie finden Sie das?" – "Mir ist die Art, wue deutsche Geschichte bei uns präsentiert wird, willkommen. Und dass diese Filme vom Publikum angenommen werden, zeigen die Einschaltquoten." Das sagt Hans-Ulrich Wehler, der nicht Redaktionsassistent von Peter Frey ist, sondern irgendwas mit Uni macht. Wozu man von solche "Experten" braucht, wäre dann immerhin eine Frage, auf die man kommen könnte durch das Gespräch. +++ Wahrscheinlich will Wehler Norbert Bolz Konkurrenz machen, der im oben erwähnten Lanz-Agenturbericht ran durfte (vermutlich war Ernst Elitz gerade auf dem Klo): "Einen 'Overkill an Prominenz' stellte der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz fest." +++

+++ Schweizer Medienstatistiker haben festgestellt: "Das Interesse an Online-News wächst." +++ Ebenfalls in der NZZ: Res Strehle macht beim Tages-Anzeiger jetzt alles. "Von Strehle erwartet Tamedia, dass er in den kommenden Monaten gemeinsam mit der neuen Chefredaktion den Aufbau der konvergenten Redaktion vorantreibt." +++ Einen Blick auf den prekären Zeitungsmarkt in Israel wirft, zum wiederholten Mal, die TAZ. +++

+++ Daniel Bouhs infomiert in der Berliner (Seite 27) über den neuen Rundfunkbeitrag. +++ Sinnloser als das Leistungsschutzrecht ist ein Leistungsschutzrecht ohne Kennzeichnungspflicht für Verlage – Marcel Weiss schreibt umfassend auf Neunetz.com. +++ Die SZ berichtet online von dem Beef zwischen Marina Weisband und der Spiegel-Journalistin Merlind Theile, bei dem es um unautorisierte oder autorisierte Zitate geht. +++ Jan Knobloch bespricht in der FAZ (seite 31) die NDR-Dokumentation "Der Schneekönig" (heute um Mitternacht) über die Geschichte eines Kokaindealers: "Am Ende geht es um einen alten Mann, den jenseits der Gefängnismauern eine Welt erwartet, die er nicht mehr versteht." +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder gegen 9 Uhr.

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