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Was der Pink Panther im Bekennervideo der Rechtsterroristen macht. Wie der MDR wirtschaftet. Was das Netzwerk Recherche ändern will

Die Bekenner-DVD der Rechtsterroristen scheint bislang nur dem Spiegel und der SZ vorzuliegen. Das Hamburger Nachrichtenmagazin hatte in seiner jüngsten Ausgabe darüber geschrieben. In der SZ rahmt heute der Auftritt der Comicfigur Paulchen Panther in dem Video den Seite-3-Text von Nicolas Richter, Hans Leyendecker und Christiane Kohl:

"Der rosarote Panther ist seit Jahrzehnten ein Liebling von Kindern und Erwachsenen, aus ihm wurde viel mehr als nur der Vorspann für Clouseau. In etlichen Zeichentrickfilmen erlebte er eigene Abenteuer, in denen zwar stets größtmögliche Zerstörung angerichtet wird, allerdings immer nur mit dem Ziel, möglichst viele Lacher zu bekommen. Dass diese leichte und so lustige Kunst- und Kultfigur nunmehr als Werbeträger für braune Sadisten herhalten muss, ist eine besonders perfide Botschaft – der Terror bemächtigt sich selbst der Symbole größter Harmlosigkeit."

Auf Welt-Online ist derweil eine Bilderschau mit zwölf Stills aus dem 15-minütigen Film zu sehen. Und Lorenz Jäger stützt in der FAZ seine Überlegungen zu der Ästhetik dieser Bekennervideos auf Ausschnitte, die in der Spiegel TV-Sendung zu sehen waren:

"Es gab keine Bekennerschreiben, weil es sie nicht geben konnte. Den Tätern muss der objektive Irrsinn ihrer Handlungen eben doch irgendwie, in irgendeinem Winkel ihres Bewusstseins, klar gewesen sein... Das einzige Bekenntnis, das angesichts dieses Wahns möglich war, konnte man in Auszügen vorgestern Abend bei Spiegel TV auf RTL sehen. Es ist ein Dokument des kichernden Irrsinns, der mordlustigen Albernheit, der infantilen Grausamkeit von ganz Erwachsenen."

Leichter zugänglich ist der interne MDR-Prüfbericht einer Kommission unter Vorsitz von Ingmar Weitemeier – Bild.de hatte das Dokument ins Internet gestellt (Altpapier von gestern). Die Attraktion eines close reading scheint allerdings nicht sehr hoch zu sein – was vielleicht auch daran liegt, dass man der Udo-Reiter-MDR-Wirtschaft grundsätzlich alles zutraut, so dass das Erregungspotential über erst im nachhinein geschlossene oder nicht unterschriebene Verträge eher gering ist.

Die SZ (heute wieder auf Seite 15, am Ende des Feuilletons) druckt einen Agenturartikel, der noch mit seiner Exklusivität wirbt ("dapd liegt der Bericht aber vor"):

"Konkret geht aus dem Bericht hervor, dass Produktionen auch ohne erteilten Auftrag oder schriftliche Verträge bezahlt worden seien. Offenbar soll es Produktionen gegeben haben, die dem MDR zu einem günstigeren Preis angeboten wurden als dann bezahlt wurde...Kritisch betrachtet die Kommission auch das Finanzanlagevermögen des MDR: Dies habe zum 31. Dezember 2010 bei 599 Millionen Euro gelegen, auf Wertpapiere entfielen 390 Millionen Euro oder 40 Prozent der Bilanzsumme. Ein Wertpapierportfolio dieser Größenordnung sei für eine Rundfunkanstalt außergewöhnlich, heißt es."

Im Tagesspiegel liefert Markus Ehrenberg in seinem kurzen Lektürebericht ein etwas konkreteres Bild der Misere:

"Offenbar soll es 15 Fälle von möglichen strafbaren Handlungen geben, heißt es. So sei das Angebotsschreiben einer Firma über mehr als 227 000 Euro nicht auffindbar."

Außerdem legt der Bericht nahe, nur bedingt verwunderlich, es scheine fraglich, ob die Führungsspitze unwissend war. Da das derzeitige Kontrollsystem Wiederholungsgefahr nicht ausschließt, fordert die Kommission:

"die schnelle Einführung einer 'Task-Force'. Zudem solle das Finanzvermögen geprüft werden."

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Kichernder Irrsinn (FAZ)##Wissende Führung (TSP)##Transparentes Netzwerk (TAZ)##Madsacks Wachsen (Berliner)##Kurswechsel bei Sky (FTD)##]]

Das neue Kontrollsystem des wegen zu Unrecht bezogener Gelder in eine Krise geratene Netzwerk Recherche (ebenfalls Altpapier von gestern) klingt – in der Darstellung von Daniel Kummetz in der TAZ zumindest – etwas hemdsärmelig:

"Kassenwart David Schraven erklärte auf der Mitgliederversammlung, wie solche fatalen Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung verhindert werden sollen: Mehrere Vorstandsmitglieder sollten Zugang zum Onlinebanking des Vereins bekommen, um die Buchungen zu kontrollieren."

Außerdem will man sich dem Transparency-International-Gedanken von der Offenlegung der Finanzen öffnen. Und sich aufs Kerngeschäft konzentrieren:

"Wir wollen dem Gründungsgedanken gerecht werden und ein Hauptaugenmerk darauf legen, Recherche durch die Vernetzung der Vereinsmitglieder zu fördern", schreibt der neue Vorsitzende Oliver Schröm in einer Pressemitteilung. Das klingt wie ein Kurswechsel: Netzwerk Recherche hat in der letzten Zeit mehrere große Konferenzen pro Jahr organisiert, an denen auch viele junge Journalisten teilnahmen. Auch sein Stellvertreter Markus Grill hatte dafür geworben, das Programm im Zweifel etwas zurückzufahren."


Altpapierkorb

+++ Eine Kehrtwende macht Björn Wirth von der Berliner bei dem Pay-TV-Sender Sky aus: "Bislang beharrte der wichtigste Geldgeber stets auf exklusive Rechte und wollte die Zusammenfassung im Free-TV so spät wie möglich sehen, doch jetzt will Sky nicht mehr auf eine größere Exklusivität gegenüber der ARD-'Sportschau' pochen. 'Wir könnten mit einer ‚Sportschau‘ um 18.30 Uhr leben', sagte Sky-Vorstandschef Brian Sullivan der Financial Times Deutschland und zeigte sich zuversichtlich." +++ Der Tagesspiegel hat ebenfalls Bernhard Hübners FTD-Artikel vom Montag aufgegriffen. In diesem erklärt sich die plötzlich entdeckte Akzeptanz der Sportschau mit der neuen Konkurrenz aus dem Internet (Telekom). Und durch das Geld: Ohne die vielen Millionen von der ARD müsste Sky für die DFL-Rechte noch tiefer in die Tasche greifen. Bei Sky schlägt die O'Sullivan-Strategie nach eigenen Angaben aber an: "Statt über einzelne Sportrechte versucht Sullivan Sky verstärkt über neue Produkte am Markt zu positionieren: So hat der Sky-Chef in hochauflösende HD-Angebote investiert und Abspielkanäle wie iPhone, iPad und die Xbox 360 erschlossen." +++

+++ FAZ und TAZ ("seit sechs Jahren findet das 2004 erstmalig in Köln ausgerichtete Publikumsfestival statt") berichten von den ARD-Hörspieltagen. Und sparen, bei Radioproduktionen eher ungewöhnlich, nicht mit Kritik: "Ein Amokschütze, fünf Tote: David Paquet schafft in '2 Uhr 14' (SR/NDR) mit Bruchstücken aus Biographien Betroffener mehr Problemwust als Problembewusstsein", schreibt Eva-Maria Lenz in der FAZ. Jan Scheper, der die Arbeit mochte, merkt in der TAZ mit Blick auf den Gewinner "Altersglühen oder Speed Dating für Senioren" des Schauspielers, Autors und Regisseurs Jan Georg Schütte an: "Ein spontanes und teilweise auch berührend tragisches Stück – eine gute Wahl. Dennoch wird man man den Eindruck nicht los, dass die Jury – Jochen Hieber (FAZ), Jens Bisky (SZ), Sigrid Löffler (freie Publizistin), Uwe Kammann (Grimme-Institut) und Theresia Walser (Autorin) – manches zu engstirnig beurteilt." +++

+++ In der SZ (Seite 15) berichtet Helmut Kerscher von einer rechtspolitischen Tagung in Köln, auf der Fragen der Netzneutralität diskutiert wurden. +++ Der Tagesspiegel stellt das Bewertungsportal getamen.com für so genannte Hipster vor, dessen Büroräume sich an traditionsreichem Ort befinden. +++ In der SZ schreibt außerdem AP-Autor René Martens über den NDR-Fernsehableger ("Landlust TV") des Bestseller-Magazin "Landlust". +++

+++ Ulrike Simon widmet sich in der Berliner nach dem Kauf der Märkischen Allgemeinen dem sechstgrößten Zeitungsverlag des Landes: "Den Namen verdankt das Haus zwar August Madsack, und noch immer sitzen Erben von ihm im weit verzweigten Gesellschafterkreis. Mit gut 23 Prozent größter Anteilseigner ist jedoch die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft, kurz DDVG. Die parteieigene Medienholding der SPD ist gemeinsam mit Mehrheitseigentümer M. DuMont Schauberg auch Anteilseigner der Frankfurter Rundschau. Madsack ist für die SPD-Kasse ein Gewinnbringer: 608 Millionen Euro Umsatz erwirtschafteten die 4300 Madsack-Mitarbeiter im vergangenen Jahr. Der Jahresüberschuss lag bei 10,7 Millionen Euro." +++

+++ Und dann das noch: Die Aufregung um den Bambi will einfach nicht abreißen. Welt-Online berichtet unter der Überschrift "Heinos Bambi wird versteigert": "Nach Heinos Bambi-Rückgabe wird die Auszeichnung zugunsten eines Integrationsprojektes für Kinder versteigert. Das habe der Burda-Verlag entschieden und per Facebook mitgeteilt, bestätigte ein Sprecher in München. 'Diese Entscheidung begrüße ich sehr. Ich freue mich, dass ich somit auch einen Beitrag zur Integration leisten kann', teilte Heino dazu über sein Management mit." Diese Integration, das muss ein Hammer-Tool sein. Gibt's das auch als App? +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder gegen 9 Uhr.
 

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