Selbstbewusst gegen Google

Selbstbewusst gegen Google

Bei der Tagesschau-App-Klage will Angela Merkel nicht vergessen, Zusagen zu machen. Außerdem: DSK im TV, Degeto mit sich selbst beschäftigt sowie der so genannte Medienmönch.

Ein Klassiker der kritischen Medienbeobachtung, wie der aufmerksame Altpapier-Leser weiß: Welt-Online haut die ersten Bilderschauen zur Wiesn raus.

Die Promistrecke macht dabei anschaulich, wofür das Fernsehen gebraucht wird: Die meisten Leute, die hier in ungewohntem Kostüm (Dirndl, Lederhosen) auflaufen, können nur deshalb wieder erkannt werden, weil sie irgendwas mit Medien machen. Das führt zu Einblicken, die der pflichtbewussten Kulturkritik Arbeit für ein ganzes Jahr verschafft: Über Effes "Believe"-Tattoo müsste im Grunde ebenso ausführlich reflektiert werden wie über dieses wahnsinnige Boris-Becker-Bild mit Beethoven im Hintergrund.

Dafür ist hier leider nicht der Platz. So kann nur in die weitere Wahrnehmung nur gerettet werden, dass doch deutlich mehr Frauen abgebildet werden als Männer (im Altpapierkorb).

Protagonistin des Tages ist aber Angela Merkel, die den im BDZV organisierten Verlegern die Freude gemacht, ihren Kongress zu besuchen. Wie der in den Zeitungen dieser Zeitungsverleger gefeatured wird, ist nun ein Stoff, mit dem Professor Lilienthal in Hamburg seine Studenten die ganze Bachelorzeit über auf Trab halten könnte.

Fragestellung: Wie geht eine Zeitung mit einer Information um, die, weil sie ihre eigenen Interessen berührt (Klage gegen Tagesschau-App), immer auch Argument im Streit um diese Interessen ist?

Am lässigsten kommt der Bericht in eigener Sache, wenn man ihn als Meldung performt. Hat zwei Vorteile: Die eigene Verstricktheit wird durch scheinbar kühle Nachrichtensachlichkeit gekontert. Zugleich kann diese Nachrichtensachlichkeit am leichtesten Erfolge feiern, weil sie so was Amtliches hat und von ihr keiner kritische Töne erwartet.

In der FAZ (Seite 39) klingt das so:

"Sie stellte eine Reform des Urheberrechts in Aussicht, mit der die Online-Angebote der Zeitungen vor gewerblicher Nutzung etwa durch Suchmaschinen geschützt werden sollen. Die Verlage verlangen seit geraumer Zeit nach einem 'Leistungsschutzrecht'. 'Private Medienunternehmen brauchen genügend Spielraum, ihre Investitionen müssen sich rechnen', sagte Angela Merkel. ARD und ZDF sollten deshalb prüfen, ob ihre Internet-Angebote auch ihrem gesetzlichen Auftrag entsprächen. 'Das ist auch bei den Smartphone-Applikationen immer wieder abzuwägen.'"

Kann man machen. Etwas ungeschickter stellt sich die FTD bei ihrer autorenlosen Meldung an, bei der man der Überschrift ("Merkel sagt Verlegern Leistungsschutzrecht zu") den Wunsch nach der Politik ansieht, die sie machen soll. Der dann im Text die empirische Grundlage dafür aber leider ziemlich rasch flöten geht:

"Auf dem Zeitungskongress 2011 in Berlin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Verlegern den Rücken gestärkt. Sie bekräftigte ihre Zusage, ein Leistungsschutzrecht zu schaffen. 'Wir haben's nicht vergessen', sagte sie am Montag vor den rund 500 Teilnehmern der Tagung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)."

Da würde man jetzt gern einen dieser in der hohen Kunst der ZK-der-SED-Exegese gestählten Neuen-Deutschland-Journalisten der achtziger Jahre befragen, ob "Wir haben's nicht vergessen" tatsächlich als "Zusage" ausgelegt werden kann. Klingt gewagt.

Auf gewisse Weise wieder ehrlich ist der Tagesspiegel, da die gut gestimmte Meldung von Sonja Pohlmann (mit dpa) auch in der Verlagsbeilage "BDZV-Kongress 2011: Chancen und Perspektiven" hätte stehen können. Schon die Unterzeile nimmt für sich ein:

"Beim Zeitungskongress zeigen sich Verleger selbstbewusst gegen Google & Co. Kanzlerin Angela Merkel spart nicht mit Vorschlägen für die Zukunft der Branche."

Selbstbewusst gegen Google, das ist die richtige Einstellung, und so klingt sie dann auch.

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Merkel sagt Verlegern zu (FTD)##Merkel sagt nichts (TAZ)##Merkel sagt nichts zu (Berliner)##]]

Den Luxus der Reflektion leisten sich nur zwei. Bei der TAZ macht Steffen Grimberg lustvoll von der Distanz Gebrauch, die sein Blatt zu klagenden BDZV-Playern hat:

"Was gibt es Lustigeres als einen Saal voller Verleger, die sich hinhalten lassen? Da war die Bundeskanzlerin leibhaftig da und sagte – nichts."

Doch, da war doch dieses Leistungsschutzrecht.

"'Wir haben's nicht vergessen', schob sie schon fast ein bisschen höhnisch nach, es werde im Rahmen einer Novelle des Urheberrechts 'vorangetrieben'. Und dann sagte Angela Merkel auch noch, 'ein völliges Allheilmittel wird es nicht werden können'."

Bemerkenswerter ist fast der Text in der Berliner von Ulrike Simon und Ralf Mielke, der sich trotz der Klage-Beteiligung von DuMont-Verlags (zu dem die Berliner Zeitung gehört) eine eigene Haltung ("Ansonsten blieb Döpfner seinem aktuellen Lieblingsthema treu") und eine solche Perspektive ("Das dürften die versammelten Verleger gern gehört haben") erlaubt.

Die Bilanz von der Veranstaltung liest sich hier nicht nur deshalb auch wie eine Aufforderung an die eigenen Chefs, auf die Qualitäten, die sie gegenüber der Politik zur Unterstützung ins Feld führen, tatsächlich zu vertrauen:

"In ihrer Rede mahnte die Kanzlerin die Zeitungen, auf Qualität zu setzen. Sie dürften sich nicht auf einen Schnelligkeitswettbewerb einlassen. Zeitungen seien das Medium der Erklärung, der Entschleunigung und der Debatten. Im Streit der Verleger mit der ARD bezog Merkel nicht eindeutig Stellung."


Altpapierkorb

+++ Dafür, dass Männer nicht so kurz kommen, sorgen sie selbst. DSK aka "Der brünftige Schimpanse" hat sich endlich im französischen Fernsehen erklärt. Jürg Altwegg hat in der FAZ (Seite 39) Theater gesehen: "Strauss-Kahn war auf alles vorbereitet, er bestimmte die Dramaturgie der Inszenierung. Tagelang muss er mit seinem mehrköpfigen Kommunikationsteam den Verlauf geprobt haben. Kein einziger Satz schien einer spontanen Regung oder Überlegung zu entspringen." +++ Stefan Ullrich in der SZ (Seite 3) auch: "Strauss-Kahn kennt die Erwartungen; und er hat sich offensichtlich mit seinen Imageberatern peinlich genau vorbereitet. Er zelebriert, mal gravitätisch, mal theatralisch, den tragischen Helden, der aus eigenem Übermut und wegen der Missgunst der Götter eine Höllenfahrt durchleidet." Von der Einschaltquote (47 Prozent) kann der Papst nur träumen. Für die journalistische Unabhängigkeit ist dieser Umstand nicht unbedeutend: "Die Moderatorin Claire Chazal stellt ihm freundlicherweise einfühlsame Fragen und wird auch nicht lästig, wenn er keine befriedigenden Antworten erteilt. Wie es der Zufall will, ist Claire Chazal eine Freundin Anne Sinclairs. Kritiker sprechen von Gefälligkeitsjournalismus." +++

+++ Wie man Männlichkeit vor dem problematisch gewordenen Mann retten kann, führt eindrucksvoll Marc Felix Serrao auf Sueddeutsche.de vor. Er tauscht einfach die Männerbilder aus – und vollzieht damit die Bewegung auf Besetzungsebene der Serie "Two and a half Man" nach: "Der, der nun übernimmt, entspricht viel eher dem Bild eines erfolgreichen Mannes. Ob das der Serie guttut, wird sich zeigen. Aber mit Kutchers Wahl – als Darsteller des bestbezahlten Männerklischees der Welt – ist der alte Typus des angesäuselten Pokneifers endgültig tot." Der Unternehmer Ashton Kutcher anstelle von Charlie Sheen: "Der eine lallt etwas von Tigerblut, der andere investiert. Der eine nimmt die Stripperin und die Pornodarstellerin, der andere ignoriert sogar die Frage danach. Das ist der Unterschied, er macht Lust auf mehr." +++ In die deutschen Brüder Fabian und Ferry Heilemann hat Kutcher nicht investiert, das haben andere gemacht, nun hat Google deren Groupon-Epigonen gekauft, und die FTD kann eine Erfolgsgeschichte schreiben. +++

+++ Apropos Erfolg: Bei der Degeto läuft's gerade nicht so, wenn wir den umfänglichen Text von Christopher Keil in der SZ (Seite 15) richtig verstanden haben. Kein Geld mehr da beziehungsweise schon "kräftig" verplant. Ursache und Lösung: ein Mann namens Wolfgang Jurgan, der seit Bettina Reitzens Jörn-Klamroth-Nachfolge als "oberster Buchhalter" gilt. "Dass er auf dieser Position so bald gefordert sein würde, war im Mai allerdings nicht erwartet worden." Und das tatsächlich in seinen eigenen Angelegenheiten? Wir checken das immer noch nicht so richtig. Nicht, dass es hier noch zu Szenen wie beim MDR kommt, der Name Udo Reiter fällt immerhin schon im Text. +++

+++ Die TAZ freut sich über "Toll", ein Magazin, in dem auch Leute mit geistiger Behinderung schreiben und das auf den Markt will. +++ Berliner und Tagesspiegel freuen sich über den MDR-Zweiteiler "Gesundheit DDR!" über das staatliche Gesundheitswesen. Hätte groß sein können, wäre die DDR nicht untergegangen. +++

+++ Eine ultimative Lobhudelei auf Bruder Paulus aka "Der Medienmönch" schreibt Lucia Schmidt in der FAZ (Seite 39). +++ Und was erlaube Richard Herzinger? Kritisiert in der hauseigenen Indira-Weis-Hendrik-M.-Broder-Battle via Welt das ZK: "Pfui, aber auch, Henryk!" Beziehungsweise: "Völlig unklar ist mir jedoch, wie man diesen durchinszenierten Klamauk mit angestrebtem Hintersinn auch nur im Entferntesten bierernst und für bare Münze nehmen kann. Das tat aber anscheinend die 'Bild'-Zeitung." Wenn man aber weiß, dass an dieser Stelle einmal "scheinbar" statt "anscheinend" richtig gewesen wäre, entpuppt sich der merkwürdige Text als unglücklicher Versuch, auch mal witzig zu sein ("Du solltest Konversation mit einer Konvertitin machen, nicht Konversation über Titten") und gleichzeitig die politische Schärfe rauszunehmen: "Nun sage ich mal, wie ich das Ganze verstanden habe." +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder ab 9 Uhr.
 

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