Beermanns Vorstellung

Beermanns Vorstellung

Patricia Riekel hat Scharpings Sturz nicht gewollt. Etwas weniger skrupulös als der Journalismus gibt sich die Politik: Beim MDR und der KEF zeigt die CDU, wer Herr im Hause des staatsfernen Rundfunks ist

"Ein Fall fürs ZDF-Hauptprogramm", tönt es aus Michael Hanfelds Kritik (FAZ, Seite 35):

"Wenn das Gespräch vorbei ist, hat man mehr gelernt als nach einem Jahr ARD-Talkshows – ein klassisches Interview, das einem vorkommt, als sei es noch nie dagewesen."

Und was? "Wie tickt...?" heißt die sechsteilige Interviewreihe, mit der Stephan Lamby heute auf ZDFneo Premiere hat (22.30 Uhr). Einziger Gast, als hätte er seinen Küppersbusch gelesen, ist Patricia Riekel, die Chefredakteurin der Bunten.

"Er fragt, höflich und nett, nach all den Dingen, die den Boulevardjournalismus kennzeichnen. Er provoziert Antworten, die abwiegeln, aber verräterisch sind."

Ob dazu diese Antwort gehört, die der Tagesspiegel referiert?

"So reflektiert Riekel, wie weit ihr Einfluss geht. Hätte sie beispielsweise gewusst, dass die Fotos von Rudolf Scharping mit seiner damaligen Freundin im Pool das Karriereende des Bundesverteidigungsministers auslösen, wären die Bilder nicht auf dem 'Bunte'-Titel erschienen."

Was so eine Behauptung mit Reflexion zu tun hat, müsste dann doch mal erklärt werden. Interessanter noch ist aber, welchen medialen Trick 17 Riekel im Gespräch verrät:

"Entscheidender sei aber nicht, über wen die 'Bunte' berichte, sondern: 'Die größte Macht, die man hat, ist jemanden totzuschweigen', sagt Riekel."

Die Frage, warum davon nicht öfter Gebrauch gemacht wird, führt direkt zum MDR. Nach Diemut Roether in epd Medien beschreibt nun Steffen Grimberg in der neuen Funkkorrespondenz, wie staatsnah das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Sachsen ist.

"Der Chef der Dresdner Staatskanzlei, Johannes Beermann (CDU), ist der oberste Strippenzieher beim MDR....Dass ein 'Spiegel'-Artikel, als dessen Kronzeuge wiederum Johannes Beermann die Hauptzitate beisteuerte, die MDR-intern favorisierte Justiziarin Karola Wille im Vorfeld mit ihrer DDR-Biografie in Misskredit zu bringen versuchte, passt ins Bild. Und auch das kennt man von früher."

Da würde man doch gern eine Ethikkommission unter Vorsitz von Patricia Riekel zum Spiegel schicken, um herauszufinden, warum sich das einst stolze Nachrichtenmagazin zum Büttel von Strippen ziehenden Staatskanzleichefs machen.

Die Wahl des von Beermann vom Verwaltungsrat des MDR favorisierten Kandidaten Bernd Hilder am 26. September darf derweil als gesichert gelten: Bislang wäre eine Kandidatur gescheitert gewesen, wenn die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im MDR-Rundfunkrat nicht erreicht würde. Aber wie Grimberg berichtet wurden die Regeln rechtzeitig geändert:

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Wie Patricia Riekel tickt (TSP)##Die Abhängigkeit des MDR (FK)##Die Abhängigkeit der KEF (TAZ)##Indira Weis durchschaut Henrik M. Broder (Bild)##]]

"In Punkt 9 der Tagesordnung für den 26. September heißt es nun zur Intendantenwahl, 'im Interesse der größtmöglichen Rechtssicherheit sollte der Rundfunkrat zu Beginn von TOP 9 beschließen, dass mehrere Wahlgänge durchgeführt werden können'. Ein weiterer Wahlgang 'könnte insbesondere dann in Frage kommen, wenn die notwendige Mehrheit knapp verpasst wird', ist da weiter zu lesen. Was nichts anderes bedeutet, als dass wie schon im Verwaltungsrat so lange abgestimmt werden soll, bis das Ergebnis – passt."

Hat ja schon im Verwaltungsrat bei Hilders Nominierung geklappt:

"'Erst nachdem die fünf CDU-Mitglieder im Verwaltungsrat in Einzelgesprächen auf Linie gebracht wurden, ging die Wahl fünf zu zwei für Hilder aus. Die SPD stellt zwei Mitglieder im Rat', spottete die 'Mitteldeutsche Zeitung' aus Halle."

Der MDR ist aber nicht der einzige Darling im öffentlich-rechtlichen Verbund. In der TAZ schreibt Steffen Grimberg gleich noch über den Strippenzieher Peter Müller (CDU) angesichts einer Neubesetzung des saarländischen Postens Gebühren-Ermittlungskommission KEF:

"Auf dem Saar-Ticket läuft derzeit der Kölner Rundfunk- und Verfassungsrechtler Karl-Eberhard Hain. Ein ausgewiesener Experte - noch, muss man wohl dazu sagen. Denn Hain hat für Rheinland-Pfalz bzw. die SPD die Klageschrift in Sachen ZDF geschrieben und kommt dort zu dem Schluss, dass in den Gremien des Zweiten viel zu viel Politik steckt. Und jetzt soll der unbequeme Hain nach taz-Informationen auf ausdrücklichen Wunsch des Saarlandes ab 2012 nicht mehr in der KEF mitrechnen."

Als Nachfolger ist Norbert Holzer im Gespräch, der als Verwaltungsdirektor bei SR auch Vorsitzender der ARD-Finanzkommission war - also das Geld bekommen hat, das die KEF ihm und seinen Kollegen zuerkannt hat.

"Das verhält sich zur völligen Unabhängigkeit der Expertenkommission ungefähr so wie Peter Müller zur medienpolitischen Keuschheit. Müller wird übrigens Richter am 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Das ZDF-Verfahren wird allerdings beim 1. Senat verhandelt - so viel Enthaltsamkeit muss dann schon sein."

Ja, haben denn Leute wie dieser Müller oder dieser Beermann überhaupt keinen Anstand? Wofür sind die eigentlich in der CDU?

Lamby, bitte fragen Sie.


Altpapierkorb

+++ Interessanter Ermittlungsansatz aus Frankreich: Dort werden Journalisten abgehört, was dann wiederum zu Entlassungen von Politikern führt, die Informationen weitergeben: "Die Pariser Untersuchungsrichterin Sylvia Zimmermann hat herausgefunden, dass der Inlandsgeheimdienst sehr wohl einem Le-Monde-Journalisten hinterherspioniert hat. Er ließ sich von der französischen Telecom die Handy-Verbindungsdaten des Journalisten Gérard Davet geben. So kamen die Fahnder dem Beamten im Justizministerium auf die Schliche", berichtet Stefan Ullrich in der SZ (Seite 17). +++ Constanze Kurz erklärt in ihrer "Maschinenraum"-Kolumne in der FAZ (Seite 34) anschaulich metaphorisch, wie unsicher das Internet ist. +++ Helmut Schümann plaudert im Tagesspiegel zwei "Geheimnisse" von Springers heißem Blatt aus. +++ 

+++ Silke Burmester erinnert in der Berliner ob des letzten Tages der legendären Verner-Panton-Spiegel-Kantine an den Journalismus alter Prägung: "Es war die Zeit, als Schreiben und Alkohol in hochprozentiger Allianz ineinanderflossen, als Frauen vornehmlich als Sekretärin oder Servicekraft das Haus betraten, Augstein zusammen mit Günther Gaus Genscher und Brandt zur sozialliberalen Koalition überredete und in den Hauseingängen - glaubt man den alten Spiegel-Recken - dem Liebesspiel gehuldigt wurde." +++ Sonja Pohlmann erzählt im Tagesspiegel am Beispiel Steven Gätjens von Medienkarrieren jüngeren Datums: "'Sicher habe ich damals gedacht: ,Wo bin ich hier bloß gelandet?’. Aber aus Futterneid habe ich lieber alles moderiert, was ich angeboten bekommen habe, als es anderen zu überlassen', sagt Gätjen." +++

+++ Die Karriere von Wolfgang Herles schildert, eher deskriptiv, Joachim Huber auf der "Meinung"-Seite (sic) des Tagesspiegel. +++ Der Grund: Herles macht jetzt die Büchersendung des ZDF – und auf damit auf Denis Scheck, indem er das titelgebende "blaue Sofa" überall hinkarren lässt. Sabine Vogel in der Berliner: "Um Ilija Trojanow mit seinem neuen Roman 'Eistau' vorzustellen, wurde das Wohnzimmermöbel auf einen Gletscher geschafft. Spektakuläre Naturaufnahmen! ... Mit sorgenvoller Miene fragt Wolfgang-ich-schreibe-auch-Herles sodann den klimabewegten Romancier: 'Ist dieser Gletscher noch zur retten?' Wenn nicht so viele Fernsehteams hinkämen – vielleicht." +++ In der TAZ kommt Anna Stommel zu dem Schluss: "Radikale Objektivität umfasst eben auch simple emotionale Abneigung." +++

+++ Chapeau, Meedia.de, da ist mal wieder ein dicker Fisch ins Netz gegangen. Christopher Lesko, der bekanntlich eine Coaching-Bude namens Leadership Academy betreibt, deren Eigenwerbung sich anhört wie die eigene Parodie ("Unsere Arbeit fördert ein Mindset, welches die Übernahme von Verantwortung als zentralen Wert begreift: Statt aus der Kommentatorenkabine 'das Spiel zu analysieren', kann 'auf dem Platz das Tor geschossen' werden"), sowie eine Pferdeakademie ("Die Kompetenz macht den Unterschied"), die sich ausnimmt wie die Parodie auf eine Coaching-Bude – Christopher Lesko hat mal wieder zugeschlagen und ein großes langes Gespräch mit einer der, sagen wir den Pferden zuliebe, Leader-Figuren des Medienbetriebs geführt, in dem er als Fragesteller rüberkommt, dessen Mindset sich auf Augenhöhe befindet, wie es unter uns Coachern heißt. Der öde Schrutz wird dann an Meedia.de vertickt, die auch noch "Exklusiv" drüber schreiben, dabei hat man das pseudowitzige Zeug, das Lesko mit seinen kecken Fragen ("Dann passt die Einleitung der unvollendeten Frage ja: ohne Ihnen unangemessen schmeicheln zu wollen…") Martin Sonneborn, sagen wir den Pferden zuliebe, entlockt, schon tausend Mal gelesen. +++ Kann man auch für Satire halten: In der Welt empört sich "mk" wie in einer Mischung aus biederer Weinerlichkeit und hilfloser Verachtung über Indira Weis, die es gewagt hat, Hendryk M. Broder zu kritisieren: "Auch zur eigenen Person scheint Frau Weis ein Faible für Verschwörungstheorien zu haben. Denn von Broder, dessen Texte auch auf 'Welt-Online' Furore machen, fühlt sie sich 'falsch dargestellt und komplett verarscht'...'Am Ende bist du die Nutte, lieber Henryk, der sich für ein bisschen mehr Quote prostituiert', schreibt sich Indira in Rage, aber da sie 'Größe besitze' (geistige wohlgemerkt), verzeihe sie Broder, dem sie nebenbei Altersdemenz unterstellt und ihn im 'Bild'-Interview als 'Pseudo-Intellektuellen' bezeichnet." Wenn man Weisens Text liest, wundert man sich eigentlich nur, wie jemand, der so klug ist, überhaupt sich auf diesen Broder-Quatsch einlassen kann. +++ Edo Reents widmet sich in seiner FAZ-Sprachkolumne ("Für alle Fälle Reents", Seite 31) heute dem Wort "artig". +++

Neues Altpapier gibt's Montag wieder gegen 9 Uhr.

 

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