270 Millionen Euro in bar

270 Millionen Euro in bar

Bei der WAZ-Gruppe sollen die ewigen Streitereien zwischen den Erben durch Auszahlung der einen Seite gelöst werden. Versuch eines Überblicks

Das ist ein Hammer, anders kann man es nicht sagen.

Ekkehard Müller-Jentsch berichtet auf Sueddeutsche.de:

"Eine 26-jährige Münchner Friseur-Rezeptionistin ... [war] an der Seite der Moderatorin Gundis Zámbó ... sie beim Aufgalopp zum Audi Generation Award abgelichtet worden. Und just dieses Foto hatte eine Münchner Boulevardzeitung als schmückendes Beiwerk zu einer weniger appetitlichen Story ausgesucht: Die Zámbó habe ihren Ex auf Unterhalt für die 16-jährige Tochter Greta verklagt - das Foto sollte angeblich Mutter und Tochter zeigen. Diese peinliche Verwechslung war einer Klatschfoto-Agentur passiert, die ihre Bilder schlampig beschriftet hatte. Die Redaktion hatte das ungeprüft übernommen."

Die 26-jährige Office Desk Managerin aus dem Frisörshop hatte daraufhin geklagt auf Schmerzensgeld, 1500 Euro – schließlich sei sie von Kolleginnen und Kundinnen (sic) gehänselt worden als vermeintliche Zambó-Tochter.

Um einen etwas höheren Betrag geht es nun aber beim Aufreger des Tages: 500 Millionen Euro bietet die eine Hälfte der WAZ-Erben der anderen.

Das Manager-Magazin, das die Geschichte publik gemacht hat, nennt als Grund für das Angebot eine gewisse Malaise in der Führung der WAZ-Gruppe:

"Im Regionalzeitungsgeschäft nach wie vor eine Macht, spielen die Pressebarone von der Ruhr weder im Fernsehen noch im Internet oder bei überregionalen Zeitungen eine Rolle. An der Finanzkraft hatte es selten gelegen, wohl aber an den mühsamen Findungsprozessen, die sich häufig im Nichts verliefen. Seit Jahren versucht man vergeblich, die gegenseitigen Blockaden zu lösen und einen Aufsichtsrat mit verbrieften Mitwirkungs- und Informationsrechten einzusetzen, auch an der Umwandlung in eine börsenfähige KGaA wurde gearbeitet. Doch die Modernisierungs- und Reformprozesse geraten immer wieder ins Stocken."

Das sich daran etwas ändern könnte, weiß die FAZ (Seite 17):

"Nach Informationen dieser Zeitung, die einen Bericht der Online-Ausgabe des 'Manager Magazins' bestätigen, soll das Geschäft schon in den nächsten vier bis acht Wochen über die Bühne gebracht werden."

So tönt es auch aus der Mitteilung des Anwalts Andreas Urban, aus der in der SZ Christopher Keil zitiert:

"Petra Grotkamp, schreibt Urban in schnörkellosem Deutsch, 'hat den Mitgliedern der Familie Brost das Angebot gemacht, den 50-prozentigen Anteil der Familien Brost an den Gesellschaften der WAZ-Gruppe zu erwerben. Über die wesentlichen Bedingungen des Erwerbs wurde (. . .) Einigkeit erzielt.'"

Der Kaufpreis wird laut FAZ von "Branchenkennern" als hoch eingeschätzt, der Umsatz der WAZ-Gruppe, dem drittgrößten deutschen Verlagshaus, betrug zuletzt 1,1 Milliarden Euro.

"Zur Gruppe gehören regionale Tageszeitungen wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung oder die Westfälische Rundschau. Sehr profitabel werden die Zeitschriften des Unternehmens geführt (Gong, Die Aktuelle, Echo der Frau, Frau Aktuell)."

Wozu die Übernahme in Zeiten kriselnder Geschäfte gut ist, wird man sehen. Die Hauptaufgabe besteht zunächst darin, nicht den Überblick zu verlieren im Namensgewirr der handelnden Personen.

Aus Sicht des geneigten Gotha-Lesers ist die dynastische Performance der WAZ-Gruppe eher underwhelming, was mit Adoptivkindern und Töchtern, die in Ehen ihren Mädchennamen opferten, zu tun hat.

Versuchen wir unser Bestes. Das Angebot stammt von Petra Grotkamp "(67)" (Manager-Magazin), die eine Tochter des WAZ-Mitgründers Jakob Funke (konservativ) ist. Petra Grotkamp ist in zweiter Ehe mit Günther Grotkamp verheiratet "(84)" (MM), der lange Jahre WAZ-Verlagschef war und mit dem Brost(und nicht Funke, wie die FAZ schreibt)-Adoptivsohn Erich Schumann "in den achtziger und neunziger Jahre die Expansion der WAZ-Gruppe vorangetrieben" (MM) hat. Nach gelungenem Deal künftig eine größere Rolle spielen sollte wohl der Grotkamp-Sohn aus erster Ehe, Niklas Jacob Wilcke (FAZ und MM nennen ihn Nikolas).

Ergangen ist das Angebot an die drei Enkel des WAZ-Mitgründers Erich Brost (sozialdemokratisch). Deren genaue Namen spielen in den Beiträgen aber keine Rolle. Schließlich haben die Brosts und die Funkes auch noch Geschäftsführer im operativen Geschäft, Schröders einstigen Kanzleramtsminister Bodo Hombach "(59)" (MM) (Brost) und den einstigen G+J-SZ-Springer-Mann Christian Nienhaus (51) (unser Bild).

"Während Hombach als Vertreter der im vergangenen Jahr verstorbenen Verlegerwitwe Anneliese Brost mit unbehelligter Gelassenheit vorgehen konnte, hatten sich unter den drei Funke-Töchtern verschiedene Strömungen entwickelt, die teilweise zu Verwirbelungen geführt haben."

Schreibt das Manager-Magazin. Der Anwalt der Brosts, der das Angebot nun prüft, ist übrigens Peter Heinemann, Sohn des einstigen Bundespräsidenten Gustav Heinemann.

[listbox:title=Die Artikel des Tages[WAZ-Gruppe vor dem Verkauf (MM)##Ein unglaubliches Angebot (SZ)##Sag zur Abschiebung alles richtig (TAZ)##]]

Back to the Funkes. Die beiden Schwestern von Petra Grotkamp heißen Renate Schubries "(74)" (MM) und Gisela Holthoff, die im Sommer im Alter von 83 Jahren verstorben ist. Gisela Holthoffs Stiefsohn Stephan Holthoff-Pförtner hatte sich wiederum bei Brosts Witwe und zweiter Frau Anneliese, die letztes Jahr verstarb, 85 Millionen Euro geliehen, um seinerseits Bruder Frank auszubezahlen.

Da Holthoff-Pförtner und Grotkamps Günther in "Dauerfehde" liegen – Grotkamp "bestreitet gerichtlich den Erbanspruch von Holthoff-Pförtner, weil der ein Adoptivsohn und kein Blutserbe sei" –, wie die FAZ schreibt, kann als eine Nebenwirkung die Lösung des Holthoff-Pförtner Problems gelten. Die FAZ:

"Wie immer dieser Erbstreit ausgehen wird, die Position von Holthoff-Pförtner, sei es als Gesellschafter oder Vertreter seines Bruders, wird nach dem Zukauf von 50 Prozent der Gruppe durch Petra Grotkamp nun marginalisiert."

Auch hübsch ist dieser Satz aus der FAZ:

"Die Finanzierung des Geschäfts stellt Petra Grotkamp dem Vernehmen nach ebenfalls vor keinerlei Schwierigkeiten: 270 Millionen Euro werden in bar bezahlt."

Der kritische Gotha-Leser muss allerdings einwenden: Mit etwas stringenteren Heiratspolitiken wäre das alles nicht passiert. Gundis Zambós angebliche Tochter weiß also durchaus, wogegen sie sich wehrt. Auch wenn ihrer Klage nicht stattgegeben wurde.


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+++ "Dreileben" ist durch und noch warten wir auf die Quote. Heute abend gibt's dafür "Plötzlich fett!" auf Sat.1, eine Bodyswitch-Komödie. Klaudia Wick findet sie in der Berliner "launig", stört sich an der "Moral", lobt aber die "pointenreichen Regie von Holger Haase und der Spielfreude von Diana Amft und Sebastian Ströbel". +++ "Für das, was der Film sein will, macht 'Plötzlich Fett!' seine Sache gut", schreibt Verena Friederike Hasel im TSP. +++ Jan Freitag stellt in der SZ (Seite 15) grundlegendere Überlegungen zum Thema Dicksein an. +++ Nur Daniela Zinser hat in der TAZ die Nase voll: "Denn eigentlich, sagt Diana Amft, ist es doch nur wichtig, dass man sich wohlfühlt. Kalorien zählen mache nicht froh. So viel Gewese soll man also gar nicht darum machen? Genau. Und auch keine solchen Filme mehr." +++

+++ Für die FAZ (Seite 35) schreibt Peer Schader über die Arbeit an der Castingshow X-Factor auf Vox, die auch eine Erklärung Daniela Katzenbergers als Phänomen durch den Chefredakteur des Senders enthält: "'Daniela ist kein Trash – denn sobald Sie ihr zuhören, wie sie die Welt sieht, wie sie über die Menschen denkt, dann merken Sie, dass sie sehr treffsicher Gedanken ausspricht, die viele Zuschauer selbst haben.'" +++ Wer die Daniela Katzenberger unter den Formaten des "TV Lab" bei ZDFneo ist, muss sich noch zeigen. Wiederum Peer Schader diskutiert mit Community mögliche Kandidaten für dauerhaftere Ausstrahlung im FAZ-Fernsehblog. +++ In den Niederlanden läuft auch gerade so eine Testphase, in der sich eine Show präsentiert, die die Abschiebepraxis von Migranten persifliert. Tobias Müller berichtet in der TAZ. +++ Auch bei ZDFinfo ist Mitmachen vorgesehen, Joachim Huber informiert im Tagesspiegel. +++

+++ In der SZ (Seite 15) legt Claudia Tieschky den Streit um die upcoming Haushaltsabgabe fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen dar. Ein Solidarmodell. +++ Wohin unsolidarische Modelle führen, zeigt Paul Ingendaay anhand der Radioberichterstattung über den spanischen Liga-Fußball, in dem jeder Verein seine Medienrechte selbst verhandelt, was zu dem abwechslungsreichen Meisterschaftswettbewerb zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona geführt hat. (Seite 35) +++

+++ Andrea Jeska berichtet in der Berliner von einer Zeitung in einem kenianischen Flüchtlingslager. +++ Der Tagesspiegel weiß, dass der RBB keine Elefantenrunden vor der Wahl veranstalten wird. +++

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