Zwei Halbbrüder

Zwei Halbbrüder

Es ist der Tag, an dem Rolf Töpperwien und Mark Zuckerberg gemeinsam in den Zeitungen auftauchen. So ein Tag kommt nicht oft, da muss alles andere - Wikileaks, Alice Schwarzer und Jan Fleischhauer - etwas kürzer kommen.

Welche zwei Männer sind das?

1.) Machen was mit Medien.
2.) Haben von Haus aus lockiges Haar.
3.) Männer in Badelatschen sind ihnen nicht fremd.

Richtig.

Für eine Kolumne, die davon handelt, worüber die Kolleginnen und Kollegen aus den Medienressorts und den umliegenden Büros schreiben, gibt es wahrscheinlich kaum etwas Schöneres als das, was gerade passiert ist: Eine Laune des Schicksals hat dafür gesorgt, dass Rolf Töpperwien (Foto?) und Mark Zuckerberg (Foto!) gleichzeitig zum Thema werden.

Der Kinofilm "The Social Network" von David Fincher (Trailer bei YouTube), der am 7. Oktober in Deutschland anläuft, handelt von der Entstehung Facebooks und den daran beteiligten Personen - also auch von Mark Zuckerberg, der als Gründer firmiert, bekanntlich gerne mit Badelatschen ins Büro geht, und im Film, wie Claudius Seidl in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreibt, "weniger böse als kalt" sei,

"nicht unbedingt so verschlagen, rücksichtslos und gemein, wie es ihm seine Gegner bescheinigen. Sondern nur so sozial inkompetent und desinteressiert, so sehr beschäftigt mit dem schnellen Datenverkehr der Gedanken in seinem Kopf, dass er einfach keine Ahnung hat, wie das geht: nett zu sein zu dem Mädchen, das nett zu ihm ist".

Die NZZ ist ein wenig weniger genau und nennt den Film-Zuckerberg einen "verunsicherten Trottel (...), dem nicht zu trauen ist".

Wie auch immer aber Zuckerberg im Detail wegkommt, "(m)an wird ihn", schreibt Spiegel Online, im Nachklang "für einen genialen, aber extrem egomanischen Typ halten, der seinen besten - und einzigen echten - Freund opfert, um ein Milliarden-Imperium zu schaffen." Dass Mark Zuckerberg sich dem New Yorker für ein ausführliches Porträt öffnete, kann man sicher als vorbeugende Maßnahme verstehen, genau wie seine Millionenspende, die ihm dieser Tage eine Einladung zu Oprah Winfrey einbrachte, wovon der Tagesspiegel im Zuckerberg-Porträt erzählt.

Jordan Mejias hat allerdings für die FAZ (S. 31) Stimmen und Geschichten aus den USA zum Film zusammengefasst und schreibt, es gehe hinter den Kulissen letztlich um mehr als nur um Zuckerberg:

"Die Firma Facebook mag den Film überhaupt nicht. Was niemanden überraschen wird, denn es geht nicht bloß darum, ob Zuckerberg ein netter oder fieser Kerl ist, ob er beim Aufbau von Facebook Freunde ausgetrickst und ihre Ideen geplündert hat, um in wahnwitzig kurzer Zeit ein Imperium aufzubauen, es geht um ein Milliardengeschäft und seine künftige Entwicklung. Die Filmkritiker, die bisher viel Gutes zu sagen hatten, spielen dabei keine große Rolle. Das Publikum, so war zu lesen und zu hören, werde den Ausschlag geben. Strömte es in die Kinos, müsste Zuckerberg die Arglosigkeit, die er jetzt an den Tag legt, fahrenlassen. Ein Hit zwänge Facebook dazu, öffentlich zurückzuschlagen."

[listbox:title=Artikel des Tages[Zuckerberg im New Yorker##Zuckerberg im Tagesspiegel##Töpperwien in der FAS##Wikileaks in der BLZ##Willi Steul in der Funkkorrespondenz]]

Rolf Töpperwien ist, anders als Zuckerberg, vom alten Schlag. Einer von denen, deren Kopf noch mitkommt, weil sie nicht den ganzen Tag multitasken: "Ich kenne keine Computer, keine E-Mail, keine iPods, ich speichere alles im Kopf, eigne mir aber bestimmtes Wissen gar nicht erst an, um Platz offen zu halten für Fußball", hat er dem Kölner Stadt-Anzeiger erzählt.

Töpperwien war am Samstag beim ZDF-Sportstudio zum letzten Mal im Einsatz - "Der Vielfach-Rollenbesetzer, Nervensäge, Kultfigur, Ranschmeißer, Sprachrohr der Bratwurst-Fans, man kann sich’s aussuchen", schreibt Frank Bachner im Tagesspiegel.

Volker Weidermann von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, für die er über Töpperwiens - WTF? - Autobiographie schreibt, nimmt den Ranschmeißer:

"Auf Vorwürfe, die ihn sein Reporterleben lang begleiteten, er sei ein Schleimspurreporter ohne Distanz zu Ereignis und Leuten, reagiert er – wieder in der dritten Person von sich schwärmend, offensiv: 'Der Habitus des grundsätzlich kritisch eingestellten Reporters blieb ihm während seiner ganzen Karriere fremd.' Das ist zurückhaltend ausgedrückt. In Wahrheit ist das Buch seines Lebens der Bericht einer mühsamen Annäherung an seine bewunderten Stars."

Weshalb ihm der oben zitierte Stadt-Anzeiger vorhält, "viele" hielten diese Vermischung von Reporter- und Fanwesen für "unprofessionell". Töpperwien aber sagt uns: "Nein: wenige! Viele sind die Abermillionen, die mir 37 Jahre mit Begeisterung zugehört haben, tausende von Briefen schreiben und meine Lesungen stürmen."

Darauf der Stadt-Anzeiger so: "Würden Sie sich dennoch als Sonderling beschreiben?"

Und dann Töpperwien so: "Harry Valerien hat mir mal gesagt, wer König der Kantine werden will, soll 08/15-Berichte machen. Und wenn Sie so weitermachen, werden Sie die meisten in der Redaktion gegen sich haben. Ich bin stolz drauf, dass es so gekommen ist. Mein Zuspruch beim Zuschauer, beim Gebührenzahler ist weit größer als in der Redaktion. Wer will denn Normalität?"

Zuspruch von Zuschauern. Kein Zuspruch von Leuten, die den ganzen Tag nichts anderes machen, als darüber nachzudenken, ob Zuspruch gerechtfertigt wäre - das hatten wir gerade schon einmal bei einem anderen Herrn. Auf der Amazonenseite von Töpperwiens Buch ist dieser Gedanke schon als empirische Tatsache formuliert: "Kunden kaufen diesen Artikel zusammen mit 'Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen' von Thilo Sarrazin".

Wer mag, möge Zusammenhänge herstellen. 


Altpapierkorb

+++ Rolf Töpperwien, Mark Zuckerberg, wer fehlt für ein Triumvirat? Jan Fleischhauer, Spiegel-Redakteur und Autor des Buchs "Unter Linken". Sein Film, der bei Spiegel TV lief, sorgte am Wochenende für die eine oder andere Reaktion. Der Tagesspiegel schreibt: "'Ich habe die Linke immer bewundert', versichert Fleischhauer im Film. Er begründet das mit 35-Stunden-Woche, Biojoghurt und Patchwork-Familie. Aber er will sich nur lustig machen." +++ "Um ihm die Grundthese abzukaufen, dass die Linke in Deutschland alles beherrscht", schreibt Stefan Niggemeier in der FAS (S. 34), "müsste man auch, wie er, den 'Spiegel' für ein linkes Magazin halten." Schauen wir auf den Spiegel-Titel. Was steht da? "Hartz IV: Die Lebenslügen des Sozialstaats". Das ist links, im Sinn von es steht auf dem Titelblatt links unten +++

+++ Mehr Facebook? Die FTD deutete dieser Tage schon mal an, was ganz unabhängig von "The Social Network" das Facebook der nahen Zukunft für die deutsche Medienlandschaft bedeutet: "Mit seinen 500 Millionen Mitgliedern entwickelt sich Facebook zusehends zum ernsten Google-Konkurrenten. (...) Die deutschen Verlagshäuser reagierten auf den Trend kürzlich mit der Ankündigung, mit Facebook - ähnlich wie mit Google - über eine Beteiligung an Erlösen zu sprechen, die mit Medieninhalten innerhalb des Netzwerks generiert werden. 'Facebook wird für die Verlage in den kommenden zwei Jahren eine ähnliche Bedeutung erlangen wie Google', argumentierte der Verlegerverband VDZ." +++

+++ Die FAS (S. 33) über die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen und Alice Schwarzer: "Im Kachelmann-Prozess kommt es nun zum Showdown". Harald Staun schreibt: "Es ist ein Unterschied, ob man sich für 'die Opfer' einsetzt oder ein konkretes, mutmaßliches. Gerne verweist Schwarzer auf Studien, welche die extrem geringe Zahl von Falschanzeigen im Bereich der sexuellen Gewalt belegen sollen, angeblich höchstens fünf Prozent. Aber soll man deswegen Urteile im Einzelfall aufgrund von Statistiken fällen statt von Verhandlungen?" +++

+++ Was ist los bei WikiLeaks? Der Spiegel hat den deutscher Sprecher, der Gründer Assange sowie die Intransparenz kritisiert, im Interview (S. 190 f.) , BLZ und SZ berichten +++

+++ Suzanne von Borsody im ZDF (20.15 Uhr), in "Ein geheimnisvoller Sommer" - der meistbesprochene Film des Tages, etwa in der FAZ (S. 35), der SZ (S. 17) und der Berliner Zeitung, die den Film stellvertretend einigermaßen missraten findet, aber von Borsody (die vom Tagesspiegel interviewt wird) lobt: "Gar nicht auszudenken, wenn diese Aneinanderreihung von psychologischen Klischees und dramaturgischen Behauptungen von einem x-beliebigen Personal hätte gespielt werden müssen. Man kann Suzanne von Borsody nur dafür bewundern, wie sie ihre Rolle mit Konturen des wahren Lebens ausstattet, wie sie aus einem pathetischen Dialog mit Großaufnahme dann doch noch herzzerreißende Szene machen kann." +++

+++ Der ZDF-Intendant verdient 299.000 Euro. "Nur noch der Hessische Rundfunk und das Deutschlandradio halten die Intendantengehälter geheim", schreibt die FAZ (S. 35) +++ Was verdient Deutschlandradio-Intendant Willi Steul? Dieter Anschlag, der ihn für die Funkkorrespondenz interviewt hat, hat ihn nicht gefragt. Dafür, neben den ganzen sachlichen Fragen, das: "Was schaut der Radio-Intendant im Fernsehen am liebsten?" Antwort: Vor allem Arte, aber auch ARD, ZDF und die Dritten Programme. Warum war das eigentlich so klar? +++

+++ Bild steigt nicht nur mit Frank Schirrmacher gegen die Kanzlerin in den Ring, sie baut auch den Nachfolger auf +++

+++ Der Letzte macht das Licht aus, sagte Rolf Töpperwien +++

Das Altpapier meldet sich am Dienstag wieder.

 

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