AfD – die christliche Alternative für Deutschland?

Landtagswahlkampf der AfD in Sachsen
Foto: dpa/Jan Woitas
Landtagswahlkampf der AfD in Sachsen
AfD – die christliche Alternative für Deutschland?
Nach ihrem Erfolg bei der Europawahl 2014 zieht die Alternative für Deutschland (AfD) in zwei weitere Landtage ein: Thüringen und Brandenburg. Ist die AfD eine Partei für konservative Christen? Aussagen von AfD-Mitgliedern zur Familien- und Migrationspolitik decken sich mit Überzeugungen Evangelikaler. Doch wo verläuft die Grenze zu rechtsnationalem Gedankengut?

Es sei eine bösartige Unterstellung der Medien, die Alternative für Deutschland nicht nur als evangelikal, sondern gleichzeitig als rechtsnational bezeichnen zu wollen, sagt der Parteivorsitzende Bernd Lucke*. "Wir haben Grundsatzbeschlüsse der Partei, dass wir uns von jeder Form der Ausländerfeindlichkeit oder Islamfeindlichkeit oder des Antisemitismus abgrenzen. Das wird einfach nicht zur Kenntnis genommen."

Lucke wehrt sich auch gegen Behauptungen, wie sie etwa in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung aufgestellt wurden, dass seine Partei ein Sammelbecken für Evangelikale sei. Er selbst gehört der reformierten Kirche in Hamburg an, die wiederum eine Gliedkirche der EKD ist. Seine AfD sei die Partei der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes in der Mitte der Gesellschaft.

Ist die AfD zunächst nur zur Rettung des Euro gegründet worden, so ringt sie nun um ein Parteiprogramm, das alle gesellschaftlich-politischen Themen umfasst. Die AfD in ihren vielfältigen und zum Teil widersprüchlichen Äußerungen politisch einzuordnen, fällt von außen immer noch schwer.

Der besorgte Bürger - "ein klassisches rechtspopulistisches Motiv"

Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht durchaus eine gewisse Nähe zur NPD. Mit rhetorischen Mustern wie "das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen" oder die Stilisierung der eigenen Opferrolle bewegten sich beide Parteien in ähnlichen Denkmustern, sagte Funke jüngst im ARD-Hörfunkprogramm. So weit will sein Kollege Carsten Kochschmieder von der Freien Universität Berlin nicht gehen, aber er entdeckt in der AfD durchaus auch rechtspopulistische Stereotype.

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"Da gibt es den Widerspruch zwischen dem Volk, das homogen gedacht wird, und den Politikern, den Eliten. Das Volk wird von oben bedroht und die Politiker vertreten nicht mehr unsere Interessen. Auch die Faulen, die Ausländer, die Muslime bedrohen uns. All das findet man in der AfD", sagt Kochschmieder.

Die AfD sehe sich weniger als Partei, sondern eben als "Alternative für Deutschland". Selbst AfD-Chef Bernd Lucke bezeichne sich weniger als Politiker denn als besorgten Bürger, der sich für die Interessen anderer Bürger einsetze, was als ein klassisches rechtspopulistisches Motiv zu werten sei. "Genau so redet Lucke über Ausländer als Bodensatz und über entartete Demokratie", erklärt Parteienforscher Kochschmieder.

Übergroße Betonung der Familie

Solche Töne kommen auch in der rechten Szene vermutlich gut an - und sie irritieren. Denn die AfD bekennt sich in ihrer Präambel zu den "Wertegrundlagen des christlich-abendländischen Kulturkreises". Das bedeutet vor allem die starke Betonung der traditionellen Familie. AfD-Spitzenkandidatin Beatrix von Storch*, Mitglied der nordelbischen Kirche, setzt sich etwa für die steuerliche Entlastung der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie ein. Auch positioniert sie sich als Abtreibungsgegnerin, staatliche Bevormundung und für eine stärkere Erziehung der Kinder in den häuslichen vier Wänden.

Parteienforscher Kochschmieder glaubt, dass sich in der AfD gerade auch Evangelikale und konservative Katholiken wohl fühlen. Die starke Betonung der traditionellen Familie ziehe sie geradezu an: "Konservative fühlen sich aktuell in der CDU nicht mehr zu Hause. Die CDU ist unter Angela Merkel in die Mitte gerückt, sie ist moderner geworden, sie hat die Wehrpflicht und die Atomkraft abgeschafft. Sie hat also sehr viel konservatives Tafelsilber verschleudert. Dass es beispielsweise jetzt diese Vätermonate gibt, zeigt, dass die Rolle der Frau als Mutter in Frage gestellt wird."

Ist die AfD also nun doch die christliche Alternative für Deutschland? Annette Schulder aus dem Landesvorstand Niedersachsen ist Beauftragte für die Gründung einer bundesweiten Arbeitsgruppe Christen in der AfD, die in einigen Landesverbänden bereits besteht. "Sehr viele Christen sind an uns interessiert, weil wir sehr wertebezogen arbeiten. Es gibt sehr viele Christen, die ganz offensichtlich auch in der Union keine Heimat mehr haben. Wir sind die christlichste Partei, die in ein Parlament kommt", sagt die junge Baptistin.

Rechtspopulistische Stereotypen

Ebenso wie Lucke und von Storch ist Schulder eine entschiedene Abtreibungsgegnerin. Sie unterstützt etwa auch den "Marsch für das Leben", der regelmäßig vor die Parlamente zieht, um für den Schutz des ungeborenen Lebens zu demonstrieren: "Der Schutz des Lebens, das ist etwas, was normalerweise Christen verbindet. Insofern wollen wir unbedingt mit evangelischen und katholischen Christen, mit Landeskirchlichern, mit Freikirchlern zusammenarbeiten", sagt Schulder.

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Zu der starken Betonung eines christlich-bürgerlichen Familienbildes kommt die Ablehnung alternativer Lebensformen hinzu. So sagt etwa der katholische Religionslehrer Tilman Matheja, der für den bayrischen Landesverband in der AfD-Programmkommission mitarbeitet: "Der Begriff Ehe ist für mich etwas christlich Geprägtes und somit einfach nicht auf Homosexuelle anwendbar. Es gibt viele Meinungen in der AfD, die sagen, Steuervorteile sollten an Kinder gebunden sein. Auch Verheiratete ohne Kinder sind für die Gesellschaft ähnlich 'unproduktiv' wie homosexuelle Paare ohne Kinder."

Diese starke Betonung des klassischen Familienbildes und die Ablehnung anderer, auch homosexueller Lebens- und Elternkonstruktionen passt für den Berliner Parteienforscher Carsten Kochschmieder zu rechtspopulistischen Stereotypen, in die AfD-Vertreter immer wieder verfallen.

"Bernd Lucke findet in Interviews Schwule mal nett, später dann aber wieder nicht, fühlt sich dann aber wieder in den Medien missverstanden. Die Botschaft, die sich dahinter verbirgt, lautet: Selbst die CDU setzt sich heute für Schwule ein, aber wer was gegen Schwule hat, der kann die AfD wählen", meint Kochschmieder.

Volksabstimmung über ein Minarett

Die AfD sei eine junge Partei, die sich noch finden und in vielen Punkten erst definieren müsse, sagt der Parteienforscher. So gebe es in ihr sowohl konservative als auch von der FDP enttäuschte liberale Kräfte, wobei letztere sich allmählich zurückzuziehen schienen.

Ein Lackmustest der künftigen Ausrichtung sei eben auch, wie sich die Alternative in Deutschland als christlich-konservativ durchdrungene Partei künftig zum Islam in Deutschland positionieren wird, sagt Parteienforscher Carsten Kochschmieder: "Bernd Lucke hat ein Papier an die Parteimitglieder verschickt, dass man den Islam tolerieren müsse. Andererseits steht im AfD-Programm in Sachsen, dass der Bau einer Moschee mit Minarett erst durch eine Volksabstimmung genehmigt werden müsse, was eindeutig diskriminierend ist. Die spannende Frage wird sein: Wer setzt sich am Ende durch, wo geht die Reise hin?"

*Bernd Lucke und Beatrix von Storch sind im Mai 2014 ins Europäische Parlament gewählt worden, Anm. d. Red.

Dieser evangelisch.de-Artikel erschien erstmals am 28. März 2014 im Vorfeld der Wahl zum EU-Parlament.