Bischof Meister: Biblische Gebote auf unsere Zeit übertragen

Bischof Meister: Biblische Gebote auf unsere Zeit übertragen
Atomare Endlager oder die Auswahl von Embryos? Dazu sagt die Bibel nichts. Ehescheidung, Homosexualität, Rolle der Frau, Bewahrung der Schöpfung? Dazu sagt sie nicht genug. Darum müssen biblische Gebote "kritisch aufgenommen" und in unsere Zeit übertragen werden, sagt Hannovers Landesbischof Ralf Meister.

Die Zehn Gebote und die Bergpredigt bleiben nach Ansicht von Landesbischof Ralf Meister die maßgeblichen Quellen evangelischer Ethik. Sie markierten Grenzen für einen bindungslosen Gebrauch von Freiheit. "Nicht alles ist machbar", sagte der Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers am Mittwoch in Frankfurt am Main. Meister sprach auf dem Jahresempfang des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer über evangelische Orientierungshilfen zur ethischen Urteilsbildung.

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Bischof Meister warnte allerdings davor, in ethischen Streitfragen vorschnell biblische Bezüge zu gebrauchen. Von der Frage eines atomaren Endlagers oder Problemen embryonaler Auslese und vorgeburtlicher Diagnostik stehe nichts in der Bibel. Über Ehescheidung, Homosexualität, die Rolle der Frau und den Umgang mit der Schöpfung finde sich nur so viel, dass es für ein begründetes ethisches Urteil nicht ausreiche.

Der tiefe Unterschied zwischen den Lebenswelten der Bibel und hochkomplexen Gesellschaftssystemen sowie ökonomischen Prozessen dürfe nicht leichtfertig heruntergespielt werden. "Es geht nicht um eine Kopie biblischer Gebote, sondern um eine kritische Aufnahme und Übertragung auf die Situationen unserer Zeit", fügte der Theologe hinzu.

Das Gebot der Nächstenliebe ist "tief verankert"

In die Debatten in Ethik-Kommissionen brächten die Kirchen ihre Erfahrungen und Deutungen aus dem Leben Jesu und der biblischen Botschaft ein, sagte Meister. Das biblische Gebot der Nächstenliebe, zu dessen Nachahmung die Kirchen ermunterten, sei tief in die "Landschaft der Barmherzigkeit und des Mitgefühls unseres Landes" verankert.

Die meisten ethischen Fragen haben Meister zufolge nur vordergründig materielle Aspekte. Im Blick etwa auf die Tragfähigkeitsgrenzen der Erde sei ein Mentalitätswechsel gefordert. Dabei müsse ausgelotet werden, welche Grenzen nötig seien, um ein Überleben der Menschheit auf dieser Erde zu sichern, ergänzte der Theologe.

Der 1966 gegründete Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer sieht sich als Bindeglied zwischen Kirche und Wirtschaft. Er setzt sich unter anderem für ethisch begründetes und sozial verantwortliches Handeln in der Marktwirtschaft ein. Zu den Mitgliedern gehören neben Unternehmern auch Wirtschaftswissenschaftler, Rechtsanwälte sowie Führungskräfte von diakonischen Einrichtungen und Kirchenbanken. Vorsitzender ist Peter F. Barrenstein.