TV-Tipp: "Kanzlei Liebling Kreuzberg: Nachbarschaftshilfe"

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28. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Kanzlei Liebling Kreuzberg: Nachbarschaftshilfe"
Anwältin Talia Jahnka kriegt Besuch aus ihrer Vergangenheit, die sie eigentlich lieber vergessen wollte. Und ihre Kanzleipartnerin Lisa Liebling legt sich für ihre Mitarbeiterin Frau Hagenbruch ins Zeug, die in einem Knebelkredit steckt und droht, ihre Wohnung zu verlieren.

Ganz gleich, ob Drama oder Krimi: "Schatten der Vergangenheit" funktioniert als Handlungsmotor immer, schließlich gibt es im Leben jedes Menschen Dinge, auf die er nicht stolz ist. Das muss gar nicht die gern zitierte "Leiche im Keller" sein; manch’ ein Lebenslauf wird geschönt, indem bestimmte Phasen einfach nicht erwähnt werden.

Das gilt auch für Talia Jahnka, die Kanzleipartnerin von Lisa Liebling: Ihre Vita beginnt erst mit dem Jurastudium; als habe es die Zeit zuvor nicht gegeben. Selbst ihre langjährige Sekretärin stellt fest, dass sie im Grunde nichts über die Chefin weiß. Das ändert sich, als eines Tages Sarah Busch in die Kreuzberger Kanzlei schneit: Talias Jugendfreundin hat kürzlich die Tanzschule "Takt & Tempo" eröffnet und nun erheblichen Ärger mit einem Mann, der während des Unterrichts über ein leicht erhöhtes Podest gestolpert ist und sich den Knöchel gebrochen hat. Weil die Versicherungssperrfrist noch nicht abgelaufen ist, muss Sarah für die entstandenen Kosten selbst aufkommen, aber sie hat sämtliche Rücklagen in die Tanzschule investiert.

Hätte diese Ebene des insgesamt dritten Films mit Luise von Finckh als Enkelin von Robert Liebling (Manfred Krug) und Gabriela Maria Schmeide als ihre erfahrene Kanzleipartnerin Talia nicht mehr zu bieten, wäre die Geschichte kaum der Rede wert, selbst wenn sie noch einige unerwartete Wendungen mit sich bringt. Interessant wird die Angelegenheit, als besagte "Schatten" auftauchen:

Sarah wirft ihrer einstmals besten Freundin vor, die Vergangenheit zu verleugnen, als die beiden zu Schulzeiten Pläne für eine gemeinsame Zukunft geschmiedet haben. All’ das hat Talia nach der "Wende" hinter sich gelassen; inklusive Sarah (Ulrike Krumbiegel). Dass Schmeide (geboren in Bautzen) wie auch Krumbiegel (Ost-Berlin) und Christian Kuchenbuch (Wittenberg, er spielt Talias Mann) in Ostdeutschland aufgewachsen sind, mag aus Publikumssicht nicht weiter wichtig sein, trägt aber seinen Teil zum authentischen Spiel bei.

Das Freitagsdrama heißt jedoch nicht "Schatten der Vergangenheit", sondern "Nachbarschaftshilfe". Der Titel bezieht sich auf Lisas Mandat: Am späten Abend geistert eine alte Dame durch die Kanzlei. Frau Hagenbruch (Cornelia Heyse) hat sich früher um Post und Pflanzen gekümmert, wenn die Kanzlei geschlossen war, und immer noch einen Schlüssel. Als Lisa sich mit ihr unterhält, zeigt sich recht bald, dass der Witwe ein typisches Altersarmutsschicksal droht: Erst war sie Mutter, dann hat sie in der gemeinsamen Blumenhandlung gearbeitet und schließlich den dementen Gatten gepflegt.

Die Finanzen waren stets Sache ihres Mannes, und weil er vor seinem Tod einen viel zu hohen und angeblich völlig risikofreien Kredit aufgenommen hat, steht Frau Hagenbruch nun vor einem Schuldenberg, den sie mit ihrer kümmerlichen Rente unmöglich tilgen kann. Mit der Miete ist sie ebenfalls in Rückstand; daher muss sie womöglich auch noch aus der Wohnung ausziehen, in der sie seit Jahrzehnten lebt.

Das Drehbuch stammt wie schon bei den zwei bisherigen Filmen von Andrej Sorin, diesmal nach einer Idee von Eva Lia Reinegger. Beide Fälle haben ihren jeweiligen Reiz, wobei Talias Engagement aufgrund ihrer persönlichen Verwicklung naturgemäß etwas fesselnder ist, zumal sie gegen ihr ehernes Prinzip der professionellen Distanz verstößt: nie Privates mit Beruflichem vermengen!

Lisa hat ohnehin einen ganz anderen Arbeitsansatz und will sich wie einst ihr Opa um jene kümmern, die bei Auseinandersetzungen mit Behörden, Unternehmen oder Banken keine Chance haben. Auf dieser Ebene würzt Sorin die Handlung mit kleinen Krimi-Elementen: Die junge Juristin glaubt, dass Frau Hagenbruchs nur bedingt geschäftstüchtiger Gatte über den Tisch gezogen worden ist, kann das aber nicht beweisen. Angesichts der Sorgfalt, die Sorin bei den juristischen Details hat walten lassen, wirkt der Bluff, mit dem Lisa die Bank schließlich von einer gütlichen Einigung überzeugt, allerdings ziemlich unglaubwürdig.

Regie führte diesmal Petra K. Wagner, deren Inszenierung jedoch ähnlich beschaulich und unaufgeregt ausgefallen ist wie die Arbeit des Kollegen Andreas Menck zuletzt bei "Bewährungsprobe". Einziger offensichtlicher Unterschied ist eine etwas andere Pastellfarbgebung: "Nachbarschaftshilfe" wirkt deutlich bunter. Für Tempo sorgt allein die Musik. Die beiden Hauptdarstellerinnen sind dagegen nach wie vor sehenswert, gerade auch in Kombination mit dem Dritten im Bunde, selbst wenn Kollege Cem (Emre Aksızoğlu) diesmal keinen eigenen Fall bearbeiten darf.