Im Frühjahr dieses Jahres hat mir mein Kollege Frank Muchlinsky Ihre E-Mail weitergeleitet. Darin berichteten Sie von Ihrem künstlerischen Werk, in dem Sie 14 Kreuzweg Stationen thematisiert haben, aus der Sicht und dem Erleben einer Frau…
Ilonka B.: Ja, ich bin damals am Gründonnerstag ganz zufällig in Magdeburg auf dieses Straßentheater-Projekt "Mahl ganz anders" gestoßen und fand es sehr interessant. An verschiedenen Plätzen der Stadt stellten 13 Akteure das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci nach. Ich war fasziniert, sprach Pastor Muchlinsky an und erzählte ihm von meinen ganz eigenen 14 Kreuzweg-Stationen. Er bat mich damals, ihm mehr Details zu senden, was ich dann tat.
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
In der Kunst wurde oder wird der Kreuzweg meist von Männern thematisiert, daher hat mich die Sicht einer Frau zu diesem Thema sehr beeindruckt. Zumal ich der Ansicht bin, dass Frauen oft nicht über ihren persönlichen Leidensweg sprechen, geschweige denn diesen malerisch umsetzen. Warum haben Sie dieses Thema in Ihren Werken aufgegriffen?
Ilonka B.: Bevor ich den "Kreuzweg" schuf, habe ich mich immer schon kreativ mit meiner Umgebung auseinandergesetzt: Menschen, Illustrationen, Interpretationen, mit Landschaften oder Architektur. Ich habe verschiedene Drucktechniken ausprobiert und mit Materialen experimentiert.
Nie hatte ich mir vorgestellt, dass ich einmal mit so schwerer Thematik wie diesem Leidensweg konfrontiert werde. Probleme in Skizzen oder kunsttherapeutischer Selbsterfahrung aufzuarbeiten, war mir geläufig: oft habe ich zeichnerisch Situationen verarbeitet, die ich erlebte und es mir so leichter gemacht, Lösungen zu finden.
Durch das Sichtbarmachen und die Konfrontation damit konnte ich einiges klären und für mich akzeptieren. So kam mir irgendwann der Gedanke, auch dieses schmerzvoll Erlebte in einen Zyklus zu formen und aufzuarbeiten.
Bei unserem ersten Treffen haben Sie mir zudem von Ihrem Leben erzählt, was mich fasziniert hat, da Sie in meinen Augen ein kreativer Tausendsassa sind…
Ilonka B.: Danke für das Kompliment, das ist sehr nett. In der Tat habe ich verschiedene Bereiche studiert: von Pädagogik über Kunst, Grafikdesign, Kunsterziehung und Erwachsenen-Pädagogik bis hin zur Kunst- und Gestaltungstherapie. Bis auf einen Bereich habe ich alle Studiengänge abgeschlossen und immer nebenbei gearbeitet. Nach der Geburt meiner drei Kinder schaffte ich sogar noch die Verbeamtung als Grundschullehrerin.
Mit Religion und Spiritualität beschäftigen Sie sich schon seit längerem. Sie sind auch in den Benediktinerinnen-Orden eingetreten. Was veranlasste Sie dazu?
Ilonka B.: In meiner Jugend rebellierte ich stark, nahm nicht am Religionsunterricht teil und trat aus der Kirche aus, weil ich nichts damit anfangen konnte, keinen Glauben fühlte. Das änderte sich erst mit 25 Jahren, als ich schwer angeschlagen von meinem vielen rastlosen Suchen nach Glück im Äußeren endlich begann, nach innen zu suchen, mit dem Weg der Meditation.
Zu meiner Überraschung erlebte ich nach einiger Zeit durch eine Erleuchtungserfahrung, dass es Gott gibt, seine Liebe, und wir ein Teil davon sind. Ich verstand plötzlich, was Religion will, wurde vom Saulus zum Paulus. Es war so gewaltig: auf einmal verstand ich religiöse Lehrer, Lehren und Philosophen. Ich trat also wieder in die Kirche ein und versuchte zunächst, ganz besserwisserisch andere zu missionieren. Aber die Euphorie legte sich allmählich und floss in meinen Alltag ein.
"Ich traf damals sicher die richtige Entscheidung, denn ich hörte den Ruf Gottes"
Ich begann, ganz konsequent in einer spirituellen Gruppe zu leben und besuchte verschiedene Gemeinschaften in Deutschland bis hin zu offenen Glaubens-WGs. Letztlich entschied ich mich für die evangelische Kommunität der Missions-Benediktinerinnen, die eine "Zweigstelle" mit Teestube im Brennpunkt München-Schwabing unterhielt. Ich lernte wunderbare, eigenständige Frauen kennen, die im Berufsleben standen und nur zum Gebet den Habit anlegten. Ich traf damals sicher die richtige Entscheidung, denn ich hörte den "Ruf Gottes".
In der evangelischen Kirche bin ich geblieben, auch nach dem Austritt aus der Kommunität. Mein spirituelles Bewusstsein umfasst auch andere Religionen und Lehren. Schön finde ich das Gleichnis von einem Brunnen, dessen Wasserspeier alle unterschiedlich sind und das Wasser in dementsprechenden Formen herausfließt, aber alles aus der einen Quelle stammt – aus und von Gott.
Spiritualität, Kunst und die Arbeit als Lehrerin – das würde schon das Leben vieler Menschen ausfüllen. Doch Sie halfen auch beim Umbau und Aufbau einer Familienimmobilie und eines Gutshofes in Sachsen-Anhalt mit?
Ilonka B.: Im Rahmen der Wende bekamen wir eine Familienimmobilie in Sachsen-Anhalt zurück, wir zogen dorthin und mein Mann übernahm Abriss-, und vor allem Aufbauarbeiten an dem Apotheken, Ärzte- und Wohnhaus. Danach suchten wir mit einem christlichen Meditationsverein zusammen einen Gutshof im Osten, den wir als Anlaufstelle für Kurse, Tagungen und Wohnungen nutzen wollten.
Nach einem ersten Scheitern wurde das Konzept angepasst und wir haben den Gutshof Kehnert gefunden, der jetzt eine Anlaufstelle ist für Urlaub mit sanftem Tourismus, für stimmungsvolle Hochzeiten in einer Festscheune. Wir bieten auch Räume für Seminare, Workshops, Kurse und Retreats. Die Fensterbögen der Ruine neben dem "Schloss" haben wir restauriert, sodass ein historisches Ambiente erhalten blieb. Dort bieten wir ein kulturelles Ambiente mit Blick auf den magischen Park mit Steinkreis und Reitplatz. Rund um unseren Gutshof kann man Natur pur erleben, die Elbauen und ein See sind nicht weit.
Bei meinem Besuch des Gutshofes konnte ich Ihr Lebenswerk besichtigen, denn alle Ihre Bilder sind dort ausgestellt. Man sieht Selbstportraits, aber auch Skizzen von Freunden, der Familie und von Unbekannten. Was mich aber am meisten fasziniert hat, waren die individuell gestalteten Zimmer des Gutshauses – die Gäste werden förmlich mit Kunst beschenkt…
Ilonka B.: Nachdem ich fast mein ganzes bisheriges Lebenswerk in diesem Gutshof dauerhaft ausstelle, kam mir bei der Gestaltung von sechs Zimmern die Idee, jedes nach einem anderen Maler zu benennen und mit einem seiner Bilder zu verzieren. So habe ich ein bekanntes Bild des jeweiligen Künstlers kopiert, aber mit meinen eigenen Elementen ergänzt.
So hängt zum Beispiel im Rembrandt-Zimmer "Der Mann mit dem Goldhelm", aber mit dem Gesicht meines Mannes. Im Piloty-Zimmer wiederum hängt ein Bild von König Ludwig mit geändertem Konterfei. Es gibt auch ein Böcklin-, Monet- und Degas-Zimmer und eine Klimt-Suite. Zeichnungen, Drucke und kleine Bilder von mir, die dem Stil des jeweiligen Malers entsprechen, runden die Deko ab.
Für Ihre Werke benutzen Sie aber nicht nur Leinwand und Pappe, sondern auch die Leinen der Aussteuer Ihrer Großmutter. Gibt es dafür einen besonderen Grund?
Ilonka B.: Als wir nach der Wende in die Familienimmobilie zogen, fand ich dort noch mit original blauem Band geschmückte Aussteuer: wunderbar gewebte Leinen-Handtücher boten sich direkt an zum Bearbeiten mit Farben und Stiften, für Motive aus dem Harz.
Schon immer habe ich ständig Skizzenblöcke bei mir, um Erlebnisse meiner Reisen festzuhalten… Eindrücke aus Italien, Griechenland, Tunesien, Frankreich und Spanien, aber auch Österreich und Deutschland. In London entwickelte ich dann die "Window-Pictures": Zeichnungen von Londoner Motiven auf transparentem Papier, mit einem Bleirahmen, die ich im Camden Market ausstellte und verkaufte.
Ende November stellen Sie nun in Berlin aus. Der Titel der Ausstellung "Wie Phönix aus der Asche – Der Kreuzweg aus Sicht einer Frau" ist ganz bewusst gewählt: Was erwartet die Besucher?
Ilonka B.: Die Parallele zum klassischen Kreuzweg kam mir in den Sinn, als ich Situationen erlebte, die mich an einige der Stationen des Kreuzwegs erinnerten, so wie das "Kreuz auf sich nehmen", das "Zum Tode verurteilt werden", das "Der Kleider beraubt sein, um die gewürfelt wird" und letztendlich das "Am Kreuz sterben".
Andere Szenen ergänzte ich aus dem Leben Jesu, wie den Einzug nach Jerusalem, das letzte Abendmahl, den Judaskuss oder wie Pilatus seine Hände in Unschuld wäscht und die Soldaten Jesu den Essigschwamm reichen... Die Bilder werden sicherlich teilweise verstörend wirken auf den Besucher, aber die Serie endet mit etwas sehr Positivem: der Auferstehung – wie Phönix aus der Asche.
Die Ausstellung "Wie Phönix aus der Asche – Der Kreuzweg aus Sicht einer Frau" läuft bis zum 12. Dezember in der Galerie Bottega Barone in Berlin. Bei der Vernissage am 29. November um 18 Uhr ist die Künstlerin anwesend.



