Der Bundestag hat am Freitag den Weg für den neuen Wehrdienst frei gemacht. Die Regelung sieht ab 2026 eine Musterungspflicht für junge Männer und das verpflichtende Ausfüllen eines Fragebogens vor.
Der Dienst selbst bleibt freiwillig. 323 Abgeordnete stimmten nach Angaben des stellvertretenden Bundestagspräsidenten Omid Nouripour (Grüne) für das Paket, 272 dagegen. Es gab eine Enthaltung. Bundesweit demonstrierten Tausende Schülerinnen und Schüler gegen das neue Gesetz.
Das sogenannte Wehrdienstmodernisierungsgesetz sieht vor, dass ab 2026 alle 18-Jährigen ab dem Jahrgang 2008 ein Informationsschreiben von der Bundeswehr erhalten. Männer müssen einen Fragebogen ausfüllen, der unter anderem ihr Interesse an der Bundeswehr abfragt. Für Frauen ist das Ausfüllen des Fragebogens freiwillig. Auch die Musterung wird für 18-jährige Männer wieder Pflicht. Sollten sich nicht genug Freiwillige melden, kann der Bundestag eine sogenannte Bedarfswehrpflicht anordnen, die in einem zusätzlichen Gesetz geregelt werden muss.
Wehrdienst bleibt vorerst freiwillig
Der neue Wehrdienst dauert zwischen sechs und elf Monaten oder länger. Die Bundesregierung will die Attraktivität unter anderem mit einer monatlichen Vergütung von 2.600 Euro brutto und einem Zuschuss für den Führerschein steigern. Ziel ist es, den Personalbedarf der Bundeswehr möglichst passgenau zu decken. Sollten mehr geeignete Wehrpflichtige zur Verfügung stehen als benötigt werden, kann ein Zufallsverfahren zum Einsatz kommen. Der Bundesrat muss sich noch mit dem Gesetz befassen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte im Bundestag die Freiwilligkeit des Dienstes. "Dieser Wehrdienst ist freiwillig, und er bleibt es, wenn alles so gut läuft, wie wir uns das versprechen", sagte er. Zugleich mahnte er zur Ehrlichkeit. Wenn sich nicht genug Freiwillige melden würden oder wenn sich die Bedrohungslage weiter so oder schlimmer entwickele, werde man um eine verpflichtende Teilwehrpflicht nicht herumkommen, sagte der SPD-Politiker.
Pistorius bezeichnet Schulstreiks als "großartig"
Die Schulstreiks gegen das Gesetz, zu denen bundesweit aufgerufen wurde, bezeichnete Pistorius als "großartig". Sie zeigten das Interesse und Engagement der Schülerinnen und Schüler und dass sie "wissen, worum es geht". Unter dem Motto "Schulstreik gegen Wehrpflicht" waren für Freitag in rund 90 Städten Demonstrationen gegen das Gesetz angekündigt. Allein in Berlin versammelten sich mehr als 3.000 Demonstrierende in Kreuzberg, später am Nachmittag ist eine zweite Demonstration geplant.
Dem Gesetz zufolge soll die Bundeswehr 2026 zwischen 186.000 und 190.000 aktive Soldatinnen und Soldaten haben. Bis 2035 soll diese Zahl auf 255.000 bis 270.000 steigen. Zum Vergleich: Laut aktuellen Zahlen (Stichtag 30. November) hat die Bundeswehr etwa 184.330 aktive Soldatinnen und Soldaten.
Eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zeigt, dass nur 14 Prozent der 18- bis 28-Jährigen tatsächlich zur Bundeswehr gehen würden - obwohl sich 58 Prozent aller Befragten grundsätzlich für eine Wehrpflicht aussprechen.
Caritas lobt Entscheidung
Die Reaktionen auf den neuen Wehrdienst fallen gemischt aus. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnte das Gesetz ab. "Pflichtdienste bedeuten immer einen starken Eingriff in die Entscheidungsfreiheit junger Menschen, gegen den wir uns klar positionieren", sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern.
Das Gesetz werde zum "Einfallstor in die Entscheidungsfreiheit der jungen Generation", da es die Möglichkeit einer späteren verpflichtenden Heranziehung von Wehrpflichtigen vorsehe.
Der Deutsche Caritasverband begrüßte hingegen die Entscheidung. "Die Regierungsfraktionen beantworten nach langen Debatten die akuten sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen mit einem klaren Bekenntnis zu einem freiheitlichen Konzept", sagte Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa. Positiv bewertete sie, dass junge Menschen ab 2026 über alle Formen freiwilligen Engagements informiert werden und die Finanzmittel für Freiwilligendienste steigen.



