Es war ein emotionaler Festakt im Nürnberger Opernhaus, immer wieder gab es stehenden Applaus für Robi Damelin und Laila AlSheikh. Sie erhielten den mit 25.000 Euro dotierten 16. Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis stellvertretend für die rund 800 Israelis und Palästinenser, die sich im "Parents Circle - Families Forum" (PCFF) für Frieden im Nahen Osten einsetzen.
Sie alle haben im Nahostkonflikt ein Familienmitglied verloren, sie alle setzen sich für Versöhnung statt für Rache ein. PCFF besteht seit 1995, ebenso lange wird der Internationale Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg verliehen.
"Ich bin das erste Mal in Nürnberg, der Stadt, die fest in der Psyche der Jüdinnen und Juden verankert ist", sagte die 82-jährige Israelin Robi Damelin.
Sie sei bei der Ankunft sehr emotional gewesen, "aber sie alle hier im Saal geben mir Hoffnung". Versöhnung und Mitmenschlichkeit - dies sind ihre persönlichen Ziele und die des Parents Circle. "Wenn jüdische und palästinensische Mütter sich dafür einsetzen - kann das nicht ein Vorbild für alle sein?"
Robi Damelin verlor 2002 ihren Sohn. Er wurde an einem Grenzposten von einem palästinensischen Scharfschützen erschossen. "Ich sagte zu den Soldaten, die mir die Nachricht überbrachten: Ihr dürft niemanden im Namen meines Sohnes töten", erinnert sich Damelin. Später nahm sie Kontakt zum Mörder ihres Sohnes auf. Das sei schwer gewesen, doch Versöhnung funktioniere nur in der persönlichen Begegnung.
"Die Menschen sind die Lösung", sagte auch Laila AlSheikh auf der Bühne des Nürnberger Opernhauses. Auch sie hat 2002 ihren Sohn verloren, nachdem israelische Soldaten sie daran gehindert hatten, das kranke, sechs Monate alte Baby rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen. Beim Treffen des Parents Circles habe sie erstmals Israelis als ihre Mitmenschen gesehen.
"Sie haben unter anderen Umständen ihre Kinder verloren, aber ihr Schmerz ist der gleiche", betonte AlSheikh. Beide Frauen riefen eindringlich dazu auf, die Spaltung zwischen Israel und Palästina in Deutschland und Europa nicht voranzutreiben.
In ihrer Laudatio sagte Jury-Mitglied Noa Karavan-Cohen: "Kinder zu lehren, in dem Gegenüber zuerst den Mitmenschen zu sehen, ist der einzige Weg zum Frieden." Nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 sei die Arbeit des PCFF schwerer geworden, Mitglieder des Forums seien bedroht worden. Zugleich hätten sich Israelis und Palästinenser, die jüngst Angehörige verloren haben, der Initiative angeschlossen. "Versöhnung beginnt mit kleinen, mutigen Schritten", betonte Karavan-Cohen.
Angesichts des Hamas-Terrors und der Verheerungen im Gazastreifen "mag es viele Menschen verwundern, wenn nicht sogar irritieren, von Freundschaft und Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern zu sprechen", stellte Oberbürgermeister Marcus König (CSU) fest. Doch die Initiative mache deutlich, wie wichtig es sei, "über alle Verletzungen hinweg im Gespräch zu bleiben".
Dies sei ein wichtiges Signal auch in die Nürnberger Stadtgesellschaft, in der Jüdinnen und Juden wieder einmal Angst haben müssten, ihren Glauben zu leben, und muslimische Mitbürger mit Hass überzogen würden. "Wir brauchen auch in Nürnberg Räume der Verständigung und eine ordentliche Debattenkultur", forderte König.
Der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis wird an Einzelpersonen oder Gruppen vergeben, die sich vorbildlich und unter hohem persönlichem Risiko für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen.