Die Beatles scheinen unsterblich, auch im Kino. Sam Mendes arbeitet derzeit an einer Tetralogie über die britische Band, bei der jedem Mitglied ein eigener Spielfilm gewidmet ist. Vor drei Jahren veröffentlichte Peter Jackson mit "Get Back" eine Dokutrilogie über die Entstehung ihres legendären finalen Studioalbums "Let It Be".
Der britische Filmemacher Kevin Macdonald lenkt jetzt in "One to One: John & Yoko" den Blick auf die Zeit unmittelbar danach. 1971 zogen John Lennon und seine Frau Yoko Ono von England nach New York, wo sie die nächsten 18 Monate in einem kleinen Apartment in Greenwich Village lebten, in die Gegenkultur eintauchten, sich mit Künstlern und Aktivisten trafen und ihre Popularität unter anderem für friedenspolitische Belange einsetzten. Vor allem aber verbrachten sie sehr viel Zeit vor dem Fernseher.
Gedacht als Flucht vor der Beatlemania und den zunehmenden Spannungen innerhalb der Band, die schließlich zum Bruch führten, sollte der Umzug eine Art Atempause sein. Zugleich war es eine Phase politischer und kultureller Gegensätze und für das Paar auch eine prägende Zeit der Veränderungen, an deren Ende das "One to One"-Benefizkonzert im Madison Square Garden am 30. August 1972 stand, das einzige abendfüllende Solo Lennons nach dem Ende der Beatles. Restaurierte Aufnahmen dieses Konzerts, die zum Teil bislang nicht zu sehen waren, bilden nun das Herzstück des Films. Schon allein dieser Livesound lohnt, bei "Instant Karma" etwa, der deutlich besser ist als in der Abmischung, die Phil Spector seinerzeit machte. Ebenso sehenswert: die Gastauftritte von Allen Ginsberg und Stevie Wonder.
Apartment original nachgebaut
Macdonald und sein Co-Regisseur Sam Rice Edwards betten dieses Livematerial in einen größeren Kontext der Vereinigten Staaten ein, die sich zwischen dem Vietnamkrieg, der angestrebten Wiederwahl von US-Präsident Richard Nixon und der Protestbewegung aufreiben. Das Apartment mit Tendenzen zum Messiehaften ließ Macdonald nachbauen, möglichst originalgetreu und mit großer Liebe zum Detail, von den Möbeln über Bücher und unzählige Instrumente bis hin zum überquellenden Aschenbecher. Zeitschriften und Notizbücher liegen auf dem Bett in der Mitte des Zimmers, am Fußende der klobige Röhrenfernseher, auf dem die Bilder jener Ära rauschen, von Szenen aus der Familienserie "Die Waltons" über Nachrichten vom Aufstand im Attica-Gefängnis bis hin zu Talkshows und heute bizarr wirkenden Werbeclips.
Immer wieder kehrt der Film zu dieser Replika als immersiver Kulisse zurück, das Bett wird zum Dreh- und Angelpunkt, der Fernsehschirm zum Fenster zur Welt. Das Spiel mit dem Kontrast aus intimem Alltag und dem endlosen Bilderstrom ist effektiv, zumal Macdonald keine Darsteller einsetzt und die leere, zugleich vollgestellte Wohnung dadurch fast geisterhaft wirkt. Was die beiden damals konkret sahen, muss Spekulation bleiben.
Als ebenso erhellende wie vergnügliche weitere Quelle erweisen sich die Telefonate, die Lennon und Ono damals in dieser Wohnung führten und obsessiv mitschnitten. Sie dokumentieren die Suche nach lebenden Fliegen, die Yoko Ono für eine ihrer Kunstinstallationen wollte, oder die Auseinandersetzungen mit dem Wirrkopf A. J. Weberman, der jahrelang den Müll von Bob Dylan durchwühlte, um dessen unterstellte bourgeoise Scheinheiligkeit zu beweisen.
Durch die thematische Breite, die der Film aufzuspannen versucht, bleibt vieles nur Skizze oder Andeutung, "One to One: John & Yoko" ist mehr Mosaik als Zeitanalyse. Lennon kommt dabei nicht durchweg gut weg, bisweilen wirkt sein aufflammendes Engagement für ein Projekt etwas sprunghaft und oberflächlich. Zugleich zeigt der Film, wie er Yoko Ono stets klar und deutlich gegen Kritik verteidigt, die oft misogyn und rassistisch motiviert war. Nach all den Beatles-Projekten wäre es, auch dank des derzeitigen Yoko-Ono-Revivals, an der Zeit, ihrem komplexen Leben und Werk ein eigenes Filmporträt zu widmen. Hier finden Sie den Trailer zum Film.