"Macht mich traurig, wie Eltern kämpfen müssen"

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epd-bild/VBG/Jan Wassmuth
Petra Hopf liebt, was viele langweilig finden: Paragrafen, Anträge, Verordnungen.
Sozialrecht: Hilfe oder Hürde?
"Macht mich traurig, wie Eltern kämpfen müssen"
Wenn eine Brille über das Augenlicht eines Kindes entscheidet oder ein Krankentransport zur Kostenfalle wird, zeigt sich: Sozialrecht ist alles andere als trocken – es geht um Existenzen, Gerechtigkeit und manchmal um den letzten Hoffnungsschimmer.

Sozialrecht ist nicht nur trockene Materie. Da geht es um Menschen und Existenzen. Sozialgerichte entscheiden, ob ein Unfall dienstlich oder privat war, wie Asylbewerber ihr Taschengeld bekommen oder welche Krankentransporte Patienten selbst zahlen müssen. Die Schwarzenbruckerin Petra Hopf, Versichertenberaterin, ehemalige Sozialversicherungsangestellte und zweite Bürgermeisterin ihrer Kommune, bezeichnet das Lesen von Sozialgesetzen sogar als ihr Hobby. Nun kann die 60-Jährige aus Mittelfranken ihre Kenntnisse als neue ehrenamtliche Richterin am Bundessozialgericht in Kassel anwenden. Dorthin wurde sie auf Vorschlag des Bundesverbands Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen berufen.

Frau Hopf, gibt es ein Gebiet der Sozialrechtsgesetzgebung, das Sie besonders bewegt?

Petra Hopf: Das Thema, das viele am langweiligsten finden: Die Fälle nach Sozialgesetzbuch II (SGB II), bei denen es um Sozialhilfe, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe geht. Hier bekommt man mit, wie schnell es für Menschen gehen kann, in das Arbeitslosengeld II hineinzurutschen. Es braucht nur eine Krankheit und dann die Arbeitslosigkeit und schon ist es passiert. Ich würde mir bei den Verfahren oft wünschen, dass die Antragsteller einen Rechtsanwalt oder einen anderen Beistand hätten. Aber beim Sozialgericht ist es oft auch so, dass Richter diesen Leuten Hilfestellungen geben, wie man sich artikuliert oder ihnen sagen, welche Unterlagen noch fehlen.

Besonders am Herzen liegen mir aber die Belange von behinderten Kindern. Es macht mich traurig zu sehen, wie Eltern zum Beispiel für eine Brille, die ein Kind vor dem Erblinden bewahren könnte, kämpfen müssen. Die Kassen hätten da schon mehr Spielräume oder könnten Ausnahmen zulassen.

Sehen Sie sich also als ehrenamtliche Richterin am Bundessozialgericht als Volkes Stimme?

Hopf: Ja. Ich habe am Nürnberger Sozialgericht mit einem anderen Beisitzer sogar schon mal einen Richter überstimmt. Man muss natürlich mit einer guten Begründung die Richter überzeugen können. Die sehen oft nur ihr Sozialgesetzbuch, aber manchmal kann man anregen, einen Fall auch aus einer anderen Perspektive zu sehen. Auch in den Senaten am Bundessozialgericht wirken die ehrenamtlichen Richter an der Urteilsfindung gleichberechtigt mit. Das Bundessozialgericht ist die letzte menschliche Instanz, aber die allerletzte Instanz bleibt für mich Gott. Als evangelische Christin bin ich geprägt vom christlichen Menschenbild und dessen Werten.

Wie ist denn Ihr Interesse an Gesetzen und der Sozialgesetzgebung geweckt worden?

Hopf: Ich war 16 Jahre alt, als ich bei einer Versicherung in München meine Ausbildung begonnen habe. Als wir unsere Prüfungen geschrieben haben und Paragrafen wissen mussten, fand ich das noch schrecklich. Aber irgendwann habe ich gemerkt, da steckt ja viel mehr dahinter, nämlich die Rechtsauslegungen und Satzungen. 1999 bin ich ehrenamtliche Versichertenberaterin der Deutschen Rentenversicherung und Behindertenvertreterin geworden. Ich lernte die verschiedenen Sozialgesetzbücher und ihre Zusammenhänge immer besser kennen. Im Nachhinein betrachtet wäre es schön gewesen, wenn ich noch ein Jurastudium hätte draufsetzen können. Aber ich hatte dann drei Kinder und war hauptberuflich bei der Krankenkasse tätig.