"Wir sind füreinander geschaffen, nicht gegeneinander"

Eckart von Hirschhausen steht lächelnd im Grünen
Dominik Butzmann
Zwischen Lachen und Nachdenken: Eckart von Hirschhausen engagiert sich für Schöpfung und Gemeinschaft.
Eckart von Hirschhausen
"Wir sind füreinander geschaffen, nicht gegeneinander"
Wie finden wir unseren Platz im Leben? Warum ist Gesundheit mehr als Medizin? Und was können wir von Pinguinen lernen, wenn es um Gemeinschaft und Klimaschutz geht? Eckart von Hirschhausen spricht im Interview mit Markus Bechtold, Portalleiter von evangelisch.de, über die Bedeutung von Zuversicht, Verantwortung – und das, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Herr von Hirschhausen, gibt es einen Gedanken, der Sie selbst immer wieder daran erinnert, worauf es im Leben wirklich ankommt – und der auch anderen helfen könnte, die Perspektive zu wechseln?

Eckart von Hirschhausen: Gesundheit beginnt nicht mit einer Tablette, einer OP oder einem MRT. Gesundheit beginnt mit der Luft, die wir atmen, dem Wasser, was wir trinken, leckeren Pflanzen zum Essen, erträglichen Temperaturen und einem friedlichen Miteinander. Jeden Tag sehen wir in den Nachrichten: Alle fünf Lebensgrundlagen sind akut in Gefahr, nichts davon wird von alleine besser und deshalb kann ich dazu auch nicht schweigen. Gleichzeitig gilt: Mit schlechter Laune retten wir die Welt nicht. Es soll und wird Spaß machen! 

Sie sagen: Wir brauchen nicht noch mehr Beschleunigung – und kritisieren, dass in einer begrenzten Welt unbegrenztes Wachstum gefordert wird. Worauf sollten wir stattdessen unser Zusammenleben gründen?

Eckart von Hirschhausen: Vielleicht ver-brauchen wir so viel, weil wir nicht mehr wissen, was wir wirklich brauchen: positive Gemeinschaftserlebnisse. Kirche hat alle Voraussetzungen, sich ernsthaft um die Bewahrung der Schöpfung zu kümmern: eine Idee von Sinn, der sich nicht in Konsum und Zeug ausdrückt, ein weltumspannendes Netzwerk und von der Oma bis zum Enkel alle dabei. Wenn es Nächstenliebe gibt, dann doch auch "Übernächstenliebe". Zu den nächsten, die etwas weiter weg wohnen. Oder die noch kommen mögen.

Wenn jemand das Gefühl hat, im falschen Element zu sein – in der Arbeit, im Glauben, im Leben – wie findet man den Mut, etwas zu verändern?

von Hirschhausen: Nicht durch grübeln, sondern durch machen, ausprobieren, andere fragen. Wir sind überraschend oft blind für unsere eigenen Stärken. Wenn uns etwas leicht fällt, halten wir das schnell für "nix besonderes". Auch ein bisschen protestantisch… Um seine Talente zu finden und wertschätzen zu können, hilft ein Blick von außen. Was macht mir Freude, wann haben andere mit mir Freude, wo werde ich gebraucht?

"Warum wollen wir immer sein wie andere? Andere gibt es doch schon genug!"

In Ihrem Buch "Der Pinguin, der fliegen lernte" schreiben Sie, es kommt nicht darauf an, alles zu können, sondern das zu finden, was wirklich zu einem passt – wie ein Pinguin im Wasser. Wie gelingt es, diesen Platz im Leben zu finden?

von Hirschhausen: Wenn ich das so einfach sagen könnte, hätte ich ja nicht ein ganzes Buch geschrieben (lacht). Es sind mehrere Schritte, von der Ortsbestimmung bis zur Frage, wer möchte ich einmal gewesen sein. Der Charme des Buches ist das intuitive, durch die Fotos von Stefan Christmann, durch die inneren Bilder, die einem bei der Geschichte kommen, durch die Fragen. Wenn ich nur einen Satz mit auf den Weg geben dürfte, wäre es: Warum wollen wir immer sein wie andere? Andere gibt es doch schon genug!

Pinguine machen Gruppenkuscheln – Warum sollten wir Menschen uns daran ein Beispiel nehmen?

von Hirschhausen: Was die Kraft von Gemeinschaft und Kooperation betrifft, können wir Menschen viel von den Pinguinen lernen. Um den eisigen Temperaturen zu trotzen und um sich gegenseitig zu wärmen, rücken ganz viele Pinguine in einem sogenannten Huddle so eng aneinander, dass im Inneren der Gruppe Temperaturen herrschen, die über der Körpertemperatur der einzelnen Tiere liegen. Sie wechseln sich ab, wer an der kalten Außenseite stehen muss, und keiner meckert! All das bekommen sie koordiniert, ohne dass jemand der Chef ist. Sie brauchen dafür nur eine berührende Selbstlosigkeit. Wenn Pinguine so gut kooperieren können, dann sollten wir Menschen, die wir uns für die Krone der Schöpfung halten, doch gerade in kalten und harten Zeiten auch neue Formen des Miteinanders finden können. Wir sind füreinander geschaffen, nicht gegeneinander. 

Herr von Hirschhausen, Sie sind auch auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover aufgetreten, der unter dem Motto "mutig – stark – beherzt" stand. Woher nehmen Sie persönlich die Kraft und den Mut, sich so beherzt für Klima, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit einzubringen?

von Hirschhausen: Kirchentage sind komplex, von der Vorbereitung, der Logistik bis zum Stress vor Ort, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Halle zu sein. Das geht nur durch Teamwork. Deshalb danke an alle, die in der Organisation mitmachen, von den Hauptamtlichen, den Helfern bis zu "Brot für die Welt", Misereor und meinem Team von der Stiftung "Gesunde Erde-Gesunde Menschen". Gleichzeitig sind Kirchentage Tankstellen, besser gesagt laden sie dich auf mit erneuerbarer Energie, mit dem Gefühl, nicht alleine zu sein in der Mühe um eine bessere, gerechtere und schönere Welt. Und es gibt unzählige Begegnungen und berührende Momente, die niemand so planen kann. Die aber in all dem Wahnsinn jeden Kirchentag zu etwas Unvergesslichem machen.