Eine buntbemalte Bank, gemütliches Fachwerk, ein Garten, in dem es wild wachsen darf: Das alte Bauernhaus mitten in Schöffengrund-Laufdorf, einem kleinen Ort in Mittelhessen bei Wetzlar, gehört dem Laurentiuskonvent. Sieben Menschen wohnen dort in einer christlichen Gemeinschaft. Sie sind Rentner oder berufstätig, verheiratet oder alleinstehend. Ihr Zusammenleben beschreiben sie als ein "Geben und Nehmen".
Gruppentreffen am Donnerstagabend im Gemeinschaftshaus. Auf dem Tisch steht eine Glaskanne mit selbstgemachtem Kräutertee. Dem Verein Laurentiuskonvent gehören in Laufdorf zwei alte Häuser, für ein drittes wurde eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Jeder hat seine eigene Wohnung und zahlt Miete. Mehrere Wohnungen sind vermietet, unter anderem an ein ukrainisches Ehepaar und an syrische Flüchtlinge. Die neun Gästezimmer nutzen vorbeikommende Pilger als Herberge, Gruppen buchen Tagungen, Freunde kommen zu Besuch. "Wir sind da und üben Gastfreundschaft", sagt Stephan Hünninger.
Hünninger lebt mit seiner Frau Gabriele seit 15 Jahren im Konvent. Gekocht wird reihum, jeder zahlt sechs Euro pro Tag fürs Essen. Im Gemeinschaftshaus führt eine Stiege zum Andachtsraum unter dem Dach. Abend- und Morgengebet sind einigermaßen verbindlich, aber die Berufstätigen schaffen es oft nicht. An die alten Bauernhäuser schließen sich große Gärten an. Die Kommunität versorgt sich selbst mit Gemüse. In einem Garten haben Jugendliche eine Feuerstelle angelegt, daneben steht ein Trampolin, vorn wachsen Mangold und Möhren. Viele ältere Dorfbewohner hätten ihre Gärten aufgegeben, erzählt Gabriele Hünninger. Sie seien froh, dass die Konventsmitglieder sie weiter betreiben.
Gegründet wurde der Laurentiuskonvent 1959. Über die Jahre entstanden vielerorts in Deutschland Gemeinschaften - und lösten sich wieder auf. Neben der Gruppe in Laufdorf besteht noch eine weitere im nordhessischen Wethen. Außerdem leben Konventsmitglieder, insgesamt rund 60, versprengt übers Land. In Wethen steht derzeit ein großes Haus leer. Ideal wäre es, wenn dort zwei oder drei Familien einzögen, sagt Anja Vollendorf, die Pfarrerin und stellvertretende Dekanin im Evangelischen Dekanat an der Dill ist. Kirchlicherseits gehört Laufdorf zur Evangelischen Kirche im Rheinland.
"Es gab Zeiten", erzählt Marie-Noelle von der Recke, "da wohnten mehr Kinder als Erwachsene im Laurentiuskonvent." Inzwischen liegt der Altersdurchschnitt hoch. Christa Walny ist die älteste Bewohnerin, Carolin Diether die jüngste. Die Erzieherin hat drei Kinder: "Ich erhalte viel Unterstützung. Für die Kinder ist das Dörfliche toll."
Stunde der geistlichen Gemeinschaften kommt
Das Netzwerk "Treffen geistlicher Gemeinschaften" listet auf seiner Internetseite rund 40 evangelische Kommunitäten in Deutschland auf. Einige lebten an einem festen Ort zusammen, andere seien dezentral organisiert, verdeutlicht der Geistliche Leiter im Berneuchener Haus Kloster Kirchberg in Baden-Württemberg, Frank Lilie. Es existierten vielerlei Wohn- und Lebenskonzepte mit "unterschiedlichen Graden der Gemeinschaft".
Lilie gehört dem Leitungskreis der Michaelsbruderschaft an, einer dezentralen Kommunität. "Ich habe den Eindruck, dass die Stunde der geistlichen Gemeinschaften noch kommt", sagt er. In der Kirche sei vieles im Umbruch, und die Kirchlichkeit suche sich gerade neue Orte. Lilie hält es für möglich, dass die geistlichen Gemeinschaften eine Lücke füllen. Beispiel: Im Kloster Kirchberg in Sulz am Neckar können Gäste auf Zeit mitwohnen. Sie nehmen teil am geistlichen Leben mit Tageszeitengebeten und Gottesdiensten und buchen zusätzlich Angebote wie geführte Wanderungen, Meditationen oder Malkurse in der Natur.
In Laufdorf erscheinen Stephan Hünninger und Ernst von der Recke etwas verspätet beim Gruppentreffen. Sie waren vorher noch bei einer Mahnwache. "Die Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit und die Begleitung von Menschen auf der Flucht sind ein Teil unseres Engagements", erklärt Anja Vollendorf. Seit 2015 beherbergt der Laurentiuskonvent deshalb auch Geflüchtete aus Syrien und hilft ihnen mit Sprachunterricht oder bei Behördengängen.
Mittlerweile lebt ein großer Teil der Flüchtlinge im Dorf integriert. Sie unterstützten nun ihrerseits den Konvent mit ihren Fähigkeiten, kochen, helfen bei den Festen, ein Elektriker übernimmt Reparaturen. "Die Zukunft macht mir keine Angst", sagt Gabriele Hünninger, "auch wegen der Weggenossen, die wir in der Nachbarschaft haben. Der Bedarf an solchen Orten zum Zwischendurch-Aufatmen wird bleiben."