Was von Black Lives Matter übrig ist

Plakat mit schwarzer Faust auf einer Demonstration in Berlin am 06.06.2020.
epd-bild/Christian Ditsch
Der Tod von George Floyd setzte eine große Protestwelle in Gang.
Fünf Jahre nach Floyds Tod
Was von Black Lives Matter übrig ist
Im Mai 2020 starb der schwarze US-Amerikaner George Floyd durch einen brutalen Polizeieinsatz. Das Entsetzen über die Tat führte zu den "Black Lives Matter"-Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Fünf Jahre später ist die Bilanz ernüchternd.

Fünf Jahre ist es her. In Minneapolis, der 400.000-Einwohner-Stadt am Mississippi, drückt ein weißer Polizist sein Knie auf den Hals eines schwarzen Mannes, der in Handschellen auf der Straße liegt. "Ich kann nicht atmen", fleht dieser, weinend und nach seiner Mutter rufend. Die 17-jährige Darnella Frazier, zufällig am Ort, filmt mit ihrem Handy an diesem 25. Mai 2020. Sie postet das Video auf Facebook. Fernsehsender übertragen die entsetzlichen Bilder.

Das Opfer hieß George Perry Floyd. Grund der Festnahme war ein möglicherweise gefälschter 20-Dollar-Schein. Floyd war 46 Jahre alt und hat nicht überlebt. Todesursache: Herz-Kreislauf-Stillstand. Beim Trauer-Gottesdienst sprach der Pastor von der Hoffnung, dass Floyd nicht umsonst gestorben sei, dass sein Tod der Funke einer neuen Bewegung sein werde.

Erst einmal traf das zu. Trotz der Kontaktbeschränkungen mitten in der Covid-Pandemie löste der Gewaltakt eine riesige Bewegung gegen Polizeigewalt und Rassismus aus, die über Monate andauerte. Es waren wohl die größten Kundgebungen in der Geschichte der USA. Viele junge Menschen demonstrierten, hauptsächlich Schwarze, auch zahlreiche Weiße. Worum es ihnen ging: "Black Lives Matter", schwarze Leben zählen.

Die Kundgebungen waren nicht immer gewaltfrei. Fernsehbilder zeigten Brände und Plünderungen. In Minneapolis zerstörten Flammen eine Polizeiwache, die Beamten flohen. Nächtliche Ausgangssperren wurden verhängt, die Nationalgarde zog auf. Präsident Donald Trump - es war die Zeit seiner ersten Präsidentschaft - bedauerte den Tod Floyds, machte aber die Gewalt der Aufgebrachten zum Top-Thema und nicht die Polizeigewalt.

Trump war "wütend" auf die Protestierenden

Verteidigungsminister Mark Esper sagte später im Rundfunksender NPR, Trump sei wütend gewesen über die Protestierenden. Er habe sich an Stabschef General Mark Milley gewandt: "Kann man nicht einfach auf sie schießen, nur in die Beine schießen, oder so?"

Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd kam es zum Prozess. Polizist Derek Chauvin wurde schuldig gesprochen und zu 22,5 Jahren Haft verurteilt. Der Polizeichef von Minneapolis sagte gegen Chavin aus. Darnella Frazier, die das Video gemacht hatte, sagte ebenfalls aus: "Ich habe einen Mann auf dem Boden liegen sehen, und ich sah einen Polizisten mit seinem Knie auf dem Mann." Umstehende schrieen auf Chavin ein, er solle aufhören. Der Polizist kniete etwa neun Minuten lang. "Wenn ich auf George Floyd schaue, sehe ich meinen Vater, sehe ich meine Brüder ... weil sie alle schwarz sind", sagte Frazier. Sie alle hätten George Floyd sein können.

Kein Gesetz für eine Polizeireform verabschiedet

Was hat sich geändert seit dem 25. Mai 2020 und den landesweiten Kundgebungen? Die Juristin Kimberlé W. Crenshaw, Expertin für strukturellen Rassismus, schrieb in einem Essay im Magazin "Time": Fünf Jahre nach der Tötung von George Floyd seien viele Hoffnungen nicht erfüllt worden, der "Gegenwind war stärker, als viele von uns sich das vorstellen konnten". Gesetzesvorlagen für Polizeireformen seien im US-Kongress "auf das absolute Minimum reduziert und nicht verabschiedet worden".

Das gemeinnützige Projekt "Mapping Police Violence" zur Dokumentation von Polizeigewalt hat ernüchternde aktuelle Zahlen vorgelegt: 2024 seien mindestens 1.260 Menschen in Polizeihänden gestorben, mehr als jemals zuvor seit zehn Jahren, und überproportional viele Schwarze.

Seit seinem Amtsantritt Anfang des Jahres dominiert Donald Trump die Diskussion mit Forderungen nach "Recht und Gesetz". Im April unterzeichnete er ein Dekret, das die Ordnungskräfte "stärken und entfesseln" soll. Manche rechtsgerichtete US-Amerikaner protestierten selbst gegen Derek Chauvins Haftstrafe. Trumps sogenannter Effizienzberater Elon Musk leitete im März auf seiner Plattform X ein Video mit der Forderung nach einer Begnadigung für Chauvin an seine mehr als 200 Millionen Follower weiter und kommentierte: Man sollte darüber nachdenken ("something to think about").

Das Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center hat Anfang Mai die Ergebnisse einer Umfrage zu "Black Lives Matter" veröffentlicht. Nach dem gewaltsamen Tod von Floyd unterstützten demnach 67 Prozent die Bewegung, gegenwärtig seien es 52 Prozent der 5.097 Befragten. 54 Prozent erklärten, die Beziehung der Polizei zur schwarzen Bevölkerung habe sich nicht verändert. Sie habe sich verschlechtert, erklärte ein Drittel. Nur elf Prozent sahen Verbesserungen.

In Minneapolis ringen Stadt und Aktivisten derweil mit der Frage, wie man am Tatort ein würdiges Monument errichten könnte. Und in der Hauptstadt Washington hat man zu Beginn von Trumps zweiter Amtsperiode Symbolpolitik der ganz anderen Art betrieben: Das "Black Lives Matter"-Wahrzeichen, ein gigantischer Schriftzug in gelben Blockbuchstaben auf einer Straße in Sichtweite des Weißen Hauses, wurde entfernt. Arbeiter bohrten den Asphalt auf, bis von "Black Lives Matter" nicht ein Buchstabe mehr übrig war.