Pruin warnt: "Dann sterben Menschen"

Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und Pfarrerin
epd-bild/Daniel Peter
Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und Pfarrerin, warnt vor den Konsequenzen von Einsparungen im Entwicklungsbereich.
"Brot für die Welt"-Präsidentin
Pruin warnt: "Dann sterben Menschen"
Durch die Politik von US-Präsident Donald Trump gerät die Hilfe in armen Ländern weltweit unter Druck - und auch in Deutschland stehen weitere Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit im Raum.

Themen wie Armutsbekämpfung oder die globale Gesundheit könnten in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, warnt Dagmar Pruin (54), die Präsidentin der evangelischen Hilfswerke "Brot für die Welt" und Diakonie Katastrophenhilfe. Die Theologin warnt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wenn die Entwicklungsgelder weiter gekürzt werden, sterben Menschen."

epd: Frau Pruin, mit Reem Alabali-Radovan (SPD) ist die bisherige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung nun Entwicklungsministerin. Was erwarten Sie von ihr?

Dagmar Pruin: Ich wünsche mir, dass die neue Ministerin dafür kämpft, dass die Regierung genügend Geld für die Entwicklungszusammenarbeit - und vor allem genug Mittel für die Ärmsten der Armen bereitstellt. Leider ist in dem Koalitionsvertrag von Union und SPD mit einer Absenkung der Mittel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit das Gegenteil vorgesehen.

Inhaltlich hat sich die neue Bundesregierung in der Entwicklungszusammenarbeit auf drei Prioritäten geeinigt: wirtschaftliche Zusammenarbeit und Zugang zu Rohstoffen, Fluchtursachenbekämpfung und Kooperationen im Energiesektor. Sind das die richtigen Schwerpunkte?

Pruin: Es reicht mir nicht.

Warum?

Pruin: Man könnte die Zielsetzung im Koalitionsvertrag auch so formulieren: Es soll mehr um Migrationsabwehr, Rohstoffgewinnung und Außenwirtschaftsförderung gehen. Es ist legitim zu fragen, was die Entwicklungszusammenarbeit Deutschland nützt. Aber es geht doch auch um die viel größere Frage: Wie können wir sicherstellen, dass wir in einer gerechten, zukunftsfähigen Welt leben können? Deutschland ist so ein starkes und reiches Land. Ich hätte mir einen Satz wie "Man lässt keine Menschen verhungern" sehr im Koalitionsvertrag gewünscht.

Befürchten Sie, dass klassische Themen der Entwicklungszusammenarbeit unter den Tisch fallen, etwa die Armutsbekämpfung oder der Aufbau von funktionierenden Gesundheitswesen in den Ländern des globalen Südens?

Pruin: Dass sie künftig gar keine Rolle mehr spielen, kann ich mir nicht vorstellen. Ich befürchte aber, dass Themen wie Armut oder globale Gesundheit weniger wichtig werden. Wir leben in einer Welt, in der mehr als 700 Millionen Menschen hungern, das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen. Dem sollten wir als reiches Land mutig gegenübertreten und sagen: Das Thema ist uns wichtig und wir haben das auf der Agenda. Deutschland könnte gerade jetzt vor dem Hintergrund der Kürzungen der US-Hilfen eine zentrale Rolle einnehmen.

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Sie haben mögliche weitere finanzielle Einschnitte bei der deutschen Entwicklungszusammenarbeit angesprochen. Was würde das bedeuten für Länder im globalen Süden, etwa für den Sudan oder die Demokratische Republik Kongo?

Pruin: Wenn die Entwicklungsgelder weiter gekürzt werden, sterben Menschen. Das muss man leider ganz klar so sagen. Wegen des Rückzugs der US-Hilfsagentur USAID entstehen vielerorts schon unglaubliche Lücken, insbesondere im Gesundheitssystem.

Die USA waren bisher in der internationalen Hilfe der wichtigste Geber der Welt. Können andere Länder den Abbau der US-Hilfen durch Präsident Donald Trump überhaupt auffangen?

Pruin: Die USA haben bisher beispielsweise mehr als 40 Prozent der humanitären Hilfe durch die Vereinten Nationen finanziell gestemmt. Das ist natürlich ein unglaublich hoher Anteil. Aber wenn wir uns anschauen, wie viel Geld wir in anderen Bereichen ausgeben, ist es kein Ding der Unmöglichkeit. Niemand hindert uns daran, einen Etat aufzustellen, mit dem wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern versuchen, den Wegfall der US-Hilfen aufzufangen.

Derzeit wird auch in anderen Ländern eher über weitere Hilfskürzungen diskutiert als eine Aufstockung. Sind Sie denn hoffnungsvoll mit Blick auf die EU, dass es einen solchen Zusammenschluss geben könnte?

Pruin: Der Trend in der Welt geht eher in Richtung Kürzungen, das stimmt. Das ist nicht nur Präsident Trump. Aber ich mache mir nicht den Luxus der Hoffnungslosigkeit, sondern ich will, dass sich das ändert. Als Zivilgesellschaft dürfen wir nicht aufhören, Druck zu machen.

Es gab vergangenes Jahr eine aufgeheizte Debatte über den Sinn von Entwicklungszusammenarbeit. In den sozialen Medien wurden einzelne Projekte - etwa die Radwege in Peru - extrem verzerrt dargestellt. Erreichen Sie mit Ihren Botschaften eigentlich noch Menschen jenseits der eigenen Blase?

Pruin: Entwicklungszusammenarbeit erklärt sich nicht von selbst - wir müssen immer wieder deutlich machen, warum sie unverzichtbar ist. Der politische Ton ist rauer geworden, das spüren wir alle. Aber ich erlebe auch: Wenn ich mit Menschen darüber spreche, dass es unsere Verantwortung ist, dafür zu sorgen, dass niemand verhungern muss, stoße ich schnell auf breite Zustimmung.