Mentale Gesundheit für eine bessere Welt

Junge Frau mit Farnblatt
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Es reicht nicht aus, Gott und andere zu lieben, ohne uns selbst zu berücksichtigen.
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Mentale Gesundheit für eine bessere Welt
Mentale Gesundheit hat auch eine missionarische Perspektive und das Potenzial, unsere ganze Welt positiv zu beeinflussen, findet Agge Angusson. Warum und was das Lukasevangelium und der Philosoph Descartes damit zu tun haben, beschreibt er in seinem Blogbeitrag.

"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit all deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst." Lukas 10,7 beschreibt eine Mission, die wir meiner Meinung nach alle teilen (sollten). Dieses Gebot ist nicht neu – es hat seinen Ursprung im Alten Testament, in Deuteronomium 6,4-5 und Levitikus 19,18. Im theologischen Kontext ist dieses Gebot auch als das doppelte Gebot der Liebe bekannt. Ich bezeichne, es jedoch gern als das vierfache Gebot der Liebe, da es meiner Meinung nach wichtig ist, den vollen Umfang dieser Mission zu verstehen.

Das Gebot beinhaltet, Gott, unsere*n Nächste*n und uns selbst zu lieben. Es reicht nicht aus, Gott und andere zu lieben, ohne uns selbst zu berücksichtigen. Gott, unsere*n Nächste*n und uns selbst zu lieben, bedeutet ein Gleichgewicht zwischen Liebe, die nach oben (zu Gott), nach außen (zu anderen) und nach innen (zu uns selbst) gerichtet ist. Wenn eine dieser Richtungen vernachlässigt wird, verlieren wir das Gleichgewicht. Wenn wir beispielsweise nur Gott oder nur unsere*n Nächste*n lieben, führt dies zu einem unausgewogenen Leben. Dieses Gleichgewicht könnte man auch als eine Liebe beschreiben, die in ihrem Wesen in Beziehung steht. Ich werde später noch auf diese Beziehung zurückkommen. Denn heutzutage scheint es uns schwerzufallen, in all diesen Richtungen zu lieben.

Das vierfache Gebot der Liebe

Zunächst möchte ich jedoch eine vierte Richtung hervorheben. Gott hat nicht nur Menschen geschaffen – es gibt eine riesige Schöpfung, die ebenfalls unsere Liebe verdient. Deshalb plädiere ich für das vierfache Gebot. Unsere Liebe muss über die Menschheit hinausgehen, zu allen Geschöpfen Gottes, sowohl zu den lebenden als auch zu den nicht lebenden. So wie wir nicht aufhören sollten zu lieben, wenn wir unsere unmittelbare Gemeinschaft verlassen, sollten wir auch nicht aufhören zu lieben, wenn wir mit der Natur in Kontakt kommen. Unsere Liebe muss alle Geschöpfe Gottes einschließen.

Wenn ich die Welt heute betrachte, sehe ich einen Mangel an Liebe zu Gott, zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst. Der Autor und Pastor Tomas Sjödin hat einmal gesagt: "Wir lieben es nicht zu lieben." Er hätte genauso gut sagen können: "Wir lieben nicht bedingungslos." Er sprach über die Kraft der Liebe, wenn sie uns etwas kostet. Das zeigt sich nicht nur in romantischen Beziehungen, sondern auch in unserem sozialen Handeln. Wir zögern zu lieben, wenn der Preis hoch ist. David J. Lose, Autor und leitender Pastor, argumentiert, dass die Kultur der Selbsterhaltung die Oberhand gewonnen hat und wir weniger bereit sind, aus reiner Liebe oder Mitgefühl zu handeln. Ich sehe diese Denkweise in Aussagen wie der Ablehnung des Kyoto-Protokolls durch George W. Bush widergespiegelt, die eine Zurückhaltung gegenüber Maßnahmen gegen den globalen Klimawandel zeigt, weil diese den amerikanischen Lebensstil beeinträchtigen könnten.

Selbstbezogenheit – aber keine Selbstliebe

Diese Mentalität steht im Widerspruch zu den Lehren Jesu. In der Parabel vom barmherzigen Samariter lehrt uns Jesus, unsere Nächsten zu lieben, auch wenn es uns etwas kostet.

Die Philosophie von Descartes spiegelt dies gut wider. Er sagte: "Ich zweifle, also denke ich, also bin ich". Der*die Einzelne wird auf Kosten von Beziehungen betont. Was wäre passiert, wenn dieser große Philosoph der europäischen Geistesgeschichte, Descartes, statt nach Schweden zu reisen und an einer Lungenentzündung zu sterben, nach Südafrika gereist wäre und dort ubuntu kennengelernt hätte, das "in Beziehung stehen"? Bei Descartes und unserer modernen Gesellschaft steht das Ich im Fokus – ich, ich, ich – aber das ist ein Paradox, denn während wir uns selbst über andere stellen, schaffen wir es dennoch nicht, uns selbst zu lieben. Wenn wir uns auf die newtonsche lineare Zeit einlassen, in der das Leben einen Anfang und ein Ende hat und die Zeit über uns herrscht, dann gibt es einen Wettkampf, eine Jagd, und wir geben unser Bestes, um erfolgreich zu sein, nur um vielleicht eines Tages gut genug zu sein. Das führt zu einem Problem der Selbstliebe.

Mit Zeit zum Gleichgewicht

Um uns selbst wirklich zu lieben, müssen wir unser körperliches, geistiges und existenzielles Wohlbefinden in den Vordergrund stellen. Zeit sollte nicht als linear oder als Wettlauf betrachtet werden, sondern als etwas Relatives, wie Einstein argumentierte. In Prediger steht geschrieben: "Alles hat seine Zeit" (Pred 3,1). Wenn wir dies zusammen mit Einstein lesen, können wir verstehen, dass verschiedene Handlungen unterschiedliche Zeit erfordern, und das ist in Ordnung. Zeit ist nicht dazu da, um überstürzt zu handeln. Sie ist zum Nachdenken, Ausruhen und für Verbindungen da.

Zurück zum Gleichgewicht der Liebe oder der Liebe in Beziehung. Wenn wir uns die Schöpfungsgeschichte in Genesis 2 ansehen, erkennen wir vier wichtige Beziehungen: eine zu Gott (Gott erschafft die Menschheit), eine zur Schöpfung (die Menschheit wird in den Garten gesetzt), eine zu anderen (Gott erschafft dem ersten Menschen eine Gefährtin) und eine zu uns selbst (die Menschen erlangen Selbstbewusstsein). Das sind die Beziehungen, die wir pflegen sollen, und sie müssen im Gleichgewicht sein.

Wenn wir nicht gerne lieben, beeinträchtigt das unser Gleichgewicht – wie wir uns selbst, unsere Mitmenschen und Gott lieben. Bei der psychischen Gesundheit geht es zum Teil darum, dieses Gleichgewicht wiederherzustellen. Es geht darum, zu lernen, uns selbst, unsere Mitmenschen und die gesamte Schöpfung auf ganzheitliche Weise zu lieben, mit einer Liebe, die nach oben, nach außen und nach innen fließt.

Für bessere Gesellschaften und eine bessere Welt

Aber wie können wir als Gesellschaften mehr Selbstliebe der Menschen fördern, die alle weiteren Dimensionen der Liebe erst wirklich möglich macht? Wir müssen idealerweise bereits in der Schule anfangen. Es müsste eine Umgebung geschaffen werden, die Rücksicht auf die Gesundheit von Schüler*innen nimmt. Oft ist jedoch aus wirtschaftlichen Gründen das Gegenteil der Fall. Es sollte nicht länger in Ordnung sein, dass Schulleitungen das Budget für die Gesundheit ihrer Schüler*innen kürzen oder Stundenpläne und Räumlichkeiten ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Schüler*innen geplant werden. Eine Schule sollte nicht auf Kosten des Wohlergehens der Schüler*innen auf Profit getrimmt werden. Das gesamte System muss sich ändern, damit wir die physischen, mentalen und existenziellen Voraussetzungen für eine ausgeglichene Liebe, eine Liebe in Beziehung, erwerben können. Mit anderen Worten: Wir müssen unsere physische, mentale und existenzielle Gesundheit wiederherstellen – für bessere Gesellschaften und eine bessere Welt in gesunder Beziehung zueinander.

evangelisch.de dankt der Evangelischen Mission Weltweit und mission.de für die inhaltliche Kooperation.