Warum kündigen Sie den 8. kirchlichen Aktionstag am 17. Mai in Büchel als den letzten in dieser Form an?
Gregor Rehm: Die Resonanz hat sich verändert. Dabei spielt auch das Alter der Kerngruppe unserer Besucher:innen eine Rolle. Viele engagieren sich bereits seit Jahrzehnten für den Frieden und tun sich inzwischen schwer, für ein paar Stunden Aktionstag die weite Reise nach Büchel auf sich zu nehmen. Das Format ist noch an den Zeiten orientiert, als 1.500 Personen zu den Aktionstagen kamen, zuletzt waren es aber nur noch 100 bis 200. Kurzum: Es macht keinen Sinn, für immer weniger Menschen den gleichen logistischen Aufwand zu betreiben wie in den Anfangsjahren. Darüber hinaus spüren wir angesichts der aktuellen geopolitischen Lage, dass der Aktionstag in diesem Format nicht mehr so richtig in die Zeit passt.
Woran machen Sie das fest?
Rehm: Sind Atomwaffen zur Abschreckung nötig oder nicht? Wir haben gemerkt, dass in dieser Frage viele Christen und auch die Kirchen in ihrer Haltung unsicherer geworden sind. Auf der einen Seite steht das Argument, dass nukleare Abschreckung möglicherweise konventionelle Kriege verhindert. Auf der anderen Seite wird gesehen, dass atomare Bewaffnung eine ganz andere Form der Rüstung ist, als konventionelles Kriegsgerät. Nukleare Präzisionsschläge, wie es im Militärjargon gelegentlich heißt, kann es nicht geben. Atomwaffen töten immer unterschiedslos und mit langfristigen und globalen Folgen. Das sind die beiden Pole, zwischen denen sich viele Menschen bewegen. Und sie fühlen sich dabei auch ein Stück weit verloren, weil sie für beide Positionen eine Notwendigkeit sehen. Aus ethischen Gründen lehnen sie Atomwaffen eigentlich grundsätzlich ab. Aber sie halten sie aus sicherheitspolitischen Bedenken doch auch für irgendwie notwendig. Ich habe den Eindruck, dass diese Zerrissenheit derzeit viele umtreibt.
Das heißt, der kirchliche Aktionstag ist ungeeignet, um diese neue Verunsicherung aufzufangen?
Rehm: Der Aktionstag ist ein Format klarer Positionierung gegen Atomwaffen und ich halte es für wichtig, dass es bei allem Diskurs auch so klare Formate gibt. Damit einher geht aber die Erkenntnis, dass wir dazu Verbündete brauchen. Ich halte es deshalb für sinnvoll, dass wir als Kirche nicht einfach nur unser eigenes Ding machen, sondern uns noch viel mehr mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammentun. Zum Beispiel veranstaltet IPPNW, also die Internationalen Ärzt:innen für die Verhütung des Atomkriegs, jedes Jahr gemeinsam mit Greenpeace ein Camp. Auch mit ICAN, der internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, könnten wir eine stärkere Zusammenarbeit ausloten. Ich glaube, wenn wir uns als Kirche mit solchen Akteuren stärker vernetzen und unsere theologischen und ethischen Argumente einbringen, ist das ein Gewinn für alle Beteiligten. Mit gemeinsamen Aktionen gewinnen wir auch eine größere Tragweite.
Was haben die acht kirchlichen Aktionstage seit 2018 letztendlich gebracht?
Rehm: Die ersten Aktionstage fanden zu einer Zeit statt, als wir uns noch in einer Phase gefühlter Deeskalation befanden. Atomwaffen schienen Relikte des Kalten Kriegs zu sein, die kaum noch jemand auf dem Schirm hatte. Mit den Aktionstagen ist es den Kirchen gelungen, die Gefahren von Atomwaffen wieder stärker ins Bewusstsein zu hieven. Medien berichteten bundesweit über unser Engagement. Auch innerhalb der Kirchen konnten wir auf eine besondere Art und Weise sensibilisieren. Wir haben jeweils Kirchenleitende und Verantwortungsträger:innen für die Predigten der ökumenischen Gottesdienste an den Aktionstagen gewinnen können. Das hat natürlich auch Rückwirkungen in die jeweiligen Kirchen, die zwar schwer messbar sind, aber in Gesprächen und Beiträgen auftauchen.
Haben Sie ein Beispiel?
Rehm: Ich erinnere mich an die Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz im Jahr 2022. Sie fand kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine statt. Wir diskutierten, wie wir als Landeskirche friedensethisch mit dieser neuen Situation umgehen. Unsere Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hatte in dem Jahr davor beim kirchlichen Aktionstag in Büchel gepredigt. Das machte sie vor der Landessynode in ihrem Bericht zum Thema: Ob sie das angesichts der aktuellen Situation wieder tun würde? Diese Frage hat sie mit Ja beantwortet. In diesem Jahr wird sie zum zweiten Mal in Büchel predigen, gemeinsam mit Otto Georgens, dem Weihbischof des Bistums Speyer. Überhaupt die Ökumene: Die Aktionstage haben in dieser Hinsicht ein starkes Zeichen gesetzt. Sie sind von ihrem Verständnis her ein ökumenisches Engagement. Als Christen, gleich welcher Konfession, stehen wir in dieser Frage zusammen – bei allen Unterschieden, die es sicher auch in friedensethischen Vorstellungen gibt. Ich freue mich, dass wir beim letzten Aktionstag unser ökumenisches Miteinander noch einmal so herausstellen können.
Gibt es einen Fahrplan, wie es nach dem letzten Aktionstag am 17. Mai weitergeht?
Rehm: Noch nicht konkret. Wir haben mit der Projektgruppe vereinbart, dass es wie jedes Jahr ein Auswertungstreffen geben wird. Dann wollen wir uns auch neue Formen der Zusammenarbeit überlegen und das weitere Vorgehen besprechen. Für den Aktionstag am 17. Mai haben wir für das Nachmittagsprogramm verschiedene Engagierte eingeladen, die ihr bundesweites oder regionales Engagement gegen Atomwaffen vorstellen. Damit wollen wir nochmals andere Perspektiven einbringen. Von den Teilnehmenden des Aktionstags werden wir Ideen und Anregungen für ein weiteres Engagement sammeln, die dann in unsere weiteren Planungen einfließen. Wichtig ist uns, dass unsere Gäste mit dem Gefühl nach Hause gehen können, dass der kirchliche Protest gegen Atomwaffen weitergehen wird. Der letzte Aktionstag ist nur ein Ende dieser Form, nicht der inhaltlichen Auseinandersetzung. Wir werden weiter für eine Welt ohne Atomwaffen eintreten.
###mehr|terms|Krieg und Frieden###
Kirchlicher Aktionstag für eine Welt ohne Atomwaffen
Der 8. kirchliche Aktionstag in Büchel beginnt am 17. Mai 2025 um 11 Uhr mit Musik. Die Glocke auf der Friedenswiese läutet um 11.55 Uhr den ökumenischen Gottesdienst ein, der vor dem Haupttor des Fliegerhorstes gefeiert wird. Die Predigt halten Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst (Evangelische Kirche der Pfalz) und Weihbischof Otto Georgens (Bistum Speyer). Nachmittags bietet die Veranstaltung bis 15 Uhr ein Informations- und Kulturprogramm. Der Aktionstag wird von der ökumenischen Projektgruppe "Kirchen gegen Atomwaffen" organisiert, die seit Dezember 2017 besteht. Proteste gegen Atomwaffen konzentrieren sich auf den Fliegerhorst der Bundeswehr in Büchel, weil dort vermutlich Atombomben der US-amerikanischen Streitkräfte eingelagert sind.