Wie politisch darf Kirche sein, Christiane Tietz?

Christiane Tietz im Interview mit indeon-Chefredakteur Andreas Fauth
Jörn von Lutzau
EKHN-Kirchenpräsidentin Christiane Tietz im Interview mit indeon-Chefredakteur Andreas Fauth
Demokratie predigen, Klartext reden
Wie politisch darf Kirche sein, Christiane Tietz?
Menschenwürde ist ein Wert, den wir verteidigen müssen, findet die EKHN-Kirchenpräsidentin Tietz. Im indeon-Talk mit Chefredakteur Andreas Fauth sagt sie, welche Rolle Kirche dabei spielt.

Kirche muss sich aktiv für eine Demokratie einsetzen, in der Menschenrechte im Zentrum stehen. Diese Haltung vertritt die Theologin Christiane Tietz. Sie ist die Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau (EKHN) und sagte vor der EKHN-Synode: "Demokratie nach dem Grundgesetz heißt nicht einfach nur, dass die Mehrheit gewinnt."

Es gehe um eine Qualität unserer Demokratie. Deswegen sagt sie im indeon-Interview auch, Kirche müsse eine Stimme sein, die alle "immer wieder daran erinnert, für welche Werte wir stehen und was Demokratie bei uns heißt." Deswegen ist es ihr wichtig, auch zu gesellschaftlichen Themen Stellung zu beziehen.

Entscheidend seien vor allem die Würde aller Menschen und gleiche Rechte für jede*n. Tietz warnte in ihrer Rede vor politischen Kräften, "die sich als die wahren Verfechter der Demokratie ausgeben, aber dagegen vorgehen, dass alle Menschen die gleiche Würde besitzen".

Im Interview mit unserem Chefredakteur Andreas Fauth ergänzt sie: "Mir ist wichtig, dass wir als Kirche gegen extremistische Parteien klar Stellung beziehen." Das bedeute, sich "von rassistischen, antisemitischen, antimuslimischen oder queerfeindlichen Positionen" zu distanzieren. Dennoch sei ihr wichtig, dass alle demokratischen Parteien und deren Wähler*innen "sich bei dem, was wir äußern, auch wiederfinden können". 

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Gerade wenn im Jahr 2027 in der EKHN neue Kirchenvorstände gewählt werden, müsse sich die Kirche rechtzeitig mit der Frage beschäftigen, wie sie auf Kandidaturen aus extremistischen Parteien reagiert. Dabei betonte Tietz: "Wir identifizieren eine Person nicht mit ihrer Position." Aber wenn Aussagen menschenfeindlich seien, müsse die Kirche diese "glasklar zurückweisen".

Kritisch blickte sie außerdem auf den Umgang der Kirche mit sexualisierter Gewalt. Tietz forderte ein Umdenken bei der Frage von Schuld und Gnade. In der Kirche werde oft davon ausgegangen, dass Schuld automatisch vergeben werde, bevor eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Geschehen stattgefunden habe. Das führe zum Stummmachen, dem sogenannten "Silencing" der der Opfer.

Das führe dazu, dass Opfer zum Schweigen gebracht würden. Laut der ForuM-Studie von 2024 hätten in der Untersuchung nur ein knappes Fünftel der beschuldigten Personen Reue gezeigt oder um Entschuldigung gebeten. Tietz sieht darin ein Missverständnis der evangelischen Rechtfertigungslehre. Täter und Opfer schienen demnach vor Gott gleich dazustehen. "Das aber ist unerträglich", sagte sie.

Gott sage "Ja" zu jedem Menschen, aber nicht zu allen Taten, erklärte die Kirchenpräsidentin. Besonders wenn jemand andere verletzt oder zerstört habe, sei das Nein Gottes deutlich. Es gebe Dinge, die Betroffene auch bei größter Reue der Täter*innen nicht vergeben können. "Deshalb darf aus dem Bereuen des Täters nicht die Forderung an betroffene Personen, vergeben zu müssen, abgeleitet werden", sagte sie.

evangelisch.de dankt indeon für die inhaltliche Kooperation.