TV-Tipp: "Der Flensburg-Krimi: Wechselspiele"

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22. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Flensburg-Krimi: Wechselspiele"
Die sogenannten Ultras sorgen in deutschen Stadien regelmäßig für Schlagzeilen, aber im Vergleich zu den Fanatikern in Südamerika ist ihr Treiben geradezu harmlos. In Kolumbien ist vor dreißig Jahren ein Verteidiger wegen eines Eigentors erschossen worden.

In Tomy Wigands Ruhrgebietskomödie "Fußball ist unser Leben" (2000) entführt ein Schalke-Fan den verkoksten Stürmerstar seines Teams, um ihn wieder in Form zu bringen, doch ansonsten geht es in hiesigen Sportfilmen in der Regel nicht kriminell zu. Deshalb ist die Geschichte, die der zweite "Flensburg-Krimi" erzählt, durchaus ungewöhnlich: Mikkel Poulsen, Eigengewächs des Handballclubs HBC, ist zu einem internationalen Topstar gereift und will nach Paris wechseln. Also entführen zwei Fans seinen neunjährigen Sohn, damit er in Flensburg bleibt. 

Daraus hätte ein fesselnder Film werden können, mit viel Empathie für die verzweifelten Eltern und gewürzt mit packenden Handballszenen, aber in dem einzigen Spielausschnitt wirkt Poulsen-Darsteller Nicklas Kingo nicht gerade wie ein Profi. Da auch die Kidnapper Amateure sind, ist der Fall ohnehin bald aufgeklärt; wenn auch nur vorerst. Dass die Krimistory etwas dünn ist, liegt nicht zuletzt am überbordenden Anteil der privaten Ebene: Stephan Wuschansky, Autor auch des Auftakts der ARD-Reihe ("Der Tote am Strand", 2021), widmet den Dingen, mit denen sich Svenja Rasmussen und Antoine "Tony" Haller (Katharina Schlothauer, Eugene Boateng) nebenbei beschäftigen, viel Zeit. Das Duo repräsentiert den ARD-Vorsatz, Filmfiguren möglichst vielfältig zu gestalten, wie kaum ein anderes: Sie ist mit einer Frau verheiratet, er ist schwarz. 

Weil das zwar interessant, für komplexe Persönlichkeitsstrukturen aber ein bisschen wenig ist, hat sie erstens Beziehungsprobleme und zweitens einen Vater, der von einer fixen Idee besessen ist: Der pensionierte Morten Rasmussen (Uwe Rohde) ist überzeugt, dass sich sein Sohn, Polizist wie er selbst, keineswegs das Leben genommen hat, sondern von Kollegen ermordet worden ist. Das klingt viel spannender als der Entführungsfall; leider belässt es Wuschansky bei Andeutungen. Hallers Privatleben wird durch seinen Bruder verkörpert: Leon bereitet sich auf ein Vortanzen vor, Tony unterstützt ihn dabei, was Eugene Boateng die Gelegenheit gibt, seiner zweiten Leidenschaft zu frönen. Leon ist gehörlos (wie auch sein Darsteller Dodzi Komlan Dougban); die Frage, weshalb er trotzdem zu Musik tanzen kann, lässt das Drehbuch leider offen. Dafür durfte Boateng aufs Dolmetschen verzichten: Wenn sich die beiden Brüder streiten, weil Leon seinen Job gekündigt hat, bleibt es bei heftigen Gesten; in anderen Filmen sorgen die Mitwirkenden regelmäßig auch für eine Simultanübersetzung ihrer Gebärden.

Regisseurin Anja Gurres hat bislang ausschließlich Kurzfilme gedreht; selbst ihr Langfilmdebüt "Balconies" (2022) war ein Episodenfilm. Die Bildgestaltung (Kamera: Michael Throne) ihres ersten Fernsehfilms hat hohes Niveau, gerade die Tanzszenen zeichnen sich durch ein faszinierendes Licht aus, aber Krimispannung oder emotionale Dramatik kommen in "Wechselspiele" kaum auf; selbst das Mitgefühl mit den betroffenen Eltern hält sich in Grenzen, weil die Figuren oberflächlich bleiben. Immerhin ist das Zusammenspiel Boatengs mit Katharina Schlothauer recht kurzweilig. Kollegin Svenja ist nicht mehr so abweisend wie zum Auftakt, lässt Tonys Versuche, das Verhältnis aufzulockern, jedoch nach wie vor an sich abprallen. Eine Romanze der beiden ist aus offensichtlichen Gründen ohnehin ausgeschlossen. Damit es trotzdem ein bisschen bizzelt, gibt es eine uniformierte Polizistin (Iris Becher), mit der Svenja liiert war, bevor sie zur Kripo nach Hamburg wechselte. 

Dass diese privaten Handlungsstränge fast reizvoller als der eigentliche Fall sind, spricht nicht für die Krimi-Ebene: Die Kommissarin bekommt ein Jobangebot von der Flensburger Polizei, aber ihre in der Hansestadt verwurzelte Ehefrau (Elzemarieke de Vos) will keine Fernbeziehung. Außerdem gilt es noch, eine leidvolle Erfahrung aufzuarbeiten: Svenjas Vater ist damals beim Coming-out aus Sicht seiner Tochter "komplett durchgedreht", was er jedoch so nicht stehen lassen will. Er sei "irritiert" gewesen, aber ansonsten: "Jeder wie er mag." Immerhin nimmt der Fall eine unerwartete Entwicklung, als jemand den Jungen aus dem Versteck der Kidnapper entführt und eine Million Euro Lösegeld fordert. Am Ende kommt es auf jede Minute an, um das Kind zu retten, weshalb eine entspannte Strandplauderei zwischen Svenja und Tony während der Suche einigermaßen absurd wirkt.