TV-Tipp: "Spreewaldkrimi: Bis dass der Tod euch scheidet"

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19. Februar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Spreewaldkrimi: Bis dass der Tod euch scheidet"
Regisseur Jan Fehse erzählt in seinem dritten Film für die Reihe "Spreewaldkrimis" von einem Wirbelwind, der sich von den schlechten Gedanken der Menschen nährt und gern für allerlei Ungemach sorgt.

Es gibt zwar auch sogenannte urbane Legenden, die sich vor allem durch digitale Netzwerke verbreiten, aber diese Geschichten sind in der Regel nicht annähernd so faszinierend wie die klassischen Mythen und Sagen, die über Jahrhunderte weitererzählt worden sind. Sie machen einen großen Reiz jener Provinzkrimis aus, die das ZDF etwa aus dem Erzgebirge erzählt. Auch die "Spreewaldkrimis" von Thomas Kirchner bezogen sich regelmäßig auf Bräuche und uralten Aberglauben.

Jan Fehse greift diese Tradition in seinem dritten Film für die Reihe auf, wenn er von einem Wirbelwind berichten lässt, der sich von den schlechten Gedanken der Menschen nährt und gern für allerlei Ungemach sorgt. Im sechzehnten Film, "Bis dass der Tod euch scheidet", haben die Rotationen des urplötzlich auftretenden Wetterphänomens allerdings drastische Folgen: Bei einem Polterabend explodiert eine Gasflasche; ein Mann stirbt, der Bräutigam kommt mit Lungenriss ins Krankenhaus, er liegt im Koma. Die kriminaltechnischen Untersuchungen ergeben, dass die Katastrophe kein Unglück war: Die Explosion ist mit Hilfe eines telefonisch gezündeten Sprengsatzes herbeigeführt worden; und der auslösende Anruf kam ausgerechnet vom Telefon der Braut.

Allein dieser Ausgangspunkt schürt bereits mit Erfolg die Neugier. Außerdem ist der Film wie alle "Spreewaldkrimis" eine kunstvolle Konzeption mit vielen Rückblenden. Das ist diesmal nicht ganz so verwirrend wie noch zu Zeiten Kirchners, der sich mit Episode dreizehn ("Totentanz", 2021) von dem Format zurückgezogen hat, aber nach wie vor reizvoll, weil Regisseur Fehse, der im Rahmen der Reihe zum ersten Mal allein fürs Drehbuch verantwortlich war, immer wieder neue Bruchstücke aus der Vergangenheit liefert, die die Gegenwart in anderem Licht erscheinen lassen.

Die beste Idee war allerdings die Besetzung der Gasthauptrolle mit Mercedes Müller. Die nach wie vor junge, aber bereits enorm erfahrene Schauspielerin versieht ihre Rollen stets mit einer unergründlichen Tiefe, die perfekt zur Rolle der trauernden Braut passt: Fina Jurisch hat die Feier kurz vor der Explosion verlassen, nachdem sie ihren Verlobten mit Kokain erwischt hat; Drogen waren ein Dauerstreitthema der beiden. Was anschließend passiert ist, bleibt zunächst offen: Als Ex-Kommissar Krüger (Christian Redl) sie am nächsten Morgen im Hochwald findet, hat sie keinerlei Erinnerungen mehr an die Ereignisse der Nacht.

Weil Krügers Nachfolger Fichte (Thorsten Merten) frei hat, übernimmt Polizistin Luise Bohn (Alina Stiegler) die Ermittlungen. Dank einer cleveren neuen Kriminaltechnikerin (Victoria Chilap) führt die Spur alsbald zu Fina, aber die steht unter besonderem Schutz: Wie sich rausstellt, ist sie Fichtes Tochter. Dass die beiden bislang keinen Kontakt hatten, lag nicht am Erzeuger; als sich Finas Mutter einst von ihm getrennt hat, wusste er nicht, dass sie schwanger war. Wie der Vater, so hat auch die Tochter ein eidetisches Gedächtnis und eine Vorliebe für die düsteren Gedichte von Rainer Maria Rilke, die sie mehrfach rezitiert. Die düstere Atmosphäre des Films entspricht den melancholischen herbstlichen Versen geradezu mustergültig. 

Fehse hat zuletzt unter anderem mehrere sehenswerte Episoden für die ZDF-Reihe "München Mord" sowie zwischendurch für die ARD das herausragend gute Paketbotendrama "Geliefert" (2021, Grimme-Preis für Bjarne Mädel) gedreht. Bevor er ins Regiefach wechselte, war er Kameramann. Die Bildgestaltung (Frank Blau) ist entsprechend sehenswert; besonders beeindruckend sind unter anderem die Nebelbilder, die ebenfalls ausgezeichnet mit den Rilke-Reimen korrespondieren.

Die spezielle Stimmung wird bereits im ungemein dicht komponierten Prolog gesetzt. Der Auftakt führt nicht nur die handelnden Personen ein, er enthält unter anderem auch eine rätselhafte Szene, die die kommenden Ereignisse in mancherlei Hinsicht vorwegnimmt: Ein von Fährmann Aldo (Lucas Lentes) gelenkter Kahn trifft im Kanal bei Krügers Bauwagen auf Schlauchboote mit Touristen. Die Urlauber sind aus Sicht des Fährverbands ein großes Ärgernis, weil sie regelmäßig die Kanäle blockieren und kein Geld, aber dafür eine Menge Müll in der Gegend lassen; deshalb beschließt ein Aktionsbündnis, ein nächtliches Zeichen zu setzen. Als sich die Boote begegnen, kommt plötzlich ein kleiner Wirbelsturm auf, und Krüger hat eine verstörende Vision: Sämtliche Beteiligten sind von einem roten Tod gezeichnet. Fina hat den ständig von seinen Kollegen gehänselten Aldo bereits im Frühjahr kennengelernt, nun ist er tot: Er war das Opfer beim Polterabend.