TV-Tipp: "Flunkyball"

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20. September, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Flunkyball"
Die Romanze zwischen dem verkorksten Franz und der geheimnisvollen Zoe endet abrupt - zumindest für Franz, der sich daraufhin auf die Suche nach der Angebeteten macht. Der Film zeigt die Schattenseiten der Großstadt sehr realistisch.

Der Titel wird dem älteren Teil des ARD-Publikums nichts sagen. Flunkyball ist ein unter Jugendlichen beliebtes Trinkspiel, das wie alle anderen Vergnügungen dieser Art bloß einen Zweck hat: in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Alkohol vernichten. Der übermäßige Verzehr von Bier, Wein und Schnaps ist natürlich auch Erwachsenen nicht fremd, aber deren Besäufnisse gehen zumindest anfangs meist gesitteter vonstatten.

Vielleicht wollte Alexander Adolph mit dem Titel verdeutlichen, dass Eltern im Grunde keine Ahnung haben, was die Kinder treiben, wenn sie nicht in der Schule oder in der Uni sind; ganz gleich, wie groß ihr Verständnis ist und wie jung sie sich selbst noch fühlen.

Prompt bewegt sich auch die Liebesgeschichte des für seine ZDF-Reihe "Unter Verdacht" unter anderem mit dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Autors und Regisseurs in ganz anderen Bahnen als sonstige Romanzen: Caro (Silke Bodenbender) sorgt sich ein bisschen um ihren Sohn Franz (Laurids Schürmann); der Siebzehnjährige ist ein Spätentwickler und hat anscheinend keine Freunde. Martin (Fabian Hinrichs) zerstreut ihre Bedenken: Ihm ging’s als Teenager nicht anders, auch er war Einzelgänger; die Mädchen hätten das cool gefunden.

Umso überraschter sind beide, als Franz eine junge Frau mit nach Hause bringt. Zoe (Lena Klenke) macht gerade Abitur, lebt bei ihrer Tante im Vorort, hat die letzte Bahn verpasst und braucht ein Dach über dem Kopf. Als Caro und Martin mitkriegen, dass das Mädchen anscheinend keine Lust hat, allein im Gästezimmer zu schlafen, machen sie sich typische Elterngedanken: Irgendwo müssen doch noch Kondome sein.

Verhütung ist aber gar kein Thema für das bloß vermeintliche Liebespaar; und das bleibt nicht die einzige unerwartete Entwicklung der Handlung. Trotzdem ist "Flunkyball" bei Weitem nicht so originell wie Adolphs letzte ARD-Arbeit, die im Ersten erst nach Mitternacht ausgestrahlte clever konzipierte Mystery-Anthologie "Die nettesten Menschen der Welt". Nachdem Zoe den schüchternen Franz aus seinem Dornröschenschlaf geweckt und auch die anfängliche Skepsis seiner älteren Schwester Milli (Clara Vogt) zerstreut hat, geht dem Film ein bisschen die Geschichte aus.

Zwar stellt sich bald heraus, dass die junge Frau wohl doch nicht das brave Mädchen ist, für das die erfreuten Eltern sie halten, aber das gilt für Milli nicht minder, wie sich beim drogenseligen Besuch eines Nachtclubs zeigt. Dass Zoe die tiefen Gefühle des Jungen nicht erwidert, ist trotz des gegenseitigen Versprechens, aufeinander aufzupassen, offenkundig - allerdings nicht für Franz. Und dann ist Zoe von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden. Sie hatte Franz vor sich gewarnt: Sie sei wie eine Krake, die ihn in die Tiefe ziehen werde.

Abgesehen von der Nebenebene mit der Oma (Lisa Kreuzer), die kerngesund ins Krankenhaus kommt und Tags drauf nicht mehr ansprechbar ist, erzählt Adolph mit "Flunkyball" eine jener typischen Teenager-Geschichten, wie sie Cat Stevens vor 55 Jahren mit seinem Lied "The first cut ist he deepest" besungen hat: "Ich hätte dir mein ganzes Herz gegeben, aber jemand hat es in Stücke gerissen."

Gegen Ende resultiert immerhin eine gewisse Dramatik aus der Frage, wer "Zoe" in Wirklichkeit ist und ob Franz sie doch noch retten kann - zumal der behütet aufgewachsene Junge auf der Suche nach dem Mädchen eine Parallelwelt entdeckt: Die einen schlafen in unterirdischen Passagen, weil sie kein Zuhause haben, andere treiben sich im Drogenpark rum, und ein Typ fordert von Franz eine sexuelle Gegenleistung für eine Information, die sich als völlig nutzlos entpuppt.

Tatsächlich ist es gerade diese Rohheit, die den Reiz des Films ausmacht. Adolph und Kameramann Patrick Orth haben konsequent auf touristische Bilder verzichtet und zeigen München von seinen weniger schönen und daher auch weniger bekannten Seiten. Als Franz und Zoe vor einem aggressiven Typen flüchten, ist abgesehen von den beiden Hauptfiguren das wahre Leben zu sehen: Laurids Schürmann und Lena Klenke, beide ohnehin ein Einschaltgrund, sind einfach losgerannt; Orth, mutmaßlich nur mühsam Schritt haltend, immer hinterher. An anderer Stelle erreicht Adolph bewusst einen gegenteiligen Eindruck; eine Tanzszene im Club zum Beispiel wirkt regelrecht choreografiert. Das namhafte Ensemble wird in Gastrollen durch Bettina Mittendorfer und Michael A. Grimm ergänzt, aber auch sie können nicht verhindern, dass der Film deutlich an Spannung verliert, als Zoes Geheimnis gelüftet ist.