TV-Tipp: "Tatort: Maleficius"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
16. Mai, WDR, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Maleficius"
Vor vielen Jahren hat Thomas Bohn mit "Tod im All" (1997) einen der ungewöhnlichsten Beiträge zur "Tatort"-Geschichte geleistet: Die Ludwigshafener Episode war der erste und bislang einzige Sonntagskrimi im "Ersten" mit Außerirdischen.

Die Kritiken waren durchwachsen und teilweise sogar hämisch ("Nicht nur kosmisch, sondern auch komisch"). Inzwischen gelte der Film "als einer der anerkannten Kult-‚Tatorte’"; glaubt jedenfalls Bohn. Für "Maleficius" (Erstausstrahlung war 2019) fürchtete der Regisseur zunächst ein ähnliches Schicksal. Hätte es tatsächlich wieder Häme gesetzt, wäre dies jedoch weniger der Geschichte, sondern einer gewissen Neigung des Regisseurs zum B-Movie geschuldet gewesen: Seine Filme wirken oftmals, als benötigten sie eigentlich ein deutlich höheres Budget, weshalb die Umsetzungen mitunter an jene Hollywood-Produktionen erinnern, die hierzulande gar nicht erst ins Kino kommen. 

Der thematische Kern ist allerdings hochaktuell. War "Vom Himmel hoch" (2018), Bohns Ludwigshafener Comeback nach gut 15 Jahren, eine als sehenswerter Thriller verpackte Anklage gegen die amerikanische Kriegsdrohnen-Politik, so geht es nun um die Frage, inwieweit der Mensch in die Schöpfung eingreifen darf: Ein Hirnforscher sieht in der Verschmelzung von Mensch und Maschine die einzige Chance für das Überleben des Auslaufmodells Homo sapiens. Das Thema hat abendfüllende ethische, moralische und religiöse Dimensionen, doch Bohn, wie fast immer für Buch und Regie verantwortlich, hat es geschickt vermieden, ein philosophisches Seminar aus dem Stoff zu machen. 

Im Vordergrund des Films steht jedoch ohnehin die Krimi-Ebene, und die beginnt mit einem verwaisten Rollstuhl am Rheinufer. Er gehört einem jungen Mann, der seit einem Autounfall zwei Jahre zuvor querschnittsgelähmt ist. Zunächst deutet alles auf Suizid hin, bis Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) den entscheidenden Krimisatz sagt: "Hier stimmt was nicht." Über diverse Umwege landet die Geschichte schließlich im Institut von Professor Bordauer, und damit ist der Film bei seiner ersten Irritation, denn der Mann wird von Sebastian Bezzel verkörpert. Für den Schauspieler, der sonst zumeist eher schluffige Typen spielt, ist das eine recht ungewöhnliche Rolle, und tatsächlich wirkt der Wissenschaftler mit seinem Dreitagebart, der lässigen Kleidung und seiner Vorliebe für Cola aus der Dose eher wie ein Langzeitstudent. Für die Gestaltung des Instituts hat sich Bohn dagegen offenkundig durch Science-Fiction-Filme inspirieren lassen: Die Räumlichkeiten sind in einem aseptisch wirkenden gleißenden Weiß gehalten. 

Umso krasser ist der Kontrast zu dem Milieu, aus dem der verschwundene Lukas Pirchner stammte: Er gehörte zu einer von dem zwielichtigen Ali Kaymaz (Gregor Bloéb) angeführten Schraubergemeinschaft, die mit ihren aufgemotzten Autos illegale Rennen veranstaltet. Die ähnliche Ausrichtung dieser beiden Parallelwelten ist recht reizvoll: Hier werden Autos technisch auf ein höheres Niveau gehoben, dort der Mensch; der verschwundene Pirchner ist das Bindeglied. Geschickt verteilt Bohn zudem die Aufgaben für die beiden Ermittlerinnen: Johanna Stern (Lisa Bitter) muss sich mit dem Macho Kaymaz auseinandersetzen und macht das ziemlich cool, Odenthal sucht nach Beweisen dafür, dass Bordauer bereits dabei ist, seine Vorstellungen von den Menschmaschinen in die Tat umzusetzen. Auf dem Weg dahin ist er bereits, selbst wenn die entsprechenden Eingriffe vergleichsweise harmlos klingen: An bestimmten Stellen im Gehirn eingesetzte Platinen sollen bewirken, dass Menschen nicht mehr unter Depressionen oder Alzheimer leiden. 

Das Institut ist Teil einer Klinik, und Krankenhausseelsorger Ellig (Heinz Hoenig) ist so etwas wie der moralische Gegenentwurf zu diesem modernen Frankenstein. Für den Pfarrer ist Bordauer niemand anders als der Teufel; es sei Satans größter Coup gewesen, die Menschheit glauben zu machen, er existiere gar nicht. Bald drauf ist der Mann tot; sein Kopf wurde zerquetscht wie eine Trinkdose. Die RoboCop-Geräusche, die kurz zuvor zu hören waren, lassen das Finale bereits erahnen; am Schluss nimmt "Maleficium" tatsächlich Züge eines zweitklassigen Hollywood-Films an. Der Titel, wörtlich übersetzt Übeltat, steht für Schurkereien, die mit Hilfe von schwarzer Magie begangen werden. Das hat zwar nur bedingt Bezug zu Bordauers Arbeit als moderner Frankenstein, aber wer Gott ins Handwerk pfuscht, muss selbstredend mit dem Teufel im Bunde stehen.