TV-Tipp: "Tatort: Was ist das für eine Welt"

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26. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Was ist das für eine Welt"
Sie sind die unbesungenen Heldinnen und Helden des Genres, die emsigen Menschen im Hintergrund, die die mühselige Kleinarbeit verrichten, damit die Hauptfiguren am Ende das Puzzle zusammensetzen können.

Fritz Wepper hat es einst als Inspektor Harry Klein und Assistent seines Chefs Derrick immerhin zum TV-Star gebracht, aber ansonsten stehen die Kommissarsanwärterinnen und Oberkommissare nur selten im Mittelpunkt. Das müssen wir ändern, hat man sich offenbar beim ORF gedacht, und deshalb ist der dreißigste gemeinsame Fall für Moritz Eisner und Bibi Fellner nicht zuletzt eine Verbeugung vor den Menschen in der zweiten Reihe. Das Duo vom Wiener BKA leitet zwar die Ermittlungen, aber erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Meret Schande, und das zum Teil sogar buchstäblich: Als ihre Vorgesetzten am Tatort eintreffen, ist die Kriminalassistentin nur zu hören, jedoch nicht zu sehen, weil die Kamera ihre Position einnimmt. 

Schande-Darstellerin Christina Scherrer war schon 2017 das erste Mal zu Gast, ist seit 2021 echtes Teammitglied, hat seither bereits die eine oder andere Duftmarke gesetzt und hatte garantiert große Freude an den heiteren Momenten, die ihr das Drehbuch beschert. Weil sie ungefähr halb so alt ist wie die beiden Vorgesetzten, pflegt sie einen etwas anderen Ermittlungsstil; unter anderem befragt sie eine Zeugin, die als Thekenkraft in einem Club arbeitet, in luftiger Höh’ auf dem Dach, was prompt die Polizei auf den Plan ruft. Originell ist auch die Idee, dass sich ihre Lebensgefährtin (Elena Wolff) die Wartezeit im Revier damit verkürzt, sich die Arme mit Stempeln zu verzieren. Scherrer ist zudem Protagonistin der Rahmenhandlung, in die der Film die Ereignisse bettet: Die Polizistin berichtet einem Psychologen, was sich zugetragen hat, und spricht dabei auch über ihr nicht immer ganz einfaches Verhältnis zu Eisner und Fellner (Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser). Den Grund für das therapeutische Gespräch lässt das Drehbuch (Stefan Hafner, Thomas Weingartner) bis zum Schluss clever offen. Zwischendurch überrascht der Film zudem immer wieder mit kleinen Unterbrechungen, wenn Schande gesteht, was sie dem Oberstleutnant und der Majorin gern an den Kopf geworfen hätte, als die beiden ihre Leistungen wieder mal nicht zu würdigen wissen. Verblüffend sind auch die Werbespot-ähnlichen Einschübe, wenn das Bild plötzlich schrumpft und einer Mitwirkenden (Valentin Postlmayr) sich selbst, seine Arbeit und sein Unternehmen lobpreist. 

Dank dieser kleinen Ausbrüche kann Regisseurin Evi Romen erfolgreich kaschieren, dass die Krimiebene recht dünn ist: Marlon Unger, 29 Jahre, kehrt von einer Radtour heim und wird im Hausflur erstochen. Das Ermittlungsduo ist ratlos und verdächtigt zwischendurch gar die schon in allzu jungen Jahren von Demenz befallene Mutter (Katja Lechthaler). Die Frau neige, wenn sie von einem Schub heimgesucht werde, in der Tat zu einer gewissen Aggressivität, berichtet ein Pfleger, aber ihr Therapeut versichert, sie hätte ihrem Sohn niemals etwas angetan. Am Arbeitsplatz ist man derweil voll des Lobes über Unger: Der Chef spricht von einer aussichtsreichen Zukunft, die Mitarbeiter schätzten ihn als stets gut gelaunten Kollegen. Allerdings gibt es auch Menschen, die weniger gut auf ihn zu sprechen waren: Sein Softeware-Unternehmen hilft Betrieben, ihre Kapazitäten zu optimieren; Ungers Arbeit hatte zur Folge, dass viele Leute ihren Job verloren haben.

Das klingt alles nicht nach einer ungewöhnlichen Krimigeschichte, und davon kann in der Tat keine Rede sein. Wäre da nicht die Idee mit dem anderen Blickwinkel, wäre "Was ist das für eine Welt" kaum der Rede wert, zumal Romens Inszenierung mit Ausnahme der Exkurse kaum nennenswerte Akzente setzt. Die frühere Filmeditorin hat sich mit ihrem fürs Kino entstandenen Debütdrama "Hochwald" (2020) über einen homosexuellen Tänzer aus einem streng katholischen Bergdorf empfohlen. Ihre Arbeit mit dem Ensemble ist allerdings ausgezeichnet, zumal auch Eisner und Fellner zwischendurch aus ihren Rollen fallen dürfen. Amüsant ist beispielsweise eine Szene, in der sich die beiden über ihren jugendlichen Drogenkonsum austauschen, selbigen im gleichen Atemzug aber umgehend dementieren. Als ausgezeichnete Entscheidung entpuppt sich auch die Idee, die musikalische Gestaltung der Indie-Rock-Band Kreisky zu überlassen. Die Lieder der der Wiener Musiker ziehen sich wie ein akustischer roter Faden durch den Film, sogar ein Live-Auftritt konnte schlüssig ins Drehbuch integriert werden.