TV-Tipp: "Dünentod – Ein Nordsee-Krimi: Das Grab am Strand"

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31. Januar, RTL, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Dünentod – Ein Nordsee-Krimi: Das Grab am Strand"
Ein Ermittler sucht eine verschwundene junge Frau und stößt auf einen Serienmörder: Das ist, radikal kurz gefasst, der Handlungskern dieses Auftakts zu einer möglichen neuen RTL-Filmreihe. Die Geschichte ist natürlich weitaus komplexer.

Die beiden wesentlichen Einschaltargumente sind die zentralen Figuren: Hendrik Duryn, viele Jahre lang Hauptdarsteller der stets sehenswerten Serie "Der Lehrer", feiert mit "Dünentod" sein RTL-Comeback. Die Frau an seiner Seite ist Pia-Micaela Barucki, die bereits Erfahrung darin hat, sich neben starken Partnern zu profilieren: Sie war ein erheblicher Grund, sich die Serie "Der König von Palma" (2022, ebenfalls RTL, mit Henning Baum) anzuschauen.

Im ersten von zunächst zwei Filmen spielt sie eine junge Streifenpolizistin in einem ostfriesischen Küstenkaff, das auf Gedeih und Verderb dem vermögenden örtlichen Brauereibesitzer ausgeliefert ist: Knut Nommsen (Lucas Prisor) ist der ungekrönte König von Werlesiel; selbst die Bürgermeisterin steht auf seiner Lohnliste. Als eine seiner Angestellten nach einem Strandfest verschwindet, landet der aus Wilhelmshaven angereiste Kommissar Tjark Wolf bei seinen Ermittlungen ziemlich rasch bei dem unsympathischen Unternehmer, der attraktive junge Mitarbeiterinnen zum Sex nötigt. 

Natürlich ist es erst mal nicht besonders originell, dass nun auch RTL vom "Morden im Norden"-Trend profitieren möchte. Die gleichnamige ARD-Vorabendserie hat 2012 eine regelrechte Welle von Nord- und Ostsee-Krimis losgetreten, in denen es oft heiter zugeht. Davon kann bei "Das Grab am Strand" keine Rede sein, der Reihenauftakt ist auch dank der Musik (Alex Komlew) Thriller pur. Dafür sorgen schon allein die Zwischenschnitte auf die entführte Vicky (Amelie Hennig), die auf perfide Weise in einem Kellerloch gefangen gehalten wird: Sobald sie eine ruckartige Bewegung macht, bekommt sie einen Stromschlag.

Als Wolf gemeinsam mit der einheimischen Kollegin Femke Folkmer den Strand absucht, fallen ihm drei Hügel auf, die nicht in die Landschaft passen; darunter verbergen sich drei weibliche Leichen. Wolfs Chef, Hauke Berndsten (Florian Panzner), ist jedoch überzeugt, dass diese Verbrechen nichts mit Vickys Verschwinden zu tun haben; die Frauen waren osteuropäische Sexarbeiterinnen.

Ein weiterer Verdächtiger neben Nommsen ist ein meist betrunkener Wattführer (David Bredin), der gern Schauergeschichten über Seegeister verbreitet ("Mit der Flut kommt der Tod"); vor seinem Wohnwagen in den Dünen wird schließlich Vickys Leiche gefunden. Als kurz drauf eine weitere junge Frau verschwindet, wird die Sache persönlich: Journalistin Jule (Franziska Brandmeier), die Material für einen Bericht über den niedersächsischen Ort mit der niedrigsten Kriminalitätsrate sammeln wollte, ist Berndstens Tochter.

Wie immer bei Literaturverfilmungen – die beiden "Dünentod"-Filme basieren auf Büchern von Sven Koch – bestand die Arbeit der Autoren Kai-Uwe Hasenheit und Jan Cronauer nicht zuletzt in der Reduktion von Komplexität. Wolfs Romanvorbild hat unter anderem ein äußerst distanziertes Verhältnis zu Wasser, das in der Adaption allenfalls angedeutet wird: Mehrfach zeigen Rückblenden den kleinen Tjark, der seiner versinkenden Mutter nachschaut. Dass der Film auf dieses Element verzichtet, ist erstaunlich: Gegen Ende muss der Kommissar die im steigenden Wasser an eine Boje gekettete Jule retten; seine Hydrophobie hätte der Szene zusätzlichen Nervenkitzel beschert. 

Wie gut Ismail Şahin das Thriller-Genre beherrscht, hat er mit seinem Abschluss der Degeto-Reihe "Mordkommission Istanbul" ("Entscheidung in Athen", 2021) sowie zuletzt mit zwei nicht minder fesselnden "Amsterdam-Krimis" (2022) gezeigt. Sehenswert ist "Das Grab am Strand" auch wegen der Bildgestaltung, die die Szenerie in ein fahles Italo-Western-Licht taucht; Aljoscha Hennig war bereits bei den drei anderen Filmen dabei.

Das Ensemble ist gleichfalls ausgezeichnet zusammengestellt. Duryn versieht den erfahrenen Polizisten, dem ein gewisser Ruf vorauseilt, mit deutlich mehr Ecken und Kanten als seine einstige Serienfigur; auf Anhieb sympathisch ist Wolf jedenfalls nicht. Trotzdem finden er und Femke nach einer ruppigen ersten Begegnung ("nicht alle Latten am Zaun") dank ihres ähnlichen kriminalistischen Instinkts rasch zueinander. Die junge Kollegin ist selbstverständlich viel zu talentiert für ihren Job als Streifenpolizistin. Wolf rät ihr dennoch von der angestrebten Versetzung zur Kripo ab: "Das ist eine kaputte Welt da draußen"; und darum geht es im zweiten Film.