TV-Tipp: "Tatort: Murot und das Gesetz des Karma"

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25. September, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Murot und das Gesetz des Karma"
Zwei Trickdiebinnen erbeuten einen Koffer mit brisantem Material und versuchen sich in einer Erpressung. Die Schauspielerin Anna Unterberger ist ein gleichwertiges Gegenüber für Ulrich Tukur in diesem Murot-Tatort mit vielen Skurrilitäten.

Kleine Sünden, hieß es früher, bestraft der liebe Gott sofort, und womöglich ist im titelgebenden Gesetz des  Karma ja Ähnliches vorgesehen: Kaum hat Murot im Tagungsraum eines Hotels vor Vertretern einer Versicherung einen Vortrag über die Bedeutung von Prävention gehalten, wird er Opfer seiner eigenen Nachlässigkeit.

Den kleinen Nebenerwerb hätte der Wiesbadener LKA-Kommissar (Ulrich Tukur) eigentlich seinem Arbeitgeber melden müssen, wie er später einräumt, und prompt hat er nicht lange Freude an seinem Auftritt. Ein anschließendes Tête-à-Tête in der Bar endet mit erheblichen Kopfschmerzen am nächsten Tag: Die attraktive junge Frau entpuppt sich als Trickbetrügerin, die Geschäftsleuten in Luxushotels k.o.-Tropfen verabreicht und sie um ihre Brieftaschen erleichtert.

Vor dem Hintergrund dieses Diebstahls entwickelt das Drehbuch von Matthias X. Oberg (auch Regie) und Lars Hubrich nun eine Geschichte, die geschickt zwei gänzlich unterschiedliche Handlungsebenen miteinander verknüpft.

Zu den Opfern Evas (Anna Unterberger) gehörte am selben Abend auch ein nervöser Mann (Dirk Martens) mit Aktentasche, deren Inhalt ihm offenbar äußerst wichtig war, lebenswichtig sogar, wie sich zeigt, denn als er den verschwundenen Inhalt übergeben will, ist es um ihn geschehen. Auf dem geklauten Laptop entdecken Eva und ihre Freundin (Marlina Mitterhofer) brisante Unterlagen, die ein höchst erfolgreiches Unternehmen in größte Schwierigkeiten bringen könnten.

Delphi Invest ist der neue Star am DAX-Himmel. Die Behörden ahnen, dass Konzernchef Schöller (Philipp Hochmair) sein Geschäftsmodell im Stil von Wirecard betreibt, aber weil die Geldflüsse der über die ganze Welt mäandernden Milliarden unmöglich nachzuvollziehen sind, konnte dem Mann bislang nichts nachgewiesen werden; kein Wunder, dass die beiden Frauen ihre große Chance wittern.

Schon dieser Teil der Geschichte ist ausgesprochen unterhaltsam, weil das Autorenduo die Handlung des Öfteren um kleine Heiterkeiten ergänzt: Schöllers Mann fürs Grobe, Xavier (Thomas Schmauser), ist selbst dann noch überzeugt, alles im Griff zu haben, wenn ihm die Dinge längst entglitten sind. Die zweite Ebene wiederum sorgt dafür, dass diese Ermittlungen für den LKA-Kommissar kein Fall wie jeder andere sind.

Der Film beginnt mit einem Prolog im Format 4 zu 3. Die einige Jahrzehnte alten Super-8-Aufnahmen zeigen Urlaubsbilder aus Griechenland. Der Bezug zu Murot ergibt sich, als Eva in ihrem Diebesgut seinen uralten Führerschein entdeckt; der Mann auf dem Foto kommt ihr bekannt vor.

Fortan sorgt Oberg in seinem ersten Sonntagskrimi für eine geschickte Verquickung der beiden Ebenen. Weil Murot in jeder Hinsicht derangiert ist, übernimmt vorerst seine Mitarbeiterin Wächter (Barbara Philipp) die Ermittlungen. Mord ist nicht witzig, aber der Film erfreut immer wieder durch skurrile Momente und Koinzidenzen: Murot tut so, als habe Wächters Anruf ihn daheim erreicht, aber der Schwindel fliegt umgehend auf, als die Kollegin die Aufnahmen der hoteleigenen Überwachungskameras sichtet.

Dass ihr Chef seinen Rausch ausgeschlafen hat, während ein Stockwerk höher ein Mord begangen wurde, empört sie deutlich mehr als die Tatsache, dass er das Vortragshonorar verschweigen wollte. Auch im weiteren Verlauf der Handlung ist der Kommissar nicht recht bei der Sache, denn die junge Frau geht ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Es ist grundsätzlich ein Vergnügen, Ulrich Tukur zuzuschauen, aber diesmal muss er sich die Meriten teilen: Die Südtirolerin Anna Unterberger, in den "Steirerkrimis" im "Ersten" erst gestern wieder als schlagfertige junge Ermittlerin an der Seite von Hary Prinz zu sehen, hat großes Vergnügen daran, als Kleinganovin in lauter unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Als sich Eva mit Schöller in dessen eindrucksvollem Firmensitz trifft, kommt sie auf vierrädrigen Rollschuhen.

Natürlich ist die Erpressung mehrere Nummern zu groß für die beiden Frauen, doch auch in dieser Hinsicht setzen Oberg und Hubrich eine überraschende Pointe, als Xavier in eine äußerst schmerzhafte Falle tappt. Am Rand der Handlung sorgt das Drehbuch für weitere unerwartete Aufeinandertreffen.

Seinen Titel verdankt der Film Murots Besuch bei Wächters indischem Arzt, der ihn darüber informiert, dass negatives Karma durch Eingriffe in das Leben anderer entstehe. Die bizarrste Begegnung ist allerdings ein Bar-Gespräch mit Bauchredner Bernd (Sascha Nathan), und Jan Georg Schütte freut sich sichtlich über seinen fröhlichen Gastauftritt als einstiger Nebenbuhler des jungen Murot.