Annette Kurschus ist neue Ratsvorsitzende der EKD

Von rechts nach links: Annette Kurschus und Kirsten Fehrs
© epd-bild/Jens Schulze
Die westfälische Präses Annette Kurschus ist zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt worden. (Foto v.l.: Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, neue Stellvertretende Ratsvorsitzende, und Annette Kurschus).
EKD-Spitze
Annette Kurschus ist neue Ratsvorsitzende der EKD
Die evangelische Kirche hat heute über das neue Gesicht an ihrer Spitze entschieden. Die westfälische Präses und bisherige Vize-Ratsvorsitzende Annette Kurschus wurde zur neuen Ratsvorsitzenden der EKD gewählt. Stellvertretende Ratsvorsitzende ist die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs.

Die westfälische Präses Annette Kurschus wurde mit großer Mehrheit zur neuen Ratsvorsitzenden gewählt. Die 58-Jährige war zuvor bereits stellvertretende Ratsvorsitzende und ist nach Margot Käßmann die zweite Frau an der Spitze der EKD in deren Geschichte. Kurschus folgt auf Heinrich Bedford-Strohm, der nicht für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidierte. Zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden wurde die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs gewählt.

Das Wahlergebnis

Annette Kurschus wurde mit 126 Stimmen gewählt. Es gab 4 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen. Sie hatte gestern bei den Wahlen zum Rat der EKD auch als erste die notwendige Stimmenzahl zum Einzug in das Gremium erhalten. Kurschus steht seit 2012 an der Spitze der westfälischen Landeskirche, die derzeit rund 2,1 Millionen Mitglieder hat. Besonders geschätzt sind die Predigten der ruhig und überlegt auftretenden Theologin. Bei den Wahlen zum Rat der EKD war Kurschus am Dienstag als einzige Kandidatin bereits im ersten Wahlgang mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit in das kirchliche Leitungsgremium gewählt worden.

Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs wurde mit  116 Stimmen zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden der EKD gewählt. Es gab 11 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen. Die 60 Jahre alte Fehrs zog mit großer Stimmenanzahl im zweiten Wahlgang in den Rat ein. Sie ist seit 2011 Hamburger Bischöfin. Der Sprengel Hamburg gehört zur Nordkirche, die 1,9 Millionen Mitglieder hat. Fehrs gehörte zudem bislang dem Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der EKD an, dessen Sprecherin sie von 2018 bis 2020 war. Kurschus und Fehrs waren beide Mitglieder im vorhergehenden Rat der EKD.

Females for Future: Die Spitze der evangelischen Kirche wird weiblich und jünger.

In einer kurzen Rede nach der Wahl, in der sie sich für das Vertrauen der Delegierten bedankte, versprach die neue Ratsvorsitzende, dem Thema Missbrauch künftig an der Spitze der EKD mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie verwies auf die Forderung von Opfern sexualisierter Gewalt, das Thema zur Chefinnensache zu machen. „Das werde ich tun“, beteuerte Kurschus. Betroffene hatten am Montag bei der digital tagenden Synode Kritik an der Aufarbeitung von Missbrauch in der evangelischen Kirche geäußert. "Das waren starke, schmerzliche und bitter notwendige Momente", sagte Kurschus.

Sie stehe für eine Kirche, die hinsehen hinhören und Unrecht benennen wolle, auch das eigene Unrecht, und Schuld eingestehen, um Vergebung bitten, neue Wege einschlagen. Große Aufgaben lägen vor der Kirche. Sie will sie nach eigenen Worten auf Menschen zugehen, die von der Kirche enttäuscht sind. Die Erwartungen an die Kirche seien "immer noch und immer neu groß", sagte sie. Das spiegele sich auch in herber Kritik und tiefen Enttäuschung. Zugleich seien die großen Erwartungen ein gutes Zeichen, weil sie Interesse an der kirchlichen Botschaft der Hoffnung zeigten.

"Wir haben einen großen und kostbaren Auftrag, den sonst so niemand hat", sagt Kurschus. "Wir blicken anders auf die Welt. Deswegen braucht die Welt uns", sagt Kurschus. Hoffnung spiele dabei eine wesentliche Rolle. "Weil wir mit der Botschaft von der wir leben die Hoffnung behalten. Hoffnung ist ein rares Gut geworden in einer Welt, die aus so vielen Wunden blutet und deren Verletzlichkeit uns selbst gerade auf so nie geahnter Weise bewusst wird." Die Kirche habe auch einen Ton in die Welt einzutragen, den sonst niemand habe. "Die Mitte unserer Aufmerksamkeit und unseres Tuns liegt an den Rändern, weil der, der die Mitte unseres Glaubens ist selbst immer an den Rändern unterwegs war. An den vermeintlichen Rändern. Bei den Schwachen und Verletzten. Bei den Verlierer:innen und Abgehängten."

Leben soll lebenswert bleiben

Als weitere Schwerpunkte für ihren Ratsvorsitz nannte sie das Thema Klimawandel. Die vornehmlichste Aufgabe sei, dass Leben auf der Erde lebenswert zu halten, weil es so stark gefährdet sei wie nicht zuvor. 

"Der Rückenwind ist stark. Er erdet und stärkt, ist Auftrag und Anspann zugleich", sagte Kurschus zu ihrer Wahl. Auf die Zusammenarbeit mit den neuen Rat der EKD sei sie gespannt. Sie baut auf die frischen Blicke, unverbrauchten Ideen und dem kritischen Hinterfragen derer, die neu im Rat der EKD hinzukommen. Annette Kurschus dankte Heinrich Bedford-Strohm für seine Arbeit als Ratsvorsitzender der EKD. Er habe eine Spur der Liebe gelegt. 

Hoffnungsmut und Aufbruch

Auch Kirsten Fehrs freut sich auf die neue Aufgabe als stellvertretende Ratsvorsitzende und will mit Hoffnungsmut und aufrichtigem Dialog mehr Aufbruch wagen. "Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten!" (Psalm Davids).

Präses Anna-Nicole Heinrich gratulierte zum Ergebnis der Wahl und sagte: "Zusammen als Rat werden wir unschlagbar sein und wirksam die Position der evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit vertreten." Zusammen würden sie Halt und Orientierung geben wollen.

Die Ratsvorsitzende repräsentiert die rund 20,2 Millionen Protestanten in Deutschland und ist damit wichtige öffentliche Stimme der evangelischen Kirche. Die EKD wird damit künftig vor allem von Frauen in der Öffentlichkeit repräsentiert. Auch die Präses der EKD-Synode, die im Frühjahr gewählte 25-jährige Anna-Nicole Heinrich, ist eine Frau und qua Amt ebenfalls 15 Mitglied im Rat, dem insgesamt acht Frauen und sieben Männer angehören