Ein Dom-Jubiläum mit manchem Rätsel

 Ratzeburger Dom in Ratzeburg
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Den 850. Geburtstag der prächtigen Basilika feiert die Kirchengemeinde in Ratzeburg am 19. 09.2021.
850-jähriges Bestehen
Ein Dom-Jubiläum mit manchem Rätsel
Ratzeburg feiert am Sonntag seinen Dom
Niemand weiß genau, wie alt der Ratzeburger Dom wirklich ist. Trotzdem feiert die Kirchengemeinde am Sonntag (19. September) den 850. Geburtstag der prächtigen Basilika.

Mit einem Festprogramm wollen die Ratzeburger am Sonntag (19. September) den 850. Geburtstag ihres Doms feiern. Das Jubiläum sollte eigentlich 2020 stattfinden, wurde coronabedingt aber verschoben. Wie alt der Ratzeburger Dom wirklich ist, weiß niemand so genau. Dennoch war 1170 ein wichtiges Datum in der Geschichte, findet die Kirchengemeinde.

Der Ratzeburger Dom auf der malerischen Altstadtinsel zählt zu den ältesten Gebäuden Schleswig-Holsteins und wurde von Herzog Heinrich dem Löwen gestiftet. Das zumindest ist unstrittig. Das Online-Lexikon Wikipedia datiert die Grundsteinlegung auf den 11. August 1154. Demnach wäre der Dom aber schon 866 Jahre alt. „Das Datum stimmt definitiv nicht“, sagt Domprobst Gert-Axel Reuß. 1154 sei lediglich auf dem Reichstag von Worms das Bistum gegründet worden. Anhand von Dokumenten zum Lübecker Dom müsse die Grundsteinlegung in Ratzeburg später erfolgt sein, vermutlich zwischen 1160 und 1170.

Dass nun 1170 bei der Jubiläumsfeier als Gründungsdatum angenommen wird, hat mit dem Märtyrer Ansverus (1038-1066) zu tun. Seine Gebeine wurden 1170 in den Ratzeburger Dom überführt. „Mit der Deponierung dieser Reliquien im Altar war der Dom nach mittelalterlicher Auffassung geweiht. Seitdem fanden Gottesdienste im Dom statt“, sagt Claudia Tanck, Archivarin des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Mitten auf einer riesigen Baustelle begann also vor 851 Jahren das kirchliche Leben. Erst 1220 wurde der Dom fertig.

Der brennende Dom am 19. August 1893.

1554 verkaufte ihn der evangelische Bischof Christoph von der Schulenburg für 10.000 Taler an den Herzog von Mecklenburg. Erst 1937 wurde die Domhalbinsel politisch der preußischen Provinz Schleswig-Holstein zugeschlagen.

Kirchlich blieb der Dom weiterhin mecklenburgisch, während die anderen Ratzeburger Stadtkirchen Teil der Schleswig-Holsteinischen und später der Nordelbischen Kirche waren. Während der deutsch-deutschen Teilung blieb die Landeskirche Mecklenburg formal für den Dom zuständig, das Geld für die Unterhaltung des Doms und die anspruchsvolle Kirchenmusik kam seit 1980 von der Nordelbischen Kirche. Nach der Wende wurde diese Praxis 1997 von beiden Landeskirchen vertraglich festgeschrieben.

Rund 450 Jahre gehörte der Ratzeburger Dom zu Mecklenburg. Am 1. Januar 2017 wurde er schließlich Teil des evangelischen Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Am Gemeindealltag änderte sich dadurch nicht viel. Pastor Gert-Axel Reuß durfte sogar seinen außergewöhnlichen Titel behalten: „Ratzeburger Domprobst“ - der einzige in der Nordkirche mit einem „b“.

Traditionell gilt der Ratzeburger Dom als Bindeglied zwischen Ost und West, liegt er doch nur fünf Kilometer von der ehemaligen DDR-Grenze entfernt. So wurde hier am 5. Februar 2009 der Fusionsvertrag zur Nordkirche unterzeichnet. Pfingsten 2012 feierten mehr als 12.000 Menschen rund um den Dom das Gründungsfest der Nordkirche. Die Gemeinde umfasst heute noch 650 feste Mitglieder. Jährlich zieht es aber auch 10.000 Touristen zum Dom.

Wenn die Bischöfin Kirsten Fehrs am 19. September um 11 Uhr zum Festgottesdienst kommt, wird sie ihn nicht in seiner ganzen Pracht sehen. Der 48 Meter hohe Turm ist seit Anfang 2018 eingerüstet. Wegen eindringender Feuchtigkeit müssen die Fugen saniert werden. Weil einige Steine bereits locker sind, wurden an dem Gerüst Fangnetze montiert. Domprobst Reuß rechnet mit einer Investition von über einer Million Euro und hofft, dass die Sanierung 2023 starten kann. „Fertig ist die Kirche eben nie.“