TV-Tipp: "Tatort: Das ewig Böse", "Der doppelte Lott"

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14. September, BR, 20.15 Uhr / WDR, 22.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Das ewig Böse", "Der doppelte Lott"
In irgendeinem der dritten Programme ist immer Sonntag: Es vergeht quasi kein Tag ohne "Tatort".  Heute bescheren BR und WDR ein Doppelpack aus Münster, wobei der Reiz der beiden Filme nicht zuletzt in ihrem Alter liegt.

Sie stammen aus den Jahren 2005 und 2006, es handelt sich um die Episoden acht und neun.

Der BR beginnt mit "Das ewig Böse". Die interessanteste Personalie ist dabei der Regisseur: Rainer Matsutani passt zu Thiel und Boerne (Axel Prahl, Jan Josef Liefers) wie die Faust aufs Auge. Damit war damals nicht unbedingt zu rechnen: Matsutani, gut zehn Jahre zuvor für seine fröhliche Gruselgroteske "Nur über meine Leiche" (1995) als neue Regiehoffnung gefeiert und heute längst etabliert, hat seither tüchtig an seinem Ruhm gekratzt. "666 – Traue keinem, mit dem du schliefst" (2002) war bloß noch eine Klamotte. Eine Enttäuschung war auch seine RTL-Trilogie "Die Stimmen" mit Mariele Millowitsch als Kommissarin: Hier offenbarte der Regisseur überraschende Schwächen in der Darstellerführung.

Umso erfreulicher ist dieser "Tatort". Der neunte Fall des damals seit fünf Jahren ermittelnden Doppels brauchte keinerlei Vergleich mit den früheren Krimis aus Münster zu scheuen: Matsutani (Buch und Regie) trifft den Tonfall haargenau. Vor allem gelingt ihm die perfekte Balance aus Krimi und Komödie: Die Dialogduelle zwischen dem Polizisten und dem blasierten Rechtsmediziner liefern zwar die komischen Elemente des Films, doch die Suche nach der Lösung für die diversen Morde bleibt jederzeit spannend. Reizvoll ist auch die scheinbar komplizierte Geschichte mit gleich einer Handvoll Morden, die zunächst in keinerlei Zusammenhang zueinander stehen: Ein Plätzchenfabrikant, ein Gleitflieger, der tot vom Himmel fällt, ein Pudel und ein allzu gieriger und grabschiger Aufsteiger beißen der Reihe nach ins Gras. Matsutani orientierte sich ausdrücklich an den Kriminalromanen Agatha Christies, und deshalb darf Thiel wie weiland Hercule Poirot am Ende sämtliche Verdächtige um sich versammeln, um die Geschichte zu einem souveränen Ende zu führen.

Bis es soweit ist, müssen der mufflige Thiel und der sarkastische Boerne  allerdings noch einige Nüsse knacken. Vor allem aber dürfen sie ihre Auftritte genießen, wobei der Rechtsmediziner beispielsweise als Hobbyzauberer wieder mal eindeutig die besseren Momente hat. Thiel muss sich stattdessen mit seinem Vater herumärgern: Er hat ihm leichtsinnigerweise 8.000 Euro gepumpt hat, die der Luftikus postwendend verzockt hat.

Ungleich imposanter als diese Nebenschauplätze ist dennoch die eigentliche Handlung, in der wieder mal eine großbürgerliche Fassade eingerissen wird: Offenbar ist der Kopf einer Keksdynastie vergiftet worden, weil er die florierende Firma in eine Stiftung umwandeln sollte. Selbstredend ist die komplette Sippschaft verdächtig. Die Familienmitglieder sind ausnahmslos treffend besetzt, doch Karoline Eichhorn, Aleksandar Jovanovic und die junge Teresa Weißbach ragen aus dem Ensemble noch heraus. Hübsch ist auch die Gastrolle für Christel Peters als Boernes gefürchtete Lehrerin, die den Rechtsmediziner prompt auf Grundschulmaß zurechtstutzt.

Auch "Der doppelte Lott" ist eine Geschichte mit einem Augenzwinkern. Einen Toten gibt es trotzdem: Der erzkonservative Kandidat für den Posten des Bürgermeisters ist erstochen worden. Entsprechend verblüfft ist Thiel, als sich Frieder Lott (Alexander Held) kurz drauf bester Gesundheit erfreut. Des Rätsels Lösung: Der Tote ist ein stadtbekannter Kabarettist, der den Kandidaten mit seinen Parodien zur Weißglut gebracht hat. Doch wem galt nun der Anschlag: dem Rechtspopulisten - oder womöglich dem Doppelgänger? Rasch zeigt sich nämlich, dass auch der diverse Feinde hatte; seinem Freund zum Beispiel gefiel es gar nicht, dass sein Partner neuerdings einem Staatsanwalt aus Köln schöne Augen machte.

Das Autoren-Duo Stefan Cantz und Jan Hinter hat das Duo aus Münster erfunden und ist regelmäßig ein Garant für Kurzweiligkeit. Auch diesmal gelingt ihm die Gratwanderung: Der "Tatort" bleibt stets Krimi und ist dank der gewohnt trocken humorvollen Frotzeleien zwischen Thiel und Boerne trotzdem in hohem Maße unterhaltsam, und da Manfred Stelzers Filmografie zu gleichen Teilen aus Krimis und Komödien besteht, ist er genau der richtige für diesen Stoff. Dank eines Flirts zwischen dem Kommissar und einer hübschen jungen Russin (Chulpan Khamatova) sorgt das Drehbuch zudem für eine ganz neue Farbe in den Münster-Krimis; selbst wenn der arme Thiel nicht ahnen kann, dass auch Larissa in den Fall verstickt ist. Außerdem gerät Boerne zwischenzeitlich in den Verdacht, einen Mann überfahren zu haben und anschließend geflüchtet zu sein. Erst spät erkennt das ungleiche Ermittler-Team, dass beide Todesfälle zusammengehören. Hübsch ist auch der Gastauftritt der beiden Kölner "Tatort"-Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär): Deren Rechtsmediziner (Joe Bausch) muss sich um jenen Toten kümmern, den Boerne angeblich auf dem Gewissen hat.