TV-Tipp: "Das Versprechen"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Das Versprechen"
Montag, 26.4., ZDF, 20.15 Uhr
Wenn ein Elfjähriger eine Bank überfällt, ist das vermutlich eher ein Hilfeschrei als ein Verbrechen. Bei Bendix liegen die Dinge aber etwas komplizierter; und davon handelt der Film "Das Versprechen", den Till Endemann nach einem Drehbuch der mehrfachen Grimme-Preisträgerin Beate Langmaack gedreht hat.

Das Drama beginnt mit dem Überfall und erzählt dann in langer Rückblende, wie es dazu kam. Das Leben von Bendix (Mika Tritto) nimmt eine entscheidende Wende, als er nach einem Spendenlauf die fünf Jahre ältere Jule (Ella Morgen) kennenlernt. Auch für sie wird die Begegnung Folgen haben, aber das können die beiden zunächst nicht ahnen, als Bendix sie dabei beobachtet, wie sie sich in einer Unterführung mit einer Zigarette Löcher in die Wade brennt. Jule sagt über sich, sie sei ein "Psycho", und vermutlich hätten sich die beiden nie wiedergesehen, wenn sie nicht ihr Smartphone liegengelassen hätte.

Mit dem Wort "Psycho" kann Bendix nicht viel anfangen, aber dass Menschen seltsame Dinge tun, erlebt er regelmäßig: An guten Tagen ist sein Vater Fabian (Andreas Döhler) ein liebenswerter Mensch, aber an schlechten Tagen verschwindet er seit dem Tod seiner Frau in einem Schwarzen Loch. Jule kennt das, wenn auch nicht von sich selbst: Sie rastet regelmäßig aus und zerstört schreiend, was ihr gerade in die Finger kommt; der Fachbegriff für diese Erkrankung ist Affektive Dysregulation. Daher geht sie nach der Schule regelmäßig in eine psychiatrische Tagesklinik für Kinder und Jugendliche, und deshalb weiß sie, dass Fabian eine Depression hat. Die gute Nachricht: Man kann ihm helfen. Die schlechte: Bendix hat seinem Vater versprochen, ihn nie allein zu lassen, und dieses Versprechen kann er nicht halten, wenn Fabian stationär in eine Klinik und er in eine Pflegefamilie muss.

Wie Langmaack und Endemann diese Geschichte entwickeln, wie zwischen Bendix und Jule nach und nach ein geschwisterliches Vertrauen entsteht, wie der Junge schließlich auf die aberwitzige Idee mit dem Banküberfall kommt: Das ist mit enorm viel Feingefühl erzählt. Mindestens so groß wie der Anteil von Buch und Regie ist jedoch der Beitrag von Mika Tritto und Ella Morgen, wobei sie die deutlich schwierigere Rolle hat: Wenn Jule von ihren Emotionen überrollt wird, hätte das bei einer Darstellerin mit weniger Talent auch leicht in eine andere Richtung kippen und unfreiwillig komisch wirken können. Morgen sorgt mit ihrem vielschichtigen Spiel dafür, dass das Mädchen jederzeit glaubwürdig ist, denn Jule kann auch Charme versprühen und eine ansteckende Fröhlichkeit verbreiten; bis wieder was schiefgeht.

Mit der Verantwortung, die sie für Bendix übernimmt, macht sie einen entscheidenden Schritt in Richtung Erwachsenwerden, und wie die junge Schauspielerin das vermittelt, ist unbedingt preiswürdig. Ihr offenkundiges Talent zeigt sich nicht zuletzt in den gemeinsamen Szenen mit den etablierten Kolleginnen und Kollegen, die ihre ungleich kleineren Rollen mit ähnlich viel Größe verkörpern: Christina Große und Oliver Stokowski als Jules hilflose Eltern, Barbara Auer als ihre kluge Therapeutin.

Mika Tritto macht seine Sache ebenfalls prima. Seine berührendsten Szenen kommen ohne Dialog aus, weil der Film dank Endemanns behutsamer Inszenierung keine Worte braucht, um zu schildern, wie Vater und Sohn die Rollen tauschen, wenn Fabian nur noch vor sich hin brütet.

Darüber hinaus hat Langmaack sehr schöne Beschreibungen gefunden, um die Krankheiten auch für junge Zuschauer auf nachvollziehbare Weise zu erklären: Wenn etwas nicht so klappt, wie Jule sich das vorgestellt hat, werden ihre Gedanken von einer Springflut überschwemmt; dann ist sie, wie sie sagt, nicht mehr Kapitänin auf ihrem eigenen Schiff. Bendix sagt ihr, er fühle sich manchmal wie auf einer Eisscholle, die mit ihm und seinem Vater davon treibt. Jule erklärt ihm Fabians Depression mit einer Schneedecke, unter der man langsam erfriert.

Neben den herausragenden schauspielerischen Leistungen liegt die große Qualität des Films in der Fertigkeit, die beiden Krankheitsgeschichten zwar ungeschönt, aber dennoch mit Zuversicht zu erzählen. Dieses Kunststück ist Autorin Langmaack ("Guten Morgen, Herr Grothe") schon einmal gelungen: Das 2013 mit dem Geisendörfer-Preis ausgezeichnete Drama "Blaubeerblau" (ARD, Regie: Rainer Kaufmann) war ein Film übers Sterben, machte aber Lust aufs Leben.

Für Endemann ist "Das Versprechen" dagegen eher ungewöhnlich: Sein letzter Film, "Im Schatten der Angst" (2020, ZDF), war ein fesselnder Psycho-Thriller mit Julia Koschitz als Gerichtsgutachterin, die einen Angeklagten für einen Serienmörder hält. Sein Renommee als Regisseur verdankt er authentischen Stoffen, die er im Auftrag des SWR verfilmt hat, allen voran "Flug in die Nacht" (2009), ein Film über das Unglück von Überlingen; ähnlich sehenswert waren "Carl & Bertha" (2011) und "Unter Anklage" (2014), ein Justizdrama über den Fall Harry Wörz.