TV-Tipp: "Klara Sonntag: Kleine Fische, große Fische"

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TV-Tipp: "Klara Sonntag: Kleine Fische, große Fische"
Freitag, 23. April, ARD, 20.15 Uhr
Der Auftakt der Tragikomödie "Klara Sonntag: Kleine Fische, große Fische" mit Mariele Millowitsch ist originell, aber nur ein Scherz: Während einer Gerichtsverhandlung fällt der Richter plötzlich aus seiner Rolle und bricht in Gesang aus, kurz drauf tanzt der ganze Saal; Höhepunkt der Musical-Einlage ist ein Heiratsantrag. Die Szene entpuppt sich als Alptraum, allerdings mit starken Bezug zur Realität.

Klara Sonntag und Richter Thomas Aschenbach (Bruno Cathomas) sind in der Tat ein Paar, allerdings getrennt von Tisch und Bett; Klara lebt nach der Devise, dass manche Suppe ungebunden besser munde. Thomas, der sich auch wegen ihr von seiner Frau getrennt hat, würde sie gern in seinem geräumigen Haus willkommen heißen, aber sie bleibt eisern.

Die Beziehungsebene ist jedoch nur das Hintergrundrauschen der Geschichte, die Sebastian Orlac in seinem ersten Drehbuch für eine mögliche neue Freitagsfilmreihe erzählt. Im Wesentlichen dreht sich "Kleine Fische, große Fische" um Klaras Beruf: Sie arbeitet als Bewährungshelferin für den Sozialen Dienst des Kölner Landgerichts, bei dem auch Thomas beschäftigt ist, weshalb sich  ihre Wege tagsüber ebenfalls des Öfteren kreuzen.

Klara ist mit einer deutlich jüngeren und zudem schnöseligen Chefin (Jasmin Schwiers) geschlagen, die ihre Mitarbeiterin am liebsten bloß Akten wälzen ließe: Klara kann nicht immer verhindern, dass ihr Temperament mit ihr durch geht; dass sie ihren eigenen Kopf hat, versteht sich ohnehin von selbst.

Das bekommt auch Merle Scheffler (Nadja Becker) zu spüren. Die Unternehmerin ist wegen Insolvenzbetrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden und soll 300 Sozialstunden in einer Einrichtung für entlassene Strafgefangene ableisten. Die Frau sieht allerdings gar nicht ein, von ihrem hohen Ross zu steigen und sich in die Niederungen des Alltags zu begeben. Ihr großzügiges Anwesen hat sie beizeiten ihrer Haushälterin (Johanna Gastdorf) überschrieben. Thomas vermutet, dass sie irgendwo fünf Millionen Euro gebunkert hat; er bittet seine Freundin, die Augen offenzuhalten. Darauf lässt sich Klara jedoch nicht ein: Sie hat zwar eine ganz erhebliche Abneigung gegen Menschen wie Merle Scheffler, folgt aber eisern ihrer Maxime, dass jeder eine zweite Chance verdient habe; und zur Not sogar eine dritte.

Für diese Devise steht ein alter Mann, der eine lange kriminelle Karriere hinter sich hat: Rudi Dülmen (Christian Grashoff), mittlerweile achtzig, hat vor fünfzig Jahren einen Polizisten erschossen. Heute würde er alles tun, um die Tat ungeschehen zu machen. Durch Zufall findet die Bewährungshelferin raus, dass Rudi ihren Lebensweg schon einmal gekreuzt hat: Die kleine Klara war ein Findelkind. Sie erinnert sich noch, dass ihre Mutter sie als Dreijährige auf einer Parkbank abgesetzt hat.

Nun hat es den Anschein, als habe Rudi entscheidend dazu beigetragen, dass das Kind in Heimen und Pflegefamilien aufwachsen musste; die Abwesenheit einer dauerhaften Bezugsperson dürfte erklären, warum die erwachsene Klara unter einer gewissen Bindungsunfähigkeit leidet. Die Vermutung, dass Rudi dafür verantwortlich sein könnte, ist zwar nicht ganz falsch, aber nicht mal die halbe Wahrheit, weshalb Klaras Kraft zur Vergebung auf eine echte Probe gestellt wird.

Für Mariele Millowitsch, in all’ ihren Filmen stets automatisch Sympathieträgerin, ist die Titelheldin mal eine etwas andere Rolle: Klara hört beim Autofahren laute Rockmusik und singt dabei gern mit, ihr Dekolletee offenbart eine Tätowierung; doch das sind bloß die äußerlichen Merkmale. Natürlich ist sie eine patente Frau mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, aber zwischendurch reagiert sie auch mal ungerecht; erst recht, wenn ihr jemand emotional zu nahe kommt.

Ihr eigener ungerader Lebensweg ist natürlich eine gute Voraussetzung, um sich in ihre Klienten hineinversetzen zu können, auch wenn ihre Empathie Grenzen hat; dann kann sie auch schon mal aus der Haut fahren, was Millowitsch einige herzhafte Dialogzeilen beschert. Die rockige Filmmusik (Ali N. Askin) entspricht perfekt dem Temperament der Hauptfigur und sorgt zumindest akustisch für Tempo.

Regie führte Oliver Schmitz, der sich schon in diversen Genres von Krimi über Komödie bis Drama bewährt hat. Das erweist sich als ausgezeichnete Voraussetzung für die Geschichte, denn "Klara Sonntag: Kleine Fische, große Fische" passt in keine Schublade. Wenn sich genügend Zuschauer finden, wird die Bewährungshelferin zur Reihenfigur. Ideen für Fortsetzungen gibt es bereits.