Predigt zum Eröffnungsgottesdienst der EKD-Synode

Die Predigt zum Fernsehgottesdienst aus der Johanneskirche in Eltville-Erbach hielt der Landesbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein.
epd-bild/Michael Schick
Die Predigt zum Fernsehgottesdienst hielt der Landesbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein.
Predigt zum Eröffnungsgottesdienst der EKD-Synode
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat am Sonntag mit einem Eröffnungsgottesdienst aus der Johanneskirche im hessischen Eltville-Erbach begonnen. Wegen der Corona-Pandemie findet die EKD-Synodentagung digital statt und wurde auf zwei Tage verkürzt.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) berät bei ihrer am Sonntag beginnenden Synodentagung über zentrale Zukunftsfragen. Angesichts sinkender Mitgliedszahlen und Kirchensteuereinnahmen steht unter anderem eine stärkere Zusammenarbeit der 20 Landeskirchen zu Debatte. Außerdem geht es um die Weitergabe des Glaubens in einer zunehmend säkularen Gesellschaft und die Finanzierung kirchlichen Handelns. 

Den Eröffnungsgottesdienst überträgt das ZDF ab 9.30 Uhr aus der Johanneskirche in Eltville-Erbach. Die Predigt hielt der Landesbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein.

Predigt zum Nachlesen:

Wir hören Worte aus dem Römerbrief, 8. Kapitel:

Ich bin überzeugt, das Leid, das wir gegenwärtig erleben, steht in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit, die uns erwartet und die Gott an uns offenbar machen will. Die ganze Schöpfung wartet doch sehnsüchtig darauf, dass Gott offenbart, wer seine Kinder sind. … Wir wissen ja: die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerzen wie in Geburtswehen bis heute. Und nicht nur sie! Uns geht es genauso. Wir haben zwar schon als Vorschuss den Heiligen Geist empfangen. Trotzdem seufzen und stöhnen auch wir noch in unserem Innern. … Denn wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles Hoffnung.

Seufz. Liebe Synodalinnen und Synodale, liebe Gemeinde, ich weiß nicht, ob Sie die Peanuts kennen, kleine Comicstrips, in denen klassisch comicmäßig nicht allzu viele Worte gemacht werden, aber schon gerne mal geseufzt wird. Über erfüllende Momente am Klavier etwa, wenn der Junge, der Schroeder genannt wird, spielt. Er kann so gut mit Noten. Ach ja, seufz. Zu den bekanntesten Figuren gehören vermutlich der sprechende Hund Snoopy und der Junge Charlie Brown. Charlie Brown ist oft eher ein tragischer Verlierer, dabei sehr liebenswert. Manches Seufz kommt bei ihm aus der Tiefe dessen, wie das Leben einem so mitspielt.

Die Welt als Seufzergemeinschaft

In einer kleinen Bildergeschichte kann Snoopy nicht einschlafen. Nachdem er alle möglichen Liegepositionen auf seiner Hundehütte ausprobiert hat, klingelt er bei Charlie Brown. Der, ganz verständnisvoll: Ich weiß, wie das nervt, wann man nicht zur Ruhe kommt. Danach letztes Bild: Snoopy hat es sich auf dem Kopf von Charlie Brown bequem gemacht, die Füße hängen zu einer Seite, der Hundekopf zur anderen Seite runter. Snoopy, ganz entspannt. Schnarch. Charlie Brown: Seufz. Jetzt ist er wach. Ich würde sagen: zusammen sind sie eine Seufzergemeinschaft, in Sehnsucht und füreinander Dasein.

Liebe Gemeinde, die Welt ist oft genug auch so eine Seufzergemeinschaft. Schließlich kann man kann doch auch wunderbar gelöst, aus Zufriedenheit seufzen. Weil sich fügt, wonach wir suchen. Eine Stirn etwa, auf die man sich legen kann, wenn die eigene vor Sorgen krauser wird. Eine Hand, die einen hält in Corona-Tagen. Ein Bild, das immerhin da ist beim Skypen, wenn man sich schon nicht besuchen kann. Du bist da, wie gut. Seufz. Die Welt und ihr gelöstes Seufzen, gestern Abend vielfach in der Welt zu vernehmen. Eine Seufzergemeinschaft.

Kirche in Sehnsucht und Aufbruch

Die Kirche auch, würde ich sagen. In den Statements, die wir gerade eben gehört haben, ist das ja in anderen Worten formuliert. Die Kirche ist Anwalt der Schwachen. Oh ja, für sie bitte mehr als nur Seufzen, für sie eintreten, unbedingt, Gerechtigkeit einfordern, Raum bieten, Heimat, zugleich offen, ein Platz, an den jeder kommen kann, Avantgarde des Reiches Gottes. Das alles zwischen den verschiedenen Kanälen: analog und digital. Wenn’s da mal nicht funktioniert mit den Medien, dann auch mal kräftig seufz. Aber meistens: gelöste, frohe Seufzergemeinschaft in Sehnsucht und Aufbruch. Weil, das macht die Kirche ja aus: es geht nicht um sie selbst, es geht um Gottes gutes Schöpfung, die doch, wie Paulus schreibt, die doch sehnsüchtig wartet, dass Gott seine Herrlichkeit an ihr, an uns offenbar machen will. Ja, bitte. Darauf zu setzen, daran zu glauben, das ist doch der ganze Sinn der Kirche.

Wir wissen ja: die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerzen. Und nicht nur sie. Uns geht es genauso. Schreibt Paulus an die damals ganz kleine christliche Gemeinde in Rom. Paulus: Gefängnis hinter sich, Verfolgung vor Augen, eine Welt im Umbruch, archaische Brutalität auch im so zivil erscheinenden Römischen Reich. Die ganze Schöpfung seufzt, uns geht es genauso. Schreibt Paulus. Liebe Gemeinde, auch wenn es uns nicht genauso geht wie Paulus, einstimmen können wir in diese Worte wohl, wir kennen ja das Gefühl darin. Wie ausgeliefert scheint uns das Leben dieser Tage. Schrecken und Schmerz über den Terror, ob in Lyon, in Nizza, in Dresden, in Wien. Dazu diese Pandemie, die uns die Grenzen unseres „wir haben unser Leben in der Hand und können alles planen“ vor Augen führt. Wir können nicht alles planen und machen, schon gar nicht unser Leben selbst. Es ist zum Stöhnen, Zweifeln, Verzweifeln. Und klar, die Schöpfung, die Erdkugel, das Klima. Ächzt unter uns, mehr als das. Wer da nicht schlafen kann, den kann man nur zu gut verstehen. Eine Seufzergemeinschaft, die oft selbst ruhelos ist, sind wir, ja die dafür da ist, sich – wie Charlie Brown – wachklingen zu lassen, Wir sind und wir wollen nicht die schweigende Kirche sein, die es schön bei sich hat und das Klopfen nicht hört, nicht hört, was an der Zeit ist. Wenn Seufzergemeinschaft, dann eine, von der man zurecht was erwarten kann. Was? Trost. Wie? Paulus sagt es: Durch Gottes Geist, dass er sich breit macht unter uns:

Hoffnung hält die Kirche wach

Wir haben zwar schon als Vorschuss den Heiligen Geist empfangen. Trotzdem seufzen wir noch in unserem Inneren. Noch ist alles Hoffnung. Wir sehen es noch nicht. Wir warten geduldig. – Warten. Dabei gestalten, na klar, nicht untätiges Rumsitzen ist gemeint. Paulus ist von einem Ende zum anderen der antiken Welt gesaust. Und wir? Müssen vielleicht mehr raus aus der Kirche. Ja, ich weiß, viele tun das längst. Aber doch: kann noch mehr, muss noch kräftiger. Naja, Appelle. Manche machen sie ruhelos wie diesen Snoopy. Andere halten sie wach wie den guten Charlie Brown. Nötig ist beides. Ruhelos bleiben. Und zur Ruhe öffnen.  

Entscheidend aber ist, meine ich, noch etwas anderes: Gottes Hoffnung verwandelt. Schon jetzt. Es ist diese Hoffnung, die die Kirche wach hält. Ein doppelt wahrer Satz? Hält wach, wird wach gehalten …- ach, lieber ganz konkret: Die junge Frau klingelt. Die ältere Diakonin macht ihr auf. Sie setzen sich. Reden. Nicht das erste Mal. Die junge Frau hat durch eine Infektion ihre Energie verloren, das Virus ist lange wieder weg, aber sie kommt nicht richtig zu Kräften, kann nur ganz wenig tun. Die beiden reden. Wie so oft. Dann legt die Diakonin eine CD ein. Chorkonzert. Die Geigen seufzen. Der Sopran seufzt. Die Frau weint. Hinter den Tränen kommt neue Klarheit ins Gesicht, für einen Moment jedenfalls. Gottes Herrlichkeit – in Tränenschleiern, zu ahnen, für einen Moment. Die Diakonin betet. Die junge Frau geht. Sie wird wieder kommen. Nächste Woche. Der Weg ins Leben ist weit. Die Hoffnung verwandelt jetzt. Ja: für solche oder ähnliche Geschichten ist das Comic-Bild von Snoopy und Charly Brown vielleicht arg simpel. Aber mit einem richtigen Kern. Einer kommt zur Ruhe. Der andere ist da. Gottes Hoffnung macht sich breit. Jetzt schon.

Gott seufzt für uns

Es hat damit angefangen, dass ich mit meiner Oma früher am Bett gebetet habe. Hat Paula Dosch vorhin im letzten Statement gesagt. Ja, das kann ich auch so sagen: Es hat damit angefangen, dass jemand mit mir gebetet hat. Die ganze Kirche fängt stets so an, dass jemand in ihr betet. Gott seufzt für uns. In Jesus Christus. Weint. Und wird zur Hoffnung. Verwandelt. Seufzergemeinschaft wird Hoffnungsgemeinschaft. – Die Kirche ist nicht ihre Vollmundigkeit, mit der sie über das redet, was sie einmal alles werden und schaffen will. Wenn sie den Mund voll nimmt, dann im Beten, also voll mit Worten, die uns geschenkt werden. Das ist der Vorschuss des Heiligen Geistes. Dass er mit uns im Gebet seufzt. Seht, wie das verwandelt.

Das Schöne an dieser kleinen Bildergeschichte mit Snoopy und Charlie Brown ist, dass man nicht so genau weiß, was zwischen den letzten beiden Bildern passiert. Erst verständnisvoll: Ich weiß, wie das nervt, wenn man nicht zur Ruhe kommt. Dann: Ruhe. Gelöstes seufz. Einer wacht. Was wird dazwischen gewesen sein? Paulus vorlesen? Naja. Chorkonzert hören? Schon eher, vermissen wir ja gerade. Mit Gott reden? Eine Runde spielen? Schweigen? Einfach gut, dass jemand da ist? Ich verstehe dich sagen ist schon mal vielversprechend. Zuhören. Bleiben. Bis sich Hoffnung einstellt. Seelsorge ist Grundaufgabe. Ein Schutzraum. Einer, der furchtbar missbraucht worden ist, das müssen wir immer wieder und laut sagen, auch in der Hinsicht müssen wir genau hinhören, hellwach sein. Nur so können wir wieder mit anderen da sein. Und für sie. In diesem Sinne Kirche sein: Wachet. Betet. Gott ist schon da. –

Wach auf, Kirche. Du wirst gebraucht. Es klingelt an der Tür. Hörst Du, Charlie Brown? Hören wir, liebe Synodalinnen und Synodale? Es klingelt. Und ist an der Zeit.

Amen.