TV-Tipp: "Tatort: Pumpen"

TV-Tipp: "Tatort: Pumpen"
6. September., ARD um 20.15 Uhr
Wenn Krimifiguren vor dem Hintergrund eines entsetzlichen Ereignisses makabre Scherze treiben, dann wird der Grat plötzlich ganz schmal: So was kann schnell geschmacklos wirken. Das Szenario, mit dem dieser "Tatort" aus Wien beginnt, ist ohnehin alles andere als komisch: Ein Mann erwacht des Nachts aus einer Betäubung, stellt fest, dass er quer über einem Bahngleis liegt,  und versucht angesichts eines sich nähernden Zuges irgendwie zu entkommen; vergeblich.

Am nächsten Tag zeigen die Bilder den zweigeteilten Leichnam zwar nur aus der Distanz, aber das ist grausig genug. Dass sich Polizisten und Kriminaltechniker im Angesicht des schrecklichen Vorfalls in schwarzen Humor flüchten, ist menschlich, und auch der Film trifft den richtigen Ton. Der bedauernswerte Lokführer hat ohnehin sofort erkannt, dass sich der Mann nicht das Leben nehmen wollte. Weil das Opfer einen wohltrainierten Oberkörper hat, klappert das Trio vom Wiener BKA sämtliche Fitness-Studios ab und findet auf diese Weise nicht nur seine Identität heraus: Der arbeitslose James-Bond-Fan konnte sich einen teuren Aston Martin leisten. Die Ermittler vermuten, dass er entweder an einem schwunghaften Handel mit verbotenen Muskelpräparaten beteiligt war oder die Dealer erpresst hat und dies mit seinem Leben bezahlen musste; doch die Wahrheit ist viel komplizierter.

Die Handlung entwickelt ohnehin eine beeindruckende Komplexität, und das nicht nur wegen des in großem Stil organisierten und zwar raffinierten, aber letztlich anscheinend auch kinderleichten Betrugs, dem Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), Bibi Fellner (Adele Neuhaus) und Fredo (Thomas Stipsits), der Kollege für die Fußarbeit, auf die Spur kommen. Clever gibt das Drehbuch (Karin Lomot, Robert Buchschwenter) mit einer vermeintlichen Nebenebene schon früh einen entsprechenden Hinweis: Zu Beginn des Films erwacht Bibi im Bett ihres neuen Freundes Franz (Christoph Kail), weil plötzlich die Polizei in seiner Wohnung steht. Die Beamten wollen wissen, wo die bei ihm gemeldete Mitbewohnerin sei. Franz weiß angeblich von nichts, Bibi glaubt ihm natürlich nicht. Fortan versucht der nun verschmähte Geliebte alles, um sie davon zu überzeugen, dass sie die einzige Frau in seinem Leben sei. Tatsächlich trägt er am Ende sogar seinen Teil dazu bei, diesen komplizierten Fall, in dessen Verlauf die Majorin buchstäblich mit dem Tode ringt, zu lösen.

Auch Fredo ergeht es schlecht: Er wird als verdeckter Ermittler in das Fitness-Studio eingeschleust, in dem das Opfer seine Freizeit verbracht hat, legt sich jedoch mit den falschen Leuten an und landet im Krankenhaus. Hier setzt der Film ebenfalls einen Kontrapunkt: Die Szene, als der Polizist brutal zusammengeschlagen wird, ist äußerst unangenehm, aber in der Klinik fühlt sich Fredo pudelwohl, weil die hübschen jungen Krankenschwestern einen Narren an ihm gefressen haben. Der ständige Wechsel des Vorzeichens ist typisch für diesen "Tatort" mit dem schmucklosen Titel "Pumpen" (eine Anspielung aufs Gewichtstemmen). Die trocken vorgetragenen Pointen sind ohnehin ein Markenzeichen der Krimis aus Wien. Regisseur Andreas Kopriva war früher bereits als Schnittmeister für den "Tatort" tätig und hat unter anderem die raffiniert inszenierte ORF-Krimiserie "Janus" gedreht (2016 bei 3sat ausgestrahlt). In seinem Fernsehfilm-Regiedebüt gelingt es ihm immer wieder, die Krimispannung durch komische Momente aufzulockern; sehr hübsch ist zum Beispiel eine kleine James-Bond-Parodie von Krassnitzer. Für weitere Heiterkeit sorgen wie gewohnt die teils liebevollen, teils durchaus grantigen gegenseitigen Frotzeleien des Ermittlerduos; natürlich bekommen die aufgepumpten Besucher des Fitness-Studios auch ein paar Gemeinheiten ab.

Der Schmäh von Eisner und Fellner hat im Unterschied zu manch’ anderen Szenen den Vorteil, dass man ihm auch diesseits der Grenze folgen kann; einige Sätze der weiteren Mitwirkenden sind aufgrund des Dialekts nicht immer verständlich, was jedoch weder die Kurzweiligkeit des Films noch die darstellerischen Leistungen schmälert. Eine besondere Rolle spielt Anton Noori, der schon in der österreichisch-deutschen Literaturverfilmung "Herzjagen" sehr positiv aufgefallen ist. Dort hat er einen Herzchirurgen gespielt, dem eine Patientin (Martina Gedeck) regelrecht nachstellt. Hier verkörpert er mit erneut großer Präsenz einen früheren Kollegen Eisners, der das Anfangsopfer flüchtig kannte, weil er gleichfalls Kunde des Studios ist. Er rettet Fellner zwar das Leben, aber es stellt sich raus, dass er auf äußerst tragische Weise in den Fall verwickelt ist.