Evangelische Theologen debattieren über das Online-Abendmahl

Online-Abendmahl zuhause feiern
© epd-bild/Jens Schulze
In der Corona-Krise plaedieren einige evangelische Theologen dafür, online Abendmahl zu feiern. Sogar Martin Luther selbst hatte daran geglaubt, dass Christen sich in einer absoluten Ausnahmesituation selbst die Einsetzungsworte zusprechen könnten.
Evangelische Theologen debattieren über das Online-Abendmahl
In der Corona-Krise plädieren einige evangelische Theologen dafür, online Abendmahl zu feiern. Weil die Kirchen geschlossen bleiben, wird diskutiert, ob das am Gründonnerstag eine Alternative für Gläubige sein könnte.
08.04.2020
epd
Franziska Hein, Judith Kubitscheck und Karsten Packeiser

Der letzte reguläre Sonntagsgottesdienst in der evangelischen Mainzer Auferstehungskirche ist mittlerweile einen Monat her. Wegen der Corona-Pandemie kommt die Gemeinde seither nur noch virtuell vor den PC- und Smartphone-Bildschirmen zusammen - inzwischen auch wieder zum Abendmahl. Zum Läuten der Kirchenglocken heißt es gleich zu Beginn des Livestreams aus der leeren Kirche: "Zur Vorbereitung stellen Sie sich gern eine Kerze, etwas Brot und Wein oder Saft bereit." Die Frage, ob es möglich ist, online Abendmahl zu feiern, wurde schon vor der Corona-Krise gestellt. In diesem Jahr ist sie aufgrund der Ausnahmesituation besonders drängend. Denn am Gründonnerstag erinnern sich Christen an das letzte Abendmahl Jesu Christi mit seinen Jüngern vor seiner Hinrichtung.

In der jetzigen Situation gibt es zwei Vorschläge: Eine Art Notabendmahl, das auch Laien erlaubt, das Abendmahl einzusetzen - was sonst nur Pfarrerinnen und Pfarren vorbehalten ist. Im Netz gibt es dafür viele teils von den Kirchenleitungen erprobte Beispiele für entsprechende Liturgien. Die zweite Möglichkeit ist ein Online-Abendmahl, das über die diversen medialen Kanäle von einem Pfarrer oder einer Pfarrerin angeleitet wird. Dabei nehmen die Gläubigen dann ein zuvor bereitgestelltes Stück Brot und einen Schluck Wein oder Traubensaft zu sich.

"Mit beidem habe ich persönlich Schwierigkeiten", sagt Thies Gundlach, einer der drei theologischen Vizepräsidenten des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Denn das Abendmahl lebt ja davon, dass man es gereicht bekommt, dass es gegeben wird und nicht zu sich genommen wird." Ähnlich sieht das auch der Mainzer Theologie-Professor Kristian Fechtner, der dazu rät, für die Dauer der Corona-Krise bewusst auf das Abendmahl zu verzichten. Eine Feier im evangelischen Verständnis sei nur möglich, wenn "für alle Beteiligten die Einheit von Raum, Zeit und leiblichem Zusammensein gilt und erfahrbar wird".

Doch inzwischen mehren sich die Stimmen, die für eine andere Haltung plädieren. Pfarrer Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter der rheinischen Landeskirche, feiert seit zehn Jahren Online-Andachten. "Das ist genauso eine Gemeinschaft", versichert er. Entscheidend sei außerdem die Frage, wer zu einem Abendmahl einlade, gibt er in einem Blog-Beitrag zu bedenken: "Wenn es Christus selbst ist, wie können wir diese Einladung nur auf eine bestimmte räumliche Reichweite um den Altar herum beschränken?"

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Getaufte Christen hätten als Kirchenmitglieder auch weiterhin ein Recht darauf, das Sakrament zu empfangen, erklärt auch der Theologe Jochen Arnold, der ein Standardwerk über die Theologie des Gottesdienstes geschrieben hat: "Die Verantwortlichen sind herausgefordert, alle theologisch verantwortbaren und technisch möglichen Optionen dafür bereit zu halten." Er geht sogar noch einen Schritt weiter: Beim Abendmahl spiele der Gemeinschaftsgedanke erst seit dem 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle. Der Reformator Martin Luther selbst habe daran geglaubt, dass Christen sich in einer absoluten Ausnahmesituation sogar selbst die Einsetzungsworte zusprechen könnten.

Aus seelsorgerischer Sicht sei das in der aktuellen Notlage besonders wichtig, denn viele ältere Menschen seien gar nicht in der Lage, die technischen Möglichkeiten zu nutzen. "Diejenigen, die eine häusliche Abendmahlsfeier wünschen und gestalten, sind überzeugte Christenmenschen. Sie werden mit großer Freude in die Gottesdienste der Gemeinde zurückkehren, wenn die Pandemie vorbei ist", sagt Arnold.

EKD-Position

Die EKD hat die Diskussion in einer aktuellen Handreichung aufgegriffen. Darin wird empfohlen, sich für die grundsätzlichen theologischen Fragen Zeit zu nehmen. EKD-Vizepräsident Gundlach geht aber davon aus, dass am Gründonnerstag die evangelischen Gemeinden die Frage des Abendmahls unterschiedlich handhaben werden. Wenn es nach ihm ginge, würden die Gläubigen aber am Gründonnerstag entweder ganz auf Abendmahlfeiern verzichten, oder ein sogenanntes Agapemahl feiern, das an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern erinnert, aber liturgisch betrachtet kein Abendmahl ist.

Die rheinischen Landeskirche geht einen anderen Weg. Sie hat inzwischen für die Dauer der Corona-Krise eine Notliturgie ausgearbeitet, die auch die Möglichkeit zu einem Abendmahl enthält. "Notzeiten erfordern Notlösungen", sagt Pressesprecher Jens Peter Iven. Am Gründonnerstag sind alle Mitarbeiter des Landeskirchenamtes zu einem Internet-Gottesdienst eingeladen - mit Abendmahl.

Position der Württemberger

Bei den Internet-Gottesdiensten, die nun Kirchengemeinden der württemberglischen Landeskirche in der Karwoche feiern, soll die virtuelle Gemeinde nicht zum Empfang von Brot und Wein aufgefordert werden, heißt es in einem Beschluss des Oberkirchenrates. Es dürfe zwar eine Abendmahlsfeier in der Kirche im kleinsten Kreis gefilmt werden - aber die Zuschauer an den Bildschirmen sollten nur passiv an der Feier teilnehmen, wie jemand, der bei der Austeilung des Abendmahls in der Bankreihe bleibt und im Gebet verbunden ist, erklärt Kirchenrat Frank Zeeb auf der Corona-Seite der württembergischen Landeskirche. "Es kann nicht stiftungsgemäß sein, wenn das Geschehen in der Kirche in den Häusern gleichsam mitgefeiert wird."

Erlaubt ist aber ausnahmsweise in der Karwoche, dass auch Laien im Familienkreis das Abendmahl einsetzen dürfen, um "in der gegenwärtigen Notsituation" ein Hausabendmahl feiern zu können. Dafür hat die württembergische Landeskirche auch eine Liturgie bereitgestellt. Normalerweise ist das Einsetzen des Abendmahls nur von der Landeskirche ausgebildeten und ermächtigen Personen vorenthalten.

Theologischer Widerspruch

Die Kirchenleitung der badischen Landeskirche sieht es ähnlich: Auch sie unterstützt die Option des Hausabendmahls und rät derzeit davon ab, medial vermittelte Abendmahlsfeiern ohne Gemeinde anzubieten. "Wir empfehlen eher das stille Mitfeiern, wie es auch sonst manche Gemeindeglieder in unseren Gottesdiensten praktizieren", heißt es in einem Schreiben an die Kirchengemeinden.

Laut Kirchenrat Zeeb ist eine medial vermittelten Abendmahlfeier theologisch problematisch, da dann räumlich getrennt werde zwischen "Wort und Zeichen", zwischen den Worten des Abendmahls hier und Brot und Wein dort. Gegen den Beschluss der württembergischen Kirchenleitung regt sich bei zwei synodalen Gesprächskreisen theologischer Widerspruch: Die "Kirche für morgen" findet, dass es theologisch keine stichhaltigen Argumente gibt, die Abendmahlsfeier via Fernseher oder Internet auszuschließen. "Ganz im Gegenteil: Wir sollten uns freuen, dass wir solche Möglichkeiten haben." Natürlich könne die intensive Gemeinschaft, der Handschlag, der persönliche Zuspruch wie bei einem Abendmahl in der Kirche nicht vor dem Smartphone oder Bildschirm erlebt werden. Aber auch eine medial vermittelte Gemeinschaft sei eine Gemeinschaft.

Der Gesprächskreis der "Lebendigen Gemeinde" "ermutigt" sogar zu einem Online-Abendmahl. Die Möglichkeit zur Feier des Abendmahls auch über Video- und Streaming-Angebote sei "theologisch gegeben und unter der gegebenen Situation auch geboten", heißt es in einer Pressemitteilung. "Auch im virtuellen Raum gilt: Das Wort tritt zum Element und macht das Sakrament. Sollte diese Wirkung des Wortes ernsthaft durch räumliche Distanz gehindert werden?", fragt Pfarrer Steffen Kern in seiner theologischen Argumentationshilfe für die Lebendige Gemeinde.

Hinweise der EKD zum Umgang mit dem Abendmahl in der Corona-Krise: